LUCIE PORGES(früher Eisenstab)geb. 1926-11-23 (verstorben2011) lebte zuletzt in U.S.A. |
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Diese Geschichte wurde im Projekt "Die Letzten Zeugen" erstellt.
Paul Peter Porges wurde am 7.2.1927 in Wien geboren. Er konnte Österreich mit einem Kindertransport verlassen , kam später ins Internierungslager Rivesaltes, aus dem er mit Hilfe der Lagermüllabfuhr der Deportation nach Drancy entging. Heute lebt er gemeinsam mit seiner Frau Lucie in den USA.
Der Cartoonist des „New Yorker“ und die Modedesignerin
Die Schüler und Schülerinnen der HLWBLA Wieselburg haben die Lebensgeschichten des Ehepaares Porges recherchiert und sie beide persönlich kennen gelernt.
Unsere Projektarbeit bescherte uns viele berührende und spannende Momente, z. B. den allerersten Arbeitstag auf dem jüdischen Friedhof Ybbs; dann auf einem Klassenfoto das erste Bild eines jüdischen Menschen, der hier in unserem Schulort gelebt hatte – es war Gisela Führer, geb. Greger; und dann der mit Spannung erwartete erste Besuch von Überlebenden aus Übersee in unserer Schule und Projektausstellung und dazu noch ein sehr prominenter: der Cartoonist des „New Yorker“ und „Witzzeichner“ des „Mad Magazine“, Paul Peter Porges und seine Frau Lucie, geborene Eisenstab, Designerin für ein französisches Modehaus in New York.
Beide waren hocherfreut, in unserer Ausstellung den Stammbaum der Porges-Familie zu finden, soweit wir ihn aus den Standesbüchern der IKG Ybbs und Gemeindemeldedaten rekonstruiert hatten. Gerald Watkins hatte den Kontakt vermittelt und wir erlebten einen Tag intensiver Gespräche – zwischen tiefer Berührung und spontaner Heiterkeit. Besonders berührend waren die Erinnerungen an das dunkle Schicksal eines Großteils der Familie Porges.
Auf dem großen Familienbild (rechts), das unmittelbar vor der Deportation aufgenommen worden war, beschrieb uns Paul Peter Porges, dass alle darauf dargestellten Familienmitglieder in Konzentrationslager kamen – und fast alle davon umkamen: (aus der verwandtschaftlichen Sicht von Paul Peter Porges, von links sitzend) Onkel Hugo, Cousine Eveline, Großmutter Therese Porges und Vater Gustav, der überlebte. (stehend von rechts) Mutter Jeanettte, die überlebte, Tante Mimi und Tante Gusti mit ihrem kleinen Sohn Adolf, der den Namen des Großvaters erhalten hatte.
Paul Peter Porges, der vier Monate vor dem Tod des Großvaters geboren wurde, hat zu seinem Glück nicht diesen Vornamen bekommen, weil nach jüdischer Gewohnheit der erste nach dem Tod des Großvaters geborene Enkel dessen Vornamen weiterträgt.
