Die letzten Zeugen - Das Buc

GEORGE HANS VULKAN


 
 

Diese Geschichte wurde im Projekt "Die Letzten Zeugen" erstellt.

»Von den heutigen Bewohnern unserer Wohnung herzlich empfangen ...«

George Vulkan über seine ganz persönliche Rückkehr nach Wien.

Obwohl ich seit dem Krieg einige Male wieder in Wien gewesen bin, hatte ich jedes Mal ziemlich gemischte Gefühle dabei. Es ist eine schöne Stadt, in der es viel zu sehen und zu tun gibt und in der man gut essen kann.

Dennoch hat sie eine dunkle Geschichte. Als wir Wien im September 1938 verlassen haben, gingen wir in großer Eile, da mein Vater gewarnt wurde, dass er in Kürze verhaftet würde, und so hatten meine Eltern nicht einmal Zeit, ihren Familienmitgliedern, die sie zurückließen, Lebewohl zu sagen. Die meisten von ihnen haben sie nie wieder gesehen.

Für mich als 8-jährigen Bub war es eine große Erleichterung, einer Stadt den Rücken zu kehren, in der ich nicht mehr in den Park oder auf den Spielplatz gehen durfte, in der ich aus einer Schule hinausgeschmissen wurde und nach jedem Tag an der neuen Schule misshandelt und mit Steinen beworfen wurde, und in der ich keine Freunde mehr hatte. Ich war traurig, meine Spielsachen und Haustiere zurücklassen zu müssen, aber meine Eltern sagten, wir würden ja bald wiederkommen und alles würde wieder gut werden.

Als ich von »A Letter To The Stars« die Einladung erhielt, 2008 – 70 Jahre nach dem Anschluss – nach Wien zu kommen, war ich sehr erfreut, weil ich bereits wusste, dass dieses Projekt eine sehr gute Arbeit leistet, indem es sich mit der Vergangenheit Österreichs auseinandersetzt und für eine weitere Aussöhnung zwischen den vertriebenen und heutigen Österreichern sorgt. Sowohl die Organisation des Besuchs als auch die Warmherzigkeit und Freundlichkeit der jungen Menschen, die uns betreuten, übertrafen alle unsere Erwartungen.

Einer der bewegendsten Momente dieser an Erinnerungen so reichen Woche war die Rückkehr zu unserer früheren Wohnung, die ich vor beinahe 70 Jahre verlassen hatte. Meine Frau und ich wurden von den heutigen Bewohnern herzlich empfangen, die sogar weitere Nachbarn eingeladen hatten. Es war ein äußerst rührendes Erlebnis, welche Erinnerungen hier zurückgekommen sind. Viele Fotos wurden gezeigt und neue gemacht. Wir haben auch an einer Gedenkveranstaltung für Vertriebene des 9. Bezirks teilgenommen, bei der uns auch Stolpersteine gezeigt wurden.

Die gesamte Woche war denkwürdig und hat vielen, auch mir, geholfen, der Gegenwart beinahe mehr Gewicht als der Vergangenheit zu geben, obwohl diese nicht vergessen werden darf und nie vergeben werden kann.

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