ROBERT MENTKENgeb. 1934-01-18lebt heute in den USA |
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Diese Geschichte wurde im Projekt "Botschafter" erstellt.
Benedikt Ruetz, Schüler an der BHAK/BHAS Innsbruck in Tirol, ist als Botschafter der Erinnerung in New York dem Überlebenden Robert Mentken begegnet, der aus Österreich vertrieben wurde.
Die Lebensgeschichte von Robert Mentken
Robert Mentken wurde am 18.1.1934 in Wien geboren. Kurz nach dem Anschluss musste er mit seiner Familie in die USA fliehen, wo schon viele ihrer Verwandten lebten. Seitdem lebt Robert Mentken in New York.
Herr Robert Mentken (vor der Ausreise Mientkewicz) wurde am 18. Januar 1934 in Wien geboren. Sein Vater war Geschäftsführer. Seine Eltern wurden in Tschechien geboren und kamen vor dem Zweiten Weltkrieg nach Wien. Dort verbrachte Robert eine unbeschwerte Kindheit, wenn er sich auch an vieles nicht mehr erinnern kann.
Eine Geschichte, die ihm immer wieder einfiel und er mir oft erzählte, war, als er mit seinen Eltern an einem wunderschönen Sonntag im Herbst das Schloss Schönbrunn besuchte,da blieb er bei einem Teich stehen, der von Wasserblumen gesäumt war. Sein grünes Wasser spiegelte das Sonnelicht so herrlich. Er sagte mir, immer wenn er heute einen Teich sieht, vergleicht er ihn mit damals. Er konnte noch keinen schöneren sehen.
Kurz nach dem Anschluss floh er mit seiner Familie in die USA, wo schon viele seiner Verwandten lebten. Seitdem lebt er in New York. Sein Bruder, der auch sehr gerne beim Projekt mitgemacht hätte, ist leider kürzlich verstorben.
1956 besuchte er Wien zum ersten Mal nach seiner Flucht, seitdem nicht mehr. Robert arbeitete bis zu seiner Pensionierung als advertising art director, wobei er immer nebenbei als Erfinder tätig war. Seit seiner Pensionierung genießt er das Leben und probiert Probleme durch seine Erfindungen zu lösen. Im Oktober 2007 will er Wien im Rahmen eines Nazi-Überlebenden Programms wieder besuchen, ich hoffe ich werde ihn dann wieder treffen.
Ich wusste nur ein paar Daten von Robert Mentken und versuchte mich in einem ersten Mail vorzustellen. Dies fiel mir relativ schwer, da ich nicht voraussehen konnte, wie mein Gegenüber von mir denkt. Doch ich bekam als Antwort eine sehr nette Mail und merkte rasch, dass wir uns gut verstehen würden. Insgesamt hatte ich aber trotzdem gemischte Gefühle, weil ich nicht genau ahnte, wer mich erwartet. Bei seinem Beruf stand: Erfinder. Ich konnte mir darunter nichts genaues vorstellen und war verunsichert.
Bis zum meinem Abflug am 10. April schrieben wir aber ein paar Mails, sodass ich schon vieles im Vorhinein erfuhr. Doch am 10. April war es dann soweit, in wenigen Stunden würde ich ihn zum ersten Mal treffen. In New York angekommen konnte ich es schon nicht mehr erwarten. Das erste Treffen war ein voller Erfolg, wir verstanden uns super und konnten gleich Termine für gemeinsame Tage ausmachen. Spätestens beim ersten Mal lernte ich, dass man Menschen NIE nach irgendwelchen Daten oder Informationen beurteilen sollte. Man kann erst über jemanden urteilen, wenn man ihn kennt.
Am Anfang der Woche besuchten wir auch Selfhelp, eine Institution, bei der sich Nazi-Flüchtlinge und andere Vertriebene aus dieser Zeit treffen um miteinander reden zu können. Ich war überwältigt mit welcher Gastfreundschaft wir da aufgenommen wurden. Ich betrat als einer der letzten den Saal und viele meiner Mitreisenden, die vielleicht eine Minute vor mir hineinkamen, hatten schon einen Gesprächspartner und unterhielten sich angeregt.
Dort traf ich viele Leute, angefangen von einem alten, amüsanten Herren, der 3 Konzentrationslager überlebte, bis zu einer alten Dame, die mit ihrer Familie schon so früh auswanderte, dass sie eigentlich nichts mitkriegte und auch kein Deutsch mehr spricht. Leider war der Nachmittag viel zu schnell vorbei und wir mussten zurück ins Hostel. Wir hatten damit genug Gesprächsstoff für die ganze Woche, denn jeder war der Meinung, einen noch interessanteren Menschen getroffen zu haben.
Am nächsten Tag zeigte mir Robert beim zweiten Treffen in seiner Wohnung seine Familien-Fotosammlung und ich kam aus dem Staunen nicht heraus, es waren sämtliche Ein- und Ausreisepapiere schön säuberlich aufgeführt, wie ich es nur aus Museen kannte.
Wir besuchten unter anderem das Museum of Yewish Heritage, in dem ich sehr viel über die Probleme der Juden in Europa, aber auch bei der Einreise in die USA erfahren habe. Ich wusste, dass es Juden damals in Europa, vor allem in Nazi- Deutschland sehr schwer hatten, doch etwas total Neues für mich war, dass nicht jeder Flüchtling einfach in die USA immigrieren konnte, Geld und Beziehungen waren von Nöten. Auch der schwere Anfang in der Neuen Welt gab mir zu denken. Viele mussten ihr ganzes Hab und Gut, oft Geschäfte oder Häuser, zurücklassen und ohne einen „Cent“ in den Taschen neu anfangen.
