Die letzten Zeugen - Das Buc

HERTHA LOWY


 
 

HERTHA LOWY

(früher Mandler)
geb. 1921-02-17
(verstorben 10/2009)
lebte zuletzt in Großbritannien

Ermordete Verwandte


Diese Geschichte wurde im Projekt "Botschafter" erstellt.

Katrin Muckenhammer, Schülerin, hat als Botschafterin der Erinnerung im Oktober 2007 die Überlebende Hertha Lowy in London getroffen.

Hertha Lowy ist im Oktober 2009 verstorben.

Die Lebensgeschichte von Hertha Lowy 

Kathrin Muckenhammer berichtet die Lebensgeschichte von Hertha Lowy.

Frau Hertha Lowy wurde am 17.02.1921 in Wien geboren. Sie wuchs als behütetes, verwöhntes Kind jüdischer Eltern im 3. Wiener Bezirk auf. Dort besuchte sie auch die Volkschule und später des Maria-Hilfer-Mädchengymnasium mit ausgezeichneten Schulerfolgen. Später wollte sie studieren und Rechtsanwältin werden.

Als im März 1938 Hitler in Österreich einmarschierte endete jäh ihre unbeschwerte Kinder- und Jugendzeit. Als Jüdin durfte sie die Schule nicht mehr besuchen und auch sonst wurde der Lebensraum für Juden eingeschränkt.

Als sich die Situation für Juden zuspitzte, beschlossen Fr. Lowys Eltern mit ihren Töchtern nach Prag auszuwandern. Für die junge Hertha war das unvorstellbar. War sie doch unsterblich in Alex, der ebenfalls Jude war, verliebt. Als der Tag der Abreise kam, hinterließen sie die Wohnung, als würden sie nur kurz weg sein. Das hieß sie mussten all ihr Eigentum zurücklassen. An der Grenze zur damaligen Tschechoslowakei trennte sich Hertha von ihrer Familie. Sie konnte ihre Jugendliebe nicht allein zurücklassen. Sie kehrte zurück nach Wien und wohnte bei ihrer Tante.

Mit Alex beschloss sie nach England auszuwandern. Doch ca. 3-4 Wochen nach der Flucht der Eltern, wurde Sie von einer SS-Mitarbeiterin aufgesucht und verhaftet. Sie durfte lediglich einen kleinen Koffer mit Habseligkeiten mitnehmen. Für sie waren ihre Tagebücher das Wichtigste und so packte Hertha diese in ein kleines Köfferchen. Hertha war verzweifelt, hatte sie doch die Flucht mit Alex über Polen geplant. Im Zug eröffnete ihr plötzlich die SS-Dame, dass sie von Herthas Vater geschickt wurde um das Mädchen mit ihrer Familie zu vereinen. Hertha war bitterböse auf ihren Vater, wusste sie doch damals noch nicht, dass ihr gemeinsamer Fluchtplan mit Alex, die beiden in den sicheren Tod geführt hätte.

Während der Zeit in Prag wollte sich Hertha ohne das Wissen ihrer Eltern die Ausreisegenehmigung nach England beschaffen. Dafür benötigte sie die Erlaubnis der Gestapo. Also machte sie sich auf den Weg in deren Büro. Dort gab es zwei Schalter für Ausreisegenehmigungen. Je einen für Juden und einen für Nichtjuden. Am Schalter für Juden war die Warteschlange sehr sehr lang. Mehrere Tage hintereinander musste Hertha unverrichteter Dinge wieder nach Hause gehen. Nach ca. einer Woche entschloss sie sich, sich einfach bei den Nichtjuden anzustellen. Als sie an der Reihe war, wusste sie nicht recht, wie sie erklären sollte, warum sie am falschen Schalter stand. Also legte sie einfach ihren offenen Reisepass mit dem roten „J“, welches darauf hinwies, dass der Passinhaber Jude ist, dem jungen Beamten vor. Dieser wies darauf hin, dass sie am falschen Schalter stand. Mit ihrem jugendlichem Wiener Charme, erklärte Hertha ihre Situation. Der junge Beamte behielt den Pass ein und forderte sie auf, diesen nach einer Woche wieder abzuholen. Mit einem unguten Gefühl, weil sie doch nun ohne Pass war, verließ sie das Büro.

Als sich Hertha nach einer Woche den Pass wieder abholte, hatte sie doch wirklich die Ausreisegenehmigung erhalten. Als sie ihre Eltern von der geplanten Ausreise nach England informierte, waren diese überzeugt, dass dies nicht möglich sei, weil Hertha doch keine Ausreisegenehmigung bekommen würde. Da legte sie Ihnen den Pass mit dem Ausreisevermerk vor.

