Die letzten Zeugen - Das Buc
Liste der Opfer
 
 
 
Alice Lorenz aus Villach legte an der letzten Adresse
von Richard Groher Blumen der Erinnerung nieder.

Richard Groher

Geburtsdatum: 1902 in Vöcklamarkt

Letzter bekannter Wohnort:

4840 Zell am Pettenfirst,

Todesdatum

1943


Geschichte des Opfers

recherchiert im Jahr 2003 von ,

Spätes Gedenken - Richard Groher, 1902 - 1943.
von Maria Ecker

(erschienen in: betrifft Widerstand. Zeitschrift des Zeitgeschichtemuseums Ebensee. November 2005)

"Was nicht auf Gedenktafeln steht, wozu die Dokumente fehlen oder vernichtet wurden, was die Opfer oder ihre Angehörigen verzweifelt zu beweisen suchen, es löst sich langsam auf, fängt an, nie existiert zu haben." 
Ludwig Laher, Herzfleischentartung


Zell am Pettenfirst. Im heurigen Gedenkjahr formierte sich eine kleine Gruppe von Gemeindebürgern, die die Errichtung einer Gedenktafel für Richard Groher anregte. Groher war 1943 wegen - wie es im damaligen Sprachgebrauch hieß - "Wehrkraftzersetzung" und "Feindbegünstigung" hingerichtet worden. Sein Schicksal wurde über Jahrzehnte weitgehend verschwiegen, verdrängt und vergessen.

Grohers Leben
Richard Groher wurde 1902 in Vöcklamarkt geboren. Nach Absolvierung seiner Lehrzeit war er ab 1918 in verschiedensten Orten Oberösterreichs als Kaminfeger, ab 1922 als Bergmann tätig. Die Suche nach Arbeit führte ihn in diesen Jahren auch nach Frankreich und Deutschland. In Penzberg, einer kleinen Kohlenbergbau-Stadt im bayerischen Oberland, ließ Groher sich schließlich Ende der 1920er vorübergehend nieder. 1928 heiratete er dort Theresia Kirchgatterer, die ihm von Thomasroith  nach Deutschland gefolgt war, zwei Jahre später wurde deren Tochter Elfriede geboren. Die ‚Penzberger Jahre' waren aber nicht nur privat für ihn prägend. Im Februar 1921 war Groher der sozialdemokratischen Partei Österreichs beigetreten. In den wirtschaftlich und politisch turbulenten Jahren der Weimarer Republik wechselte er nun -  1931 - zur Kommunistischen Partei Deutschlands . 1932 kehrte Groher samt Familie nach Oberösterreich zurück und meldete sich bei der KPÖ, Ortsgrupppe Wolfsegg , wo seine Tätigkeit als Sprengelleiter bis 1933 dokumentiert ist. 
Die Jungfamilie Groher ließ sich in Zell am Pettenfirst, einem kleinen Dorf im Hausruckwald, nieder. Am Rande eines Kohlenbergbaugebietes gelegen, zog die 900-Seelen-Gemeinde in diesen Jahren zunehmend Bergleute an. Von der einheimischen, überwiegend bäuerlichen Bevölkerung wurden die Bergmänner im Allgemeinen als soziale Außenseiter betrachtet. Auf Richard Groher, der von 1932 bis 1938 arbeitslos und schon bald als "Kommunist" bekannt war, traf das in besonderem Maß zu. Dass jemand wie er sich ausgerechnet mit dem hiesigen Pfarrer August Einsiedl anfreundete, der ihm noch dazu wiederholt aus finanzieller Not half, wurde von den Kirchgängern nicht immer gern gesehen.  Noch Jahre später erinnerte sich Einsiedl vor allem an jene gespannte Atmosphäre zwischen Bergleuten und Bauern, die es für ihn schwierig machte, in der Pfarre als ausgleichender Pol zu  wirken .

