Die letzten Zeugen - Das Buc

FELIX KRAUS


 
 

Diese Geschichte wurde im Projekt "Die Letzten Zeugen" erstellt.

Felix Kraus verließ zusammen mit seiner Schwester Lisa (heute Brinner) im März 1939 Österreich mit einem Kindertransport in Richtung England. Seine Eltern flüchteten über Russland, Korea und Japan in die USA. Erst einige Jahre später konnten sie ihre Kinder nachholen. Felix machte in den USA eine große Karriere als Musiker.

"Tragbares Vaterland" und wiedergewonnenes Stück Heimat

Die Schüler und Schülerinnen der HLWBLA Wieselburg haben im Rahmen ihres Projekts "Reconciling" die Lebensgeschichte der Familie Kraus recherchiert und dokumentiert.

Folgendes E-Mail erreichte uns von Felix Kraus: „I was pleased to hear of the project of class 3BL. My father Karl Kraus was born in Obendorf in 1889. His father Ignatz was also born there. My great-grandfather Moses (Moises) moved the family to Niederösterreich from
Pravonin, Bohemia, circa 1850. Moses Kraus died in Wieselburg on November 13, 1910.
Shortly after the turn of the century the Kraus family turned to Wieselburg where they owned a drygood store. Some time after World War I the family moved to Vienna. My sister and I will be in Vienna and actually plan to visit Wieselburg and Oberndorf on Monday, October 27th.
I am coming as a member of the Cleveland Orchestra for concerts at the Musicvereinshall. Both, my sister Lisa (Mrs. William Brinner) and I were part of the Kindertransport in March of 1939. (We both speak German). We look forward to meet you, Felix Kraus.“

Gerade unsere Recherchen zur Familie Kraus wollten nicht vom Fleck, weil die Familie verschiedene Wohnsitze hatte und sich ihre Spur immer wieder verlor. Einige Monate zuvor hatte eine Großcousine von Felix Kraus, Frau Esther Bloch aus der Schweiz, mit uns Kontakt gesucht, weil sie bei ihrer intensiven Familienforschung einige spezielle Fragen an das Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde Wien gestellt hatte, die von Frau Weiss, der für unser Projekt so besonders hilfreichen Archivarin, an uns als „Quasi- Standesamt“ der früheren IKG Ybbs weitergeleitet worden waren.

Felix Kraus kam nach Wieselburg in Begleitung seiner Schwester Lisa und ihres Mannes William Brinner (emeritierter Professor der berühmten Universität Berkeley). Sie brachten uns eine Menge Fotos und Dokumente in Kopien und verbrachten mit uns einen beeindruckenden Tag mit Besuch in der Schule und Projektausstellung, offiziellem Besuch im Rathaus Wieselburg samt gemeinsamem
Essen. Anschließend fuhren wir in die alte Heimat Obendorf und vereinbarten einen weiteren Informationsaustausch. Für Felix Kraus war dieser Tag ein Abstecher zwischen den umjubelten Konzerten des Cleveland Orchestra unter Franz Welser-Möst in Wien. Einem mitgereisten Fernsehteam aus Ohio gab Felix Kraus ein Interview, in dem er auch unser Projekt ausführlich beschrieb. Das Interview wurde in Ohio gesendet, Felix Kraus übermittelte uns eine Aufnahme davon.

Wieselburg war die Heimat seiner Großeltern Ignatz Kraus und Anna, geb. Orenstein. Diese betrieben in Wieselburg eine Glaserei. Einer ihrer Söhne, Karl Kraus, Ehemann von Elsa, geb. Spitz, und Vater unserer Besucher, hatte als Wiener Gymnasialprofessor etliche - später berühmt gewordene - Schüler, darunter zum Beispiel Viktor Frankl, den späteren Begründer der Logotherapie.

Nach Kriegsbeginn kamen die Kinder Lisa und Felix mit einem Kindertransport nach England. Ihre Eltern überlebten durch eine unglaubliche
Flucht über Russland, Korea und Japan in die USA, wohin sie ihre Kinder erst nach Jahren nachkommen lassen konnten. Die Schwester von Karl Kraus, Gabriele, verheiratet mit Otto Raubitschek, und deren Sohn Hans, die auch zeitweise in Wieselburg gelebt hatten, fielen der Shoah zum Opfer. Wir erhielten Bilder dieser Familie für unser Projekt. Von der Großmutter Anna Kraus, sie wurde am 12. September 1942 deportiert, gibt es einen Brief vom 22. Mai 1941 an ihre Enkel Walter und Lotte Block, mit folgendem Wortlaut:
„Meine lieben Enkelkinder! ... von Karl ein Brief, das war sonst kein Ereignis, aber jetzt, da die Briefe von den Karlisten und von euch bei uns Sonnenblicke sind ... überdies malt er für uns im Geist eine so schöne Zukunft aus, dass ich wünsche, der liebe Himmel möge ihm dabei behilflich sein.
Jedenfalls baut er schöne Luftschlösser, die mir trübe Stunden erfüllen und auch noch in den Träumen beschäftigen, ich bin ihm dankbar.
Wenn ich bedenke, wie er es schaffen will, müssten noch Zeichen und Wunder ihm helfen. Ich betrachte schon das als Zeichen und Wunder,
dass ihnen der Anfang in Übersee nicht allzu schwer gemacht wurde. Der liebe Gott soll weiterhelfen und das gleiche erbitte ich für Euch, meine lieben Kinder ...“.

Für Gedenkveranstaltungen auf dem Jüdischen Friedhof Ybbs empfahl uns Felix Kraus auf unsere Anfrage Musik von Gustav Mahler. Denn viele Emigranten nahmen Musik mit als ein Stück Heimat. Der Pöchlarner Frank Schanzer etwa schrieb anstelle seiner Lebensgeschichte seine persönliche Geschichte mit praktizierter Musik – als tragbares Vaterland, das auch eine heitere Note enthält.
Auch Felix Kraus äußerte in ähnlicher Weise, dass er durch den gemeinsamen Besuch am Herkunftsort seiner Vorfahren ein Stück Heimat
wiedergewonnen habe.

SchülerInnen der HLWBLA Wieselburg

Home > Die Letzten Zeugen > Felix Kraus