Die Mutter war verzweifelt. Da sich Hertha von ihrem Plan nicht abbringen ließ, legte der Vater eine genaue Reiseroute fest. In Deutschland war das Treffen mit Alex geplant.

Leider kam es dazu nicht, weil Hertha den Umsteigebahnhof versäumte. Als sie den Irrtum bemerkte, verließ sie an der nächsten Haltestelle den Zug. Einsam und verzweifelt stand sie nun an dem fremden Bahnhof. Als sie endlich einen Menschen traf, war dieser ein SS-Mitarbeiter. Er beschimpfte und bespuckte sie und wies sie auf ein Schild mit der Aufschrift „Betreten für Hunde und Juden verboten!!“ hin. Während der Diskussion trat ein weiterer SS-Mitarbeiter auf sie zu und forderte sie zum Mitkommen auf. Mit seiner Hilfe schaffte es Hertha, den Anschluss nach London zu finden.

Da sie jedoch verspätet in London eintraf, war dort niemand der sie empfing. Das bisschen Geld, das sie bei sich hatte, verlor sie, als man es ihr wechseln wollte.

Ohne Geld, ohne Unterkunft und ohne Job stand Hertha nun in London. Obwohl sie keine Erfahrung mit Kindern oder in der Haushaltsführung hatte, wurde sie von einer Londoner Familie aus Hausmädchen aufgenommen. Auf die verschiedenen Fragen im Vorstellungsgespräch antwortete sie einfach „I’m willing“. Sie hatte es dort sehr schwer und nur eine kleine Kammer ohne Licht zur Verfügung. Baden durfte sie nur im Wasser, in dem vorher bereits die Kinder der Familie gebadet hatten. Monatelang hatte sie keinen freien Tag.

Als Hertha zum ersten Mal mit der U-Bahn ins Stadtzentrum fuhr, bekam sie plötzlich Selbstmitleid und begann bitterlich zu weinen. Da wurde sie von einem Mann angesprochen, dem sie ihr ganzes Leid klagte. Der Richter hatte in Wien studiert. Es nahm sie mit nach Hause und stellte das Mädchen seiner Frau Molly vor. Man bot ihr ein Heim an.

Bereits eine Woche später zog Hertha in das Haus des Richters ein. Doch leider ging das nicht lange gut. Der Richter und Hertha machten einen großen Fehler, sie sprachen Deutsch miteinander. Molly fühlte sich dadurch ausgeschlossen und wurde grundlos eifersüchtig. So musste sich Hertha wieder auf Arbeitssuche begeben.Sie fand Arbeit in einer Gürtelfabrik. Dort musste Sie Löcher in die Gürtel stanzen. Da sie dabei nicht sehr geschickt war, musste sie eines Tages zu ihrem Vorgesetzten, der ihr anbot als Sekretärin für ihn zu arbeiten. Da Hertha keinerlei Sekretariatserfahrung hatte, wurde sie sofort auf die Zweideutigkeit aufmerksam und lehnte ab. Mit Hilfe einer Kollegin, welche gleichzeitig ihr beste Freundin wurde, schaffte sie die Arbeit doch noch. Die beiden Mädels mieteten gemeinsam eine Wohnung und teilten Geld und Hausarbeit.

Später fand Hertha einen lieben Mann und bekam zwei Kinder mit ihm.

Ihre Jugendliebe Alex wollte sie nach dem Krieg in Wien treffen. Leider kam es dazu nicht mehr, da Alex, welcher nach Israel ausgewandert war, in Wien von einem LKW überrollt und getötet wurde. Auch mit ihren Eltern und ihrer Schwester gab es kein Wiedersehen. Wie wurden in einem KZ getötet.

Als ich meine Überlebende Frau Hertha Lowy treffen durfte, war ich sehr aufgeregt. Noch dazu kam, dass wir eine falsche Adresse bekamen und so im anderen Stadtviertel landeten. Als Judith und ich dann von der Tür standen konnte ich es erst nicht fassen, das ich eine Holocaust- Überlebende treffen durfte. Als jedoch die gut gerüstete Frau sah, viel mir ein schwerer Stein vom Herzen. Meinen Nervosität war wie im Flug vergangen. Hertha Lowy erzählte aus ihrer Jugend und wie sie nach London kam. Es war sehr interessant. Erst nach dem Gespräch wurde mir klar, was es heißt, wenn man die Heimat verlassen muss.


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