Widerstand und Denunziation
Der damalige Bürgermeister der Gemeinde sah das übrigens pflichtgemäß anders. In einem Schreiben an  die "Staatliche Volksbüchereistelle Oberdonau" von November 1939 betonte er die Atmosphäre des "gemütlichen Zusammenlebens", die in Zell, ganz "im Sinne einer richtigen Volksgemeinschaft", vorherrsche.  Richard Groher hat das "gemütliche Zusammenleben" wohl weniger als solches empfunden. 1938 fand er zwar Arbeit als Bergmann bei der Wolfsegg-Traunthaler AG, wurde dort aber 1940 wegen "Aufwiegelung" entlassen -  er hatte sich für gerechtere Löhne der Arbeiterschaft eingesetzt. Danach wurde er zur Wehrmacht einberufen, und war für zwei Jahre in Linz bei der Flugabwehr stationiert, bevor er aus gesundheitlichen Gründen vom Wehrdienst wieder freigestellt wurde . [Foto Wehrmacht]  Aus diesen Jahren sind etwa zwei Dutzend Briefe an seine Frau erhalten, aus denen nicht nur ein liebender Ehemann und Vater spricht, sondern darüber hinaus ein überzeugter Gegner der nationalsozialistischen Ideologie, der den Kriegsverlauf aufmerksam verfolgte, und fest an das Scheitern des Regimes glaubte. Im August 1942 etwa schrieb Groher an seine Frau Theresia: "Die Welt ist heute nichts mehr als eine Quelle des Leidens und des Todes, trostlos darauf zu leben, und trotzdem sagt einen ein inneres Gefühl, ich muss Leben um der Gerechtigkeit willen, um gutes zu thun, um die Wahrheit hoch zu halten... Lüge und Ungerechtigkeit wird an dem Eckstein der da heißt Wahrheit und Gerechtigkeit, zerschellen."  Grohers Abneigung gegen das nationalsozialistische Regime war kein Geheimnis. Er äußerte wiederholt öffentlich seinen Unmut, was Freunde und Bekannte dazu veranlasste, ihn vor den möglichen Folgen zu warnen .  
Als wahrhaft folgenschwer sollte sich für Groher eine Zugfahrt nach Lenzing im Juli 1943 herausstellen. Auf dem Weg zur Arbeit, Groher war wieder als Kaminfeger tätig, berichtete ihm ein Bekannter im Zug von Gräueltaten der SS in Polen. Groher erzählte einer Kundin von dem Gehörten. Die Frau, Maria Lobisser, betonte später in ihrer Aussage, dass ihr Groher schon bei früheren Gelegenheiten "durch staatsfeindliche Reden aufgefallen" sei, und dieser im Laufe des Gespräches wortwörtlich erklärte "wir müssen den Krieg verlieren, weil wir ansonsten so und so verloren sind."  Sie jedenfalls berichtete ihrem Mann von dem Vorfall. Dieser, ein bekennender Nationalsozialist, erstattete Anzeige . Die Behörden handelten umgehend.  Anfang September wurde Richard Groher am Bahnhof in Vöcklabruck verhaftet, am nächsten Tag nach Linz gebracht, dort am 2.10. von der Gestapo - in den Worten Grohers -  "gequält" und "zur Unterschrift einer unwahren Angabe gezwungen." Am 17.10. überstellten ihn die nationalsozialistischen Behörden zum Volksgerichtshof nach Berlin, wo es am 8.11. zur Verhandlung wegen "Wehrkraftzersetzung" und "Feindbegünstigung" kam.  
 
Verurteilung und Hinrichtung
Die Urteilsschrift gibt in beklemmender Weise den Zynismus des nationalsozialistischen Systems wieder. "Im Namen des Deutschen Volkes" wird da verlautbart, Richard Groher, "ein alter Marxist" habe sich als "Zersetzungspropagandist […] für immer ehrlos gemacht" und werde deshalb "mit dem Tode bestraft." Es bedürfe keiner näheren Begründung, "dass derjenige, der, wie es der Angeklagte getan hat, (…) das überall als vorbildlich bekannte Verhalten der deutschen Soldaten" in Frage stelle, die "deutsche Waffenehre besudele."  Groher habe sich durch sein Handeln "selbst aus der kämpfenden Gemeinschaft des Großdeutschen Reiches ausgeschlossen, so dass die Verhängung der Todesstrafe lediglich die Vollziehung des bereits von ihm selbst gesprochenen Urteils darstellt."
Dank der Briefe von Groher an seine Frau ist nicht nur die nüchterne Sprache der Täter erhalten, sondern auch seine eigenen Worte. Kurz nach der Verhandlung schrieb er an seine Frau: "…deinen lieben Brief hab ich erhalten, hoffentlich hast du auch meine zwei folgenden erhalten und weißt, wie es um mich steht. Dass dies alles auf meinen Kopf sich auswirkt, kannst dir ja denken. Ich brauche nicht mehr viel, dann bin ich ein Narr. … Was hab ich jetzt davon, dass ich tag und nachts, und auch sonntags gearbeitet habe und nichts schlechtes tat…Von der Verhandlung kann ich nichts sagen, denn ich weiß kaum was war, da ich ganz zerstreut war. Das eine weiß ich noch, dass ich zum Tode verurteilt bin."