Für die heitere Art von Paul Peter Porges ein Beispiel aus seinen Briefen: „Ich sprach mit Watkins (Mahler) über seinen Besuch in Wieselburg, auch er war darüber sehr bewegt. ... Da Sylvia ein wenig älter ist, konnte sie sich an mehr Details erinnern. ... Ich finde die Entwürfe des Ybbser Friedhofes sehr eindrucksvoll, nur eine Frage: Warum ist das Thema ‚Reconciling is: Not to forget’ auf Englisch? Für mich und Gerry Watkins ist das kein Problem, aber was passiert z. B., wenn der Gaminger Kegelclub kommt? Just a joke! Apropos ‚Joke’. Ich bin eigentlich ein ‚Witzzeichner’ (Cartoonist) und natürlich dürft Ihr einen Porges-Cartoon verwenden. ... Aber in meiner ganzen Karriere habe ich niemals einen ‚Friedhof-Witz’ gezeichnet! Wenn Ihr etwas findet, bitte seid frei, die Zeichnung zu benützen ...“
Den Besuchstag gestalteten wir zum ersten Mal mit unserem inzwischen bewährten Programm: Besuch in Schule und Ausstellung, offizieller Termin beim Bürgermeister in der Heimatstadt (diesmal Scheibbs), gemeinsames Essen und privater Kaffee. Der Friedhofsbesuch fiel leider ins Wasser, weil es an diesem Nachmittag heftig stürmte. Stattdessen besuchten wir das ehemalige Haus der Familie in Scheibbs und im Hinterhof schwelgte Paul Peter Porges in seinen Erinnerungen und erzählte uns ernst-heitere Geschichten, z.B. über den nicht ganz koscheren Mann, der mit einer Pfeife über das Geländer der Erlaufbrücke gelehnt auf die freche Frage der Lausbuben: ‚Schmeckt ’s Pfeiferl?’ geistlos mit ‚Jooo!’ antwortete und dabei seine Pfeife in die Fluten der Erlauf versenkte ... Doch so heiter war das Leben der Familie Porges beileibe nicht immer.
Paul Peter Porges Eltern Gustav Porges und Jeanette, geborene Wagschal (aus Scheibbs und Cernowitz) wohnten in Wien in der Moeringgasse (östlich der heutigen Stadthalle) und betrieben dort einen Greißlerladen. Vater und Sohn Paul Peter waren Austria-Anhänger, der ältere Sohn Kurt war Admiraner. „In meinen Gedanken und meiner Phantasie konnte ich nicht trennen zwischen der Türkenbelagerung und den Fußballmatches.“ „1938 begannen dann ganz andere Spiele: Einmarsch, Heil Hitler, ‚dann hab i g’wußt, was los is’.“
Am 15. März 1939 verließ Paul Peter Porges Wien mit einem Kindertransport und kam ins Rothschild-Kinderlager La Guette bei Paris, von dort später nach La Bourboule in Vichy-Frankeich. In den selben Lagern waren auch Sylvia und Gerhard Mahler sowie Georg Wozasaek. Nach einen vergeblichen Fluchtversuch nach Spanien und später in die Schweiz landete Paul Peter Porges über Nizza und St. Etienne im Internierungslager Rivesaltes, aus dem er mit Hilfe der Lagermüllabfuhr vor der Deportation nach Drancy flüchtete. Von Limoges brachte ihn wiederum eine Hilfsorganisation an die Schweizer Grenze, die er mit Hilfe eines Schleppers überwand. Weil er noch unter 16 war, durfte er in der Schweiz bleiben und erhielt eine hervorragende künstlerische Ausbildung. Dort lernte er Lucie Eisenstab, seine spätere Frau, kennen.
Seine Eltern überlebten Theresienstadt und wurden vom älteren Sohn Kurt in die USA geholt, wohin Paul Peter Porges 1947 nachfolgte. Lucie ging inzwischen nach Paris und begann, Modezeichnungen zu machen. Paul Peter Porges konnte wegen seiner Einberufung in die US-Army nicht nach Europa zurück, daher folgte ihm Lucie nach New York. Dort machten sie beide eine glänzende Karriere: Lucie als Designerin für das renommierte französische Modehaus Trigère und Paul Peter Porges als Cartoonist beim „New Yorker“ und als Witzeichner des „Mad Magazine“. Beide haben viele prominente Freunde und sie lehnen die heutige amerikanische Kriegspolitik vehement ab.
Im Jahr 2000 hatten sie im Jüdischen Museum Wien die Ausstellung „Style and Humor“. Ein Exemplar des vergriffenen Ausstellungskataloges erhielten wir als Abschiedsgeschenk. (siehe Bild rechts) Der Friedhofsbesuch wurde inzwischen nachgeholt, auch der Grabstein von Großvater Adolf Porges ist gereinigt und neu beschriftet. Als einer der wenigen ist er an seinem ursprünglichen Standort geblieben.
SchülerInnen der HLWBLA Wieselburg, 2005