ERWIN LEDER |
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Essen und Medizin für Kriegsgefangene und Juden im Ghetto
Dr. Erwin Leder war als Standortarzt von Sluzk nach Durchzug der Front den deutschen Besatzungsverantwortlichen im Hinterland auch für die ärztliche Betreuung des dortigen Stammlagers (Stalags) für Kriegsgefangene jeder Art verantwortlich. Durch erfolgreiche Seuchenbekämpfung, die Schaffung eines funktionierenden Lazaretts sowie die Verbesserung der Ernährungs- und Unterbringungssituation vermochte er gemeinsam mit dem jüdischen Kriegsgefangenen Rafael Gabovich die Sterberate drastisch zu senken und die Überlebenschancen ausschlaggebend zu heben. Sie retteten auf diese Weise Tausende von Menschen vor dem sicheren Tod.
Leder war als Angehöriger der Deutschen Wehrmacht in den Jahren 1941 - 42 Standortarzt in Sluzk, 8o km südlich von Minsk und als ärztlicher Oberoffizier auch für das dortige Kriegsgefangenenlager mit etwa 15.000, zeitweise 25.000 bis 30.000 Häftlingen verantwortlich.
In enger Zusammenarbeit mit dem jüdischen Arzt und Lagerinsassen Dr. Rafael Gabovich vermochte er durch ein außerordentliches Maß an Menschlichkeit und Sachkenntnis, an Hartnäckigkeit und Kühnheit die hygienischen Bedingungen, die medizinische Versorgung und die Ernährungssituation zu verbessern, wodurch es ihm gelang, den Flecktyphus und den Hunger zu besiegen. Dadurch konnte er die tägliche Sterberate im Lager von 70 bis 80 Menschen auf drei bis vier Tote pro Tag senken: Da er den in seiner Funktion als Arzt gegebenen Handlungsspielraum mutig wahrnahm, konnten tausende Gefangene überleben.
Durch das Schmuggeln von Medikamenten und ärztlicher Ausrüstung, sowie von Nahrungsmitteln in das nahe Ghetto von Sluzk sowie das Verraten einer bevorstehenden deutsch-litauischen Kommandoaktion zur Liquidierung desselben, bei welcher kurz darauf etwa 5.000 Menschen getötet wurden, konnte er vielen Ghettobewohnern zum Überleben und insbesondere Jüngeren unter ihnen rechtzeitig zur Flucht verhelfen. Da er weiterhin das Vertauschen von Identitäten im Lazarett Verstorbener mit sogenannten "unerwünschten Personen" deckte, konnten sich diese mit neuen Papieren ins Hinterland absetzen.
Bei allen diesen Aktionen setzte er sich höchstem Risiko für die Sicherheit seiner eigenen Person aus. Nachdem er verraten worden war, konnte ihm in einem Feldgerichtsverfahren nur deshalb nichts nachgewiesen werden, weil die Gestapo die auf frischer Tat ertappten jüdischen Hauptzeuginnen im Zuge ihrer Vernehmung derart misshandelte, dass sie umkamen und auf diese Weise nicht mehr aussagen konnten. Dennoch wurde er im November 1942 unter Beförderungssperre in eine Strafdivision an die Front versetzt, wurde 1945 schwer verwundet, überlebte jedoch glücklicherweise.
Gabovich fand seinen Retter 1992 wieder und bewirkte durch seine Berichte über die Ereignisse in Sluzk die Ernennung Leders zum Gerechten unter den Völkern durch Yad Vashem. Es ist dies die höchste Auszeichnung, die der Staat Israel an Nichtjuden vergibt, falls sie unter Einsatz ihres eigenen Lebens Juden gerettet haben.
Literatur:
(1) Gutman, Israel (Hg.): Lexikon der Gerechten unter den Völkern, Deutsche und Österreicher, Wallstein Verlag - Yad Vashem (2005)
ISBN 3 - 89244 - 900 - 7
(2) Hamburger Institut für Sozialforschung (HIS): Verbrechen der Wehrmacht, Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941 - 44
(Ausstellungskatalog) Hamburger Edition 2002
ISBN 3 - 930908 - 74 - 3
(3) Germann, Richard: "Österreichische" Soldaten in Ost- und Südosteuropa 1941 - 45,
Deutsche Krieger - Nationalsozialistische Verbrecher - Österreichische Opfer?
Dissertation Universität Wien 2006
(4) Thoma, Helga: Mahner - Helfer - Patrioten, Porträts aus dem österreichischen Widerstand
Edition VaBene, Wien - Klosterneuburg 2004
ISBN 3 - 85167 - 168 - 6