Am 20. Dezember 1943 wurde Richard Groher in Berlin hingerichtet. Seiner Frau Theresia wurden die von ihm hinterlassenen Sachen nach Zell am Pettenfirst übersandt, darunter ein Abschiedsbrief, in dem er der Familie die letzten Grüße übermittelt. Die Witwe Groher erhielt kurz darauf Besuch von örtlichen Nazi-Funktionären, die nicht nur ihr Radio beschlagnahmten, sondern sie auch davor warnten, öffentlich zu trauern. Außerdem wurde gedroht, dass nach dem "Endsieg" sie und ihre Tochter die nächsten seien, die "dran glauben müssten." Die Drohung zeigte ihre beabsichtigte Wirkung. Noch Jahrzehnte später lehnte Theresia Groher das Angebot, den Namen ihres Mannes auf einer öffentlichen Gedenktafel für Widerstandskämpfer in Wien zu inkludieren, ab -  aus Angst vor möglichen Repressionen gegen ihre Familie, sollte je wieder ein faschistisches Regime an der Macht sein. 

(K)ein Gedenken an Richard Groher
Abgesehen von der privaten Trauer und Ängsten der Angehörigen -  das Schicksal Richard Grohers bleibt in seiner Wahlheimat Zell am Pettenfirst für Jahrzehnte ein Tabu. Als wegen "Wehrkraftzersetzung" Hingerichteter hat Groher keinen Platz am Kriegerdenkmal, auf dem sich Anfang der 1950er Jahre - in Stein gemeißelt - das öffentliche Gedächtnis manifestiert. Wird über Groher geredet, dann im privaten Rahmen und im Flüsterton. Lauter - und damit öffentlicher - werden die Stimmen erst seit Anfang der 1990er. Josef Friedl etwa, seit 1986 Pfarrer in Zell, fügt den Namen Richard Groher der alljährlichen Allerheiligenlitanei bei. Die Provokation gelingt, die Reaktionen sind heftig, verpuffen aber bald wieder. Die Kulturgruppe Zell E, bekannt für die Aufführung von Theaterstücken, die sich kritisch mit Österreichs Nazi-Vergangenheit befassen, regt die Umgestaltung des Kriegerdenkmales in ein "Antikriegerdenkmal" an, das alle Opfer inkludieren soll. Auch hier wird kontrovers diskutiert, vor allem innerhalb der Gruppe selbst . Erst mit der Veröffentlichung des Zeller "Heimatbuches" im Jahr 1999 wird die Geschichte Grohers erstmals ausführlich dokumentiert und erzählt. Im heurigen "Gedenkjahr" formiert sich eine kleine Gruppe von ZellerInnen, die erneut die Errichtung einer Gedenktafel für Richard Groher einfordert. Im Sommer 2005 bekennen sich schließlich die Gemeinde und die Pfarrgemeinde Zell am Pettenfirst zu einem öffentlichen Gedenken an Groher - an einem ebenso öffentlichen Ort: dem Dorfplatz. Wegen der unmittelbaren Nähe zum Kriegerdenkmal werden auch Vertreter des Kameradschaftsbundes in den Diskussionsprozess miteinbezogen. Anfang Oktober einigen sich die beteiligten Parteien (Gemeinde, Pfarre, Kameradschaftsbund) auf einen für alle vertretbaren Konsens. Das Ergebnis dokumentiert auch, dass die Erinnerung an das Schicksal eines Regimegegners selbst nach 62 Jahren auf einen noch immer wunden Punkt trifft und sprachlicher Kompromisse bedarf: [Foto Gedenktafel]
Ende Oktober 2005 wurde die Tafel im Rahmen der so genannten "Friedensmesse" von Vertretern der Pfarre und der Gemeinde "eingeweiht". Der Ort soll für die Angehörigen eine Stätte der Trauer, für die Zellerinnen und Zeller eine Stätte des Gedenkens und Mahnens bieten. Richard Groher hat spät aber doch einen festen Platz im öffentlichen Gedächtnis erhalten.



