Die letzten Zeugen - Das Buc

SUSANNE RENEE PRITCHARD


 
 

SUSANNE RENEE
PRITCHARD

(früher Schwätzer)
geb. 1921-11-03
lebt heute in Australien


Diese Geschichte wurde im Projekt "Überlebende" erstellt.

Susanne Renee Pritchard wurde am 3.11.1921 in Wien als Susanne Renee Schwätzer geboren. Im August 1938 floh sie mit Eltern, Großeltern und Onkel nach Frankreich. Später konnte sie mit ihren Eltern nach Australien emigrieren, wo sie heute lebt.

Ihr habt viel getan, dass wir diese bösen Zeiten vergessen...

Die Schüler und Schülerinnen vom St. Johann im Pongau haben das Schicksal von Susanne Renee Pritchard erforscht.

Susanne Renee Pritchard wurde als Susanne Schwätzer am 3. 11. 1921 in Wien geboren und erlebte dort eine herrliche Kindheit. Zusammen mit ihrem Vater, ihrer Mutter, ihrer Großmutter und ihrem Onkel wohnte sie in Döbling im 19. Bezirk, mit wunderschöner Aussicht auf den Leopoldsberg und den Kahlenberg. Als Kind wurde sie nicht mit antisemitischen Äußerungen konfrontiert. Zunächst besuchte sie in der Silbergasse im 19. Bezirk die Volksschule, dann das Realgymnasium in der Billrothstraße. Gerne hätte sie dort maturiert und Botanik studiert. Ihr Vater war Bankbeamter in der Creditanstalt. 1936 war sie mit ihren Eltern bei den Salzburger Festspielen und sah „Jedermann“ mit Attila Hörbiger und „Faust“ mit Paula Wessely. Damals hatte sie sich sehr gelangweilt, weil sie einfach noch zu jung dafür war.

„Nach den Berichten aus Deutschland war es meinen Eltern klar, dass wir auswandern mussten.“ Susanne verließ das Gymnasium, sie floh im August 1938 mit ihren Eltern, ihrer Großmutter und ihrem Onkel nach Frankreich. Um einen Pass zu erhalten, musste die so genannte „Reichsfluchtsteuer“ bezahlt werden. „Wir bekamen sehr schnell ein französisches Visum von einem Ehepaar aus Paris, das wir in der Sommerfrische kennen gelernt hatten. Es hatte einen Sohn in meinem Alter. Nachdem Frankreich besiegt wurde, versuchte dieser über die Grenze nach Spanien zu flüchten. Er wurde von einem Franzosen an die Gestapo verraten und ermordet.“

Da Susannes Vater in Paris nicht arbeiten konnte, machte er viele Gesuche an andere Länder. Schließlich erhielt er eine Einreisebewilligung nach Australien. Susanne fuhr mit ihren Eltern nach Australien, ihre Großmutter und ihr Onkel emigrierten nach Brasilien. Beide hat sie nie wieder gesehen. Eine Woche vor Kriegsbeginn verließ das Schiff Liverpool, mit an Bord die Familie Schwätzer. Am 1. September 1939, dem Tag des Kriegsbeginns, legte das Schiff in Sierra Leone an, und der Kapitän verhandelte darüber, ob die Familie Schwätzer dort nicht interniert werden sollte. Zu dieser Zeit wurden sie nur auf Grund ihrer Nationalität beurteilt. Weil sie nicht gegen das „gelbe Fieber“ geimpft waren, wurden sie schließlich mitgenommen.

„Am Freitag, den 13. Oktober, kamen wir in Sydney an und wir waren überrascht, dass man uns nicht interniert hat. Man nannte uns „enemy aliens“ (feindliche Ausländer), denn hier hatten sie unsere Einstellung noch nicht begriffen.“ Sie mussten sich bei der Polizei melden und konnten nicht herum fahren. Ihr Vater bekam keine fixe Stellung und arbeitete als Zuckerbäcker. Susanne setzte ihre in Paris begonnene Ausbildung als Modistin fort. Über den Kriegsverlauf waren sie sehr gut informiert, über den Holocaust erfuhren sie aber erst 1944/45.

1942 heiratete Susanne einen Wiener, der im Alter von 16 Jahren ihre erste Liebe gewesen war. Er war aufgrund einer Studentenaktion nach England gekommen, wurde dort interniert, mit 2000 weiteren Ausländern per Schiff nach Australien gebracht und 1942 freigelassen. Eine Familie mit zwei Söhnen wurde gegründet. Leider kam ihr Mann 1970 durch einen Autounfall ums Leben. Susanne war sehr unglücklich, lernte dann durch eine Freundin einen englischen Einwanderer kennen und ist seit 1972 zum zweiten Mal verheiratet.

Susanne Renee Pritchard kann nicht eindeutig sagen, ob sie in Australien eine neue Heimat gefunden hat, denn ihr Herz hängt noch immer an Österreich. Mit ihrem ersten Mann spielte sie auch mit der Idee, nach Österreich zurückzukehren. Nach dem Tod ihrer Eltern 1966 unternahm sie zum ersten Mal eine Reise nach Europa und Österreich. Befragt nach ihrer Lebensweisheit, sagt Susanne Renee Pritchard: „Ich habe keine große Weisheit mitzuteilen. Ich habe nach wie vor eine große Liebe zu Österreich und bin der Meinung, dass ihr, die Regierung und das Volk, viel getan habt, dass wir diese bösen Zeiten vergessen.“

Julia Zögernitz, Vera Schwarzenbacher, Philipp Selle, BG St. Johann/Pongau, 2005


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