Ich dachte mir, dass er sicher wenig von Österreich hält, zumal er nur eine relativ kleine Zuwendung von der Österreichischen Regierung erhält. Ich glaube, ich könnte in diesem Fall nie verzeihen. Doch er sagte zu mir (sogar ein bisschen beruhigend, weil ich ein wenig aufgebracht über die österreichische Einstellung war) ganz gelassen: „Das ist ganz natürlich für den damaligen/heutigen Menschen. Jeder braucht einen, den er Treten und einen vor dem er Respekt hat. Damals wurde es durch die Situation nach dem Ersten Weltkrieg verstärkt.“ Nach diesem Satz herrschte kurz Stille im Raum, ich wusste nicht was sagen, denn ich war nicht ganz einverstanden mit seiner Meinung.
Ich fragte Robert Mentken, was er vom heutigen Österreich weiß, ihm fielen zwei Sachen spontan ein: Jörg Haider und HC Strache. Dies gab mir zu denken und ich verstand auch, warum so viele Vertriebene noch heute eine schlechte Meinung über uns haben. Aber ich konnte ihm natürlich erklären, dass wir Österreicher zutiefst betroffen über das Geschehene sind und mit allen Mitteln verhindern wollen, dass noch einmal extreme Parteien die Macht ergreifen.Er erzählte mir, dass er nie ein gläubiger Jude war, aber trotzdem verfolgt wurde. Wieder war ich irritiert. Warum wurden Menschen verfolgt für einen Glauben, den sie gar nicht ausführten...? Warum wurden/werden Menschen überhaupt wegen ethnischer Differenzen verfolgt? Ich glaube auf diese Frage werde ich für meinen Teil keine Antwort finden, denn es gibt keine plausible Erklärung.
Ich fragte ihn auch, ob er nach so einer harten Zeit mit Österreich Hass und Ablehnung verbindet? Doch er sagte zu mir, „Nein, wenn ich Österreich höre, dann wird mir warm ums Herz, Österreich ist so schön...!“ Am Anfang versuchte ich den Gesprächscharakter eines Interviews aufzubauen, doch nach 1-2 Fragen meinerseits wurde ich mit Fragen über Österreich und speziell Wien heute gelöchert. Er konnte es zum Beispiel nicht verstehen, warum auf meinem Klassenfoto, das ich ihm mitbrachte, keiner der Schüler eine Lederhose trug. Als er auswanderte trug er nur Lederhosen. Jedes unserer Treffen war mehr eine freundschaftliche Begegnung, als ein Interview.
Trotzdem, oder genau deshalb lernte ich mehr über den Menschen Robert Mentken als über seine Vergangenheit, die er doch zum großen Teil vergessen/verdrängt hat. Denn ich habe selten einen so aktiven Menschen gesehen und das mit über 70 Jahren! Beispielsweise wollte er mit mir ins Fitnessstudio und zum Tennisspielen gehen.
Natürlich begegnete ich in New York vielen Nazi-Überlebenden, aber Robert faszinierte mich, denn er war so aufgeschlossen und konnte mit seiner harten Vergangenheit leicht umgehen.
Gegen Ende des Trips besuchten wir die Yom Hashoah Feier, eine Gedenkfeier des Holocausts. Bei dieser Veranstaltung wurden eine Reihe von interessanten Reden zwischen dem Gedenkprogramm gehalten. Doch eine enttäuschte mich, es war die Rede des israelischen Botschafters in New York. Er nützte sie nur zur Wahlwerbung und zur Aufhetzung gegenüber dem Iran. Natürlich hat der Iran keine unbescholtene politische Geschichte und Gegenwart, doch es ging um Krieg, dessen wir gerade gedachten und beteten, dass er nie wieder passiert.
Bei mir hat diese Reise bewirkt, dass ich mehr über die Zeit damals weiß, viele Informationen über interessante Personen habe, die ihr Leben trotz schwerster Hindernisse meister(te)n. Ich lernte auch viel über charakterliche Stärke von den Überlebenden, die alle, auch wenn ihre damalige Situation so aussichtslos war, sich ein neues Leben schafften und nun glücklicher denn je sind. Auch lernte ich, dass man verzeihen können muss, um glücklich in seinem Leben zu werden und sein zu können.
Kurzfristig betrachtet war es eine schöne Reise. Doch wenn man es über längere Zeit betrachtet, wir sind die letzten Generationen, die noch mit Überlebenden sprechen können, habe ich sehr viel für mein Leben gelernt. Auch haben wir die Meinung bei den Nazi-Opfern über Österreich positiv geprägt, denn viele, die dachten in Österreich sei alles schon vergessen und keiner interessiert sich mehr, wurden anders belehrt und wollten teilweise sogar noch im heurigen Jahr ihre alte Heimat besuchen.
Insgesamt war die Woche zwar zu kurz, um das Geschehene verstehen zu können, soweit man es überhaupt verstehen kann. Aber es waren sehr informative und erlebnisvolle Tage, die ich sicherlich nie vergessen werde.
Benedikt Ruetz, BHAK/BHAS Innsbruck in Tirol, 2007