Brief an die Zukunft

Spätes Gedenken - Richard Groher, 1902 - 1943.
von Maria Ecker

(erschienen in: betrifft Widerstand. Zeitschrift des Zeitgeschichtemuseums Ebensee. November 2005)

"Was nicht auf Gedenktafeln steht, wozu die Dokumente fehlen oder vernichtet wurden, was die Opfer oder ihre Angehörigen verzweifelt zu beweisen suchen, es löst sich langsam auf, fängt an, nie existiert zu haben." 
Ludwig Laher, Herzfleischentartung


Zell am Pettenfirst. Im heurigen Gedenkjahr formierte sich eine kleine Gruppe von Gemeindebürgern, die die Errichtung einer Gedenktafel für Richard Groher anregte. Groher war 1943 wegen - wie es im damaligen Sprachgebrauch hieß - "Wehrkraftzersetzung" und "Feindbegünstigung" hingerichtet worden. Sein Schicksal wurde über Jahrzehnte weitgehend verschwiegen, verdrängt und vergessen.

Grohers Leben
Richard Groher wurde 1902 in Vöcklamarkt geboren. Nach Absolvierung seiner Lehrzeit war er ab 1918 in verschiedensten Orten Oberösterreichs als Kaminfeger, ab 1922 als Bergmann tätig. Die Suche nach Arbeit führte ihn in diesen Jahren auch nach Frankreich und Deutschland. In Penzberg, einer kleinen Kohlenbergbau-Stadt im bayerischen Oberland, ließ Groher sich schließlich Ende der 1920er vorübergehend nieder. 1928 heiratete er dort Theresia Kirchgatterer, die ihm von Thomasroith  nach Deutschland gefolgt war, zwei Jahre später wurde deren Tochter Elfriede geboren. Die ‚Penzberger Jahre' waren aber nicht nur privat für ihn prägend. Im Februar 1921 war Groher der sozialdemokratischen Partei Österreichs beigetreten. In den wirtschaftlich und politisch turbulenten Jahren der Weimarer Republik wechselte er nun -  1931 - zur Kommunistischen Partei Deutschlands . 1932 kehrte Groher samt Familie nach Oberösterreich zurück und meldete sich bei der KPÖ, Ortsgrupppe Wolfsegg , wo seine Tätigkeit als Sprengelleiter bis 1933 dokumentiert ist. 
Die Jungfamilie Groher ließ sich in Zell am Pettenfirst, einem kleinen Dorf im Hausruckwald, nieder. Am Rande eines Kohlenbergbaugebietes gelegen, zog die 900-Seelen-Gemeinde in diesen Jahren zunehmend Bergleute an. Von der einheimischen, überwiegend bäuerlichen Bevölkerung wurden die Bergmänner im Allgemeinen als soziale Außenseiter betrachtet. Auf Richard Groher, der von 1932 bis 1938 arbeitslos und schon bald als "Kommunist" bekannt war, traf das in besonderem Maß zu. Dass jemand wie er sich ausgerechnet mit dem hiesigen Pfarrer August Einsiedl anfreundete, der ihm noch dazu wiederholt aus finanzieller Not half, wurde von den Kirchgängern nicht immer gern gesehen.  Noch Jahre später erinnerte sich Einsiedl vor allem an jene gespannte Atmosphäre zwischen Bergleuten und Bauern, die es für ihn schwierig machte, in der Pfarre als ausgleichender Pol zu  wirken .

