Ruth Weiss wurde 1928 als Tochter österreichischer Journalisten in Berlin geboren. 1933 flüchtete sie mit ihren Eltern nach Wien, wo sie im 9.Bezirk wohnte. 1938 gelang der Familie die Ausreise in die USA. Dort wurde Ruth Weiss zu einer legendären Dichterin und Musikerin der Beat Ära. Sie lebt heute in Kalifornien.

Mutti und ich gehen Hand in Hand weg und schauen nicht zurück

Die Schülerin Irena Ljubas hat die Lebensgeschichte von Ruth Weiss aufgeschrieben. Die beiden haben sich im Rahmen eines Auftritts der Künstlerin in Wien persönlich kennen gelernt.

Am Montag, den 21. Juni, haben wir Mädchen aus der 4a Klasse der Hauptschule Bad Schallerbach, die sich für das Projekt "A Letter To The Stars" gemeldet haben, gemeinsam mit unserer Lehrerin Doris Neuhofer die Gelegenheit gehabt, Ruth Weiss zu treffen. Da sie einige Vorstellungen in Österreich gab, ergab sich für uns die günstige Möglichkeit, sie zu treffen und sie persönlich kennen zu lernen. Doppeltes Glück hatten wir, da sie noch dazu einen Termin in Linz hatte und es so kein weiter Weg für uns war.

Erstmals einige Informationen über Ruth Weiss: Ruth Weiss ist eine großartige Dichterin, Performance-Künstlerin, Dramatikerin, Filmemacherin und Schauspielerin. Sie wurde 1928 in Berlin in eine jüdisch-österreichische Familie geboren. 1933 flüchtete sie mit ihren Eltern nach Wien, 1938 dann von Wien aus in die USA. Während der Beat-Ära ab Mitte der 50er-Jahre erfand und verband sie Poesie mit Jazz. Legendär wurden ihre Jazz-Performances auf der Bühne des Clubs "The Cellar" in San Francisco. Ruth lebt und arbeitet mit ihrem Lebensgefährten Paul Blake, der ebenfalls Künstler ist, in Kalifornien.

Nun wieder zu unserer Begegnung mit Ruth. Wir haben als gemeinsamen Treffpunkt das Kunstmuseum Lentos in Linz gewählt. Ich war ziemlich aufgeregt und konnte es kaum erwarten, sie zu treffen. Carola und ich haben sie ausgesucht und ihr geschrieben. Deshalb haben wir auch schon das Buch "full circle - ein kreis vollendet sich" zugeschickt bekommen. In diesem Buch beschreibt Ruth Weiss ihre Vergangenheit in Gedichten und man kann auch in einer kurzen Biographie nachlesen. So wussten wir auch schon ein bisschen mehr über sie.

Nach langem, ungeduldigem Warten war es nun endlich so weit. Wir sahen eine kleine, selbstbewusste Frau mit roten Haaren und prägnantem Stil auf uns zukommen. Allein ihr Äußeres ließ darauf schließen, dass sie eine sehr interessante Person sein musste und genau das ist sie auch. Ruth hat sich sehr gefreut uns zu sehen und fing gleich an, mit uns zu sprechen. Natürlich auf Englisch, da sie schon lange Jahre in den USA lebt - allerdings versteht und spricht sie auch noch Deutsch. Wir setzten uns in ein Cafe und lernten uns kennen.

Überhaupt nicht aufgeregt, fing sie an zu reden, was uns die Sache natürlich sehr erleichterte. Sie erzählte über ihre Kindheit und die war so spannend und aufregend, dass man meinen könnte, sie rede über einen Film. Sie musste von Stadt zu Stadt flüchten, ihre Freunde verlassen und ihre Heimat Wien, die sie über alles liebte. Sie sagte uns auch, dass sich im Leben alles um Zeit bzw. den richtigen Zeitpunkt dreht. Wäre ihr Vater kein Journalist gewesen und hätte er dadurch nicht manche Information früher erhalten, dann wären sie vielleicht im KZ gelandet. Oder hätten Carola und ich den Brief erst zu einem späteren Zeitpunkt geschickt, hätten wir uns wahrscheinlich nicht treffen können. So geht es im Leben eben immer um den richtigen Zeitpunkt.

Als unsere Nervosität schön langsam nachließ, unterhielten wir uns. Wir stellten ihr viele Fragen zu den verschiedensten Themen. Was uns sehr interessierte, war, wie sie sich gefühlt hat, als sie andauernd flüchten musste. Sie erklärte uns, dass sie es eher als großes Abenteuer empfand, weil sie ja noch ein Kind war. Sie merkte damals allerdings auch, dass ihre Eltern anders dachten und Angst hatten. Auf die Frage, wie sie aufs Dichten gekommen ist, antwortete sie uns, dass sie schon als kleines Kind ihr erstes Gedicht geschrieben hat und das Schreiben von Anfang an sehr mochte. Sie erzählte, dass sie als Kind in Amerika Wien immer sehr vermisst hat und gerne wieder zurückkehren wollte. Nach vielen Jahren gelang ihr das auch und sie fuhr wieder nach Wien. Dort suchte sie nach Freundinnen aus der Kindheit und ging zu ihrer alten Wohnung. Mit ihrer Rückkehr nach Wien hat sich für Ruth ein Kreis vollendet.

In diesen paar Stunden haben wir alle von Ruth viel gelernt. Sie gab uns einen wichtigen Rat für unsere Zukunft: "Macht euch nicht all zuviel Sorgen um eure Zukunft und plant nicht schon im Vorhinein auf Jahre voraus, denn Dinge machen nur Sinn, wenn man den richtigen Zeitpunkt erwischt. Timing is what matters! Und außerdem geht auf fremde Menschen, Ereignisse und so weiter immer offen zu und seht, was es euch bringen kann."

Am Ende signierte sie noch unsere Bücher aber auch alle anderen bekamen ein Autogramm und dazu noch ein paar persönliche Zeilen von Ruth gewidmet. An diesem Tag habe ich eine kreative, mutige und unglaublich beeindruckende Frau kennen gelernt. Ihre Gedichte und Texte sind so einzigartig wie sie selbst. Carola und ich haben ja auch noch ihr neustes Buch "white is all colors" geschenkt bekommen und ich kann nur sagen, dieser Text hat es wirklich in sich. Eigentlich gibt es keine Worte, um ausdrücken zu können, was wir erlebt haben und wie groß unsere Begeisterung über diese Begegnung ist. Ich bin wirklich froh, die Chance gehabt zu haben, so eine beeindruckende Frau kennen zu lernen.

Irena Ljubas, Juli 2004