Widerstand und Denunziation
Der damalige Bürgermeister der Gemeinde sah das übrigens pflichtgemäß anders. In einem Schreiben an  die "Staatliche Volksbüchereistelle Oberdonau" von November 1939 betonte er die Atmosphäre des "gemütlichen Zusammenlebens", die in Zell, ganz "im Sinne einer richtigen Volksgemeinschaft", vorherrsche.  Richard Groher hat das "gemütliche Zusammenleben" wohl weniger als solches empfunden. 1938 fand er zwar Arbeit als Bergmann bei der Wolfsegg-Traunthaler AG, wurde dort aber 1940 wegen "Aufwiegelung" entlassen -  er hatte sich für gerechtere Löhne der Arbeiterschaft eingesetzt. Danach wurde er zur Wehrmacht einberufen, und war für zwei Jahre in Linz bei der Flugabwehr stationiert, bevor er aus gesundheitlichen Gründen vom Wehrdienst wieder freigestellt wurde . [Foto Wehrmacht]  Aus diesen Jahren sind etwa zwei Dutzend Briefe an seine Frau erhalten, aus denen nicht nur ein liebender Ehemann und Vater spricht, sondern darüber hinaus ein überzeugter Gegner der nationalsozialistischen Ideologie, der den Kriegsverlauf aufmerksam verfolgte, und fest an das Scheitern des Regimes glaubte. Im August 1942 etwa schrieb Groher an seine Frau Theresia: "Die Welt ist heute nichts mehr als eine Quelle des Leidens und des Todes, trostlos darauf zu leben, und trotzdem sagt einen ein inneres Gefühl, ich muss Leben um der Gerechtigkeit willen, um gutes zu thun, um die Wahrheit hoch zu halten... Lüge und Ungerechtigkeit wird an dem Eckstein der da heißt Wahrheit und Gerechtigkeit, zerschellen."  Grohers Abneigung gegen das nationalsozialistische Regime war kein Geheimnis. Er äußerte wiederholt öffentlich seinen Unmut, was Freunde und Bekannte dazu veranlasste, ihn vor den möglichen Folgen zu warnen .  
Als wahrhaft folgenschwer sollte sich für Groher eine Zugfahrt nach Lenzing im Juli 1943 herausstellen. Auf dem Weg zur Arbeit, Groher war wieder als Kaminfeger tätig, berichtete ihm ein Bekannter im Zug von Gräueltaten der SS in Polen. Groher erzählte einer Kundin von dem Gehörten. Die Frau, Maria Lobisser, betonte später in ihrer Aussage, dass ihr Groher schon bei früheren Gelegenheiten "durch staatsfeindliche Reden aufgefallen" sei, und dieser im Laufe des Gespräches wortwörtlich erklärte "wir müssen den Krieg verlieren, weil wir ansonsten so und so verloren sind."  Sie jedenfalls berichtete ihrem Mann von dem Vorfall. Dieser, ein bekennender Nationalsozialist, erstattete Anzeige . Die Behörden handelten umgehend.  Anfang September wurde Richard Groher am Bahnhof in Vöcklabruck verhaftet, am nächsten Tag nach Linz gebracht, dort am 2.10. von der Gestapo - in den Worten Grohers -  "gequält" und "zur Unterschrift einer unwahren Angabe gezwungen." Am 17.10. überstellten ihn die nationalsozialistischen Behörden zum Volksgerichtshof nach Berlin, wo es am 8.11. zur Verhandlung wegen "Wehrkraftzersetzung" und "Feindbegünstigung" kam.  
 
Verurteilung und Hinrichtung
Die Urteilsschrift gibt in beklemmender Weise den Zynismus des nationalsozialistischen Systems wieder. "Im Namen des Deutschen Volkes" wird da verlautbart, Richard Groher, "ein alter Marxist" habe sich als "Zersetzungspropagandist […] für immer ehrlos gemacht" und werde deshalb "mit dem Tode bestraft." Es bedürfe keiner näheren Begründung, "dass derjenige, der, wie es der Angeklagte getan hat, (…) das überall als vorbildlich bekannte Verhalten der deutschen Soldaten" in Frage stelle, die "deutsche Waffenehre besudele."  Groher habe sich durch sein Handeln "selbst aus der kämpfenden Gemeinschaft des Großdeutschen Reiches ausgeschlossen, so dass die Verhängung der Todesstrafe lediglich die Vollziehung des bereits von ihm selbst gesprochenen Urteils darstellt."
Dank der Briefe von Groher an seine Frau ist nicht nur die nüchterne Sprache der Täter erhalten, sondern auch seine eigenen Worte. Kurz nach der Verhandlung schrieb er an seine Frau: "…deinen lieben Brief hab ich erhalten, hoffentlich hast du auch meine zwei folgenden erhalten und weißt, wie es um mich steht. Dass dies alles auf meinen Kopf sich auswirkt, kannst dir ja denken. Ich brauche nicht mehr viel, dann bin ich ein Narr. … Was hab ich jetzt davon, dass ich tag und nachts, und auch sonntags gearbeitet habe und nichts schlechtes tat…Von der Verhandlung kann ich nichts sagen, denn ich weiß kaum was war, da ich ganz zerstreut war. Das eine weiß ich noch, dass ich zum Tode verurteilt bin."

Am 20. Dezember 1943 wurde Richard Groher in Berlin hingerichtet. Seiner Frau Theresia wurden die von ihm hinterlassenen Sachen nach Zell am Pettenfirst übersandt, darunter ein Abschiedsbrief, in dem er der Familie die letzten Grüße übermittelt. Die Witwe Groher erhielt kurz darauf Besuch von örtlichen Nazi-Funktionären, die nicht nur ihr Radio beschlagnahmten, sondern sie auch davor warnten, öffentlich zu trauern. Außerdem wurde gedroht, dass nach dem "Endsieg" sie und ihre Tochter die nächsten seien, die "dran glauben müssten." Die Drohung zeigte ihre beabsichtigte Wirkung. Noch Jahrzehnte später lehnte Theresia Groher das Angebot, den Namen ihres Mannes auf einer öffentlichen Gedenktafel für Widerstandskämpfer in Wien zu inkludieren, ab -  aus Angst vor möglichen Repressionen gegen ihre Familie, sollte je wieder ein faschistisches Regime an der Macht sein. 

(K)ein Gedenken an Richard Groher
Abgesehen von der privaten Trauer und Ängsten der Angehörigen -  das Schicksal Richard Grohers bleibt in seiner Wahlheimat Zell am Pettenfirst für Jahrzehnte ein Tabu. Als wegen "Wehrkraftzersetzung" Hingerichteter hat Groher keinen Platz am Kriegerdenkmal, auf dem sich Anfang der 1950er Jahre - in Stein gemeißelt - das öffentliche Gedächtnis manifestiert. Wird über Groher geredet, dann im privaten Rahmen und im Flüsterton. Lauter - und damit öffentlicher - werden die Stimmen erst seit Anfang der 1990er. Josef Friedl etwa, seit 1986 Pfarrer in Zell, fügt den Namen Richard Groher der alljährlichen Allerheiligenlitanei bei. Die Provokation gelingt, die Reaktionen sind heftig, verpuffen aber bald wieder. Die Kulturgruppe Zell E, bekannt für die Aufführung von Theaterstücken, die sich kritisch mit Österreichs Nazi-Vergangenheit befassen, regt die Umgestaltung des Kriegerdenkmales in ein "Antikriegerdenkmal" an, das alle Opfer inkludieren soll. Auch hier wird kontrovers diskutiert, vor allem innerhalb der Gruppe selbst . Erst mit der Veröffentlichung des Zeller "Heimatbuches" im Jahr 1999 wird die Geschichte Grohers erstmals ausführlich dokumentiert und erzählt. Im heurigen "Gedenkjahr" formiert sich eine kleine Gruppe von ZellerInnen, die erneut die Errichtung einer Gedenktafel für Richard Groher einfordert. Im Sommer 2005 bekennen sich schließlich die Gemeinde und die Pfarrgemeinde Zell am Pettenfirst zu einem öffentlichen Gedenken an Groher - an einem ebenso öffentlichen Ort: dem Dorfplatz. Wegen der unmittelbaren Nähe zum Kriegerdenkmal werden auch Vertreter des Kameradschaftsbundes in den Diskussionsprozess miteinbezogen. Anfang Oktober einigen sich die beteiligten Parteien (Gemeinde, Pfarre, Kameradschaftsbund) auf einen für alle vertretbaren Konsens. Das Ergebnis dokumentiert auch, dass die Erinnerung an das Schicksal eines Regimegegners selbst nach 62 Jahren auf einen noch immer wunden Punkt trifft und sprachlicher Kompromisse bedarf: [Foto Gedenktafel]
Ende Oktober 2005 wurde die Tafel im Rahmen der so genannten "Friedensmesse" von Vertretern der Pfarre und der Gemeinde "eingeweiht". Der Ort soll für die Angehörigen eine Stätte der Trauer, für die Zellerinnen und Zeller eine Stätte des Gedenkens und Mahnens bieten. Richard Groher hat spät aber doch einen festen Platz im öffentlichen Gedächtnis erhalten.



Die Erstellung der Datenbank beruht auf
den vom DÖW - Dokumentationsarchiv des
Österreichischen Widerstandes - zur Ver-
fügung gestellten Forschungsergebnissen.


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