Diese Geschichte wurde im Projekt "Botschafter" erstellt.
»Wie gerne sie ihre Vergangenheit mit uns teilen«
Auszüge aus dem Weblog, den Petra Fang in Israel geschrieben hat.
Eindrücke von Petra Fang nach ihrer Rückkehr aus Israel finden Sie hier.
Was für ein Tag! Unglaublich!
Schwer so einen ganzen Tag, der mir wie eine Woche vorkommt, zu rekonstruieren ... Begonnen hat er im Club der österreichischen Pensionisten in Tel Aviv. Vor einem Monat hätte ich kaum geglaubt, dass so eine Einrichtung überhaupt existiert. Aber die Idee gefällt mir. Im Alter findet man zurück zu seinen Wurzeln, der Kreis schließt sich. Hinunter, in den Keller. Ich suche einen älteren Herrn. Seine Stimme kenne ich, seine Schrift auch, aber wie er wohl aussieht? Mein Blick schweift von einem Gesicht zum nächsten. So wird das nichts, ich frage einfach. Leider noch nicht da. Ich setze mich zu zwei alten Damen. Beide aus Wien, beide 1938 emigriert. Wir plaudern. Eine der beiden ist direkt nach Israel mithilfe ihrer Jugendgruppe, die andere auf großen Umwegen.
Jede dieser Geschichten ist einzigartig. Am liebsten würde ich sie alle hören und niederschreiben. Mein Gesprächspartner ist da. Wir reden ein wenig, ich lerne seine Gattin kennen und dann beginnt das Programm. Alle anwesenden Gruppen stellen sich vor. Ich soll kurz reden ... Irgendwie bin ich nervös. Sind gar nicht so wenig Leute, und mit Mikro ist es ein eigenartiges Gefühl. Aber irgendwie gefällt es mir auch, eine Dame umarmt mich sogar danach. Dankt mir. Zusammen mit Herrn und Frau Goldschmid verlasse ich den Club. Ich bin aufgeregt, ein wenig unsicher und sehr gespannt. Wir fahren in ein Restaurant. Direkt zum Strand. Die Aussicht ist toll. Es ist sein Lieblingscafe. Zuerst erzähle ich ein wenig. Dann Herr Goldschmid. Es fällt ihm schwer zu reden, während der Pausen spricht seine Gattin über ihr
Leben. Herrn Goldschmids Geschichte ist faszinierend. Aber es bleiben Fragen, so viele offene Fragen. Gut, dass ich ihn noch mal sehen werde. Es ist eine besondere Geschichte. Schade, dass ich Herrn Goldschmids Mutter nicht mehr kennen gelernt habe. Sie muss eine bemerkenswerte Frau gewesen sein. So ein Überlebenswille, so viel Kraft für sich und ihren Sohn. Der Tag war anstrengend. Mir fallen gleich die Augen zu. Ich hab so viel erlebt, Herrn Goldschmids Tochter und ihr Gatte haben mir noch ihr Tel Aviv gezeigt. Es hat wirklich Spaß gemacht und dann noch all die Gespräche, mit Herrn Goldschmid, der mir noch sehr viel mehr erzählt hat, seiner Frau, seinem Schwiegersohn, seiner Tochter, Holocaust, Geschichte Israels, Politik, Bildung, Universitäten, Leben in Israel, Armee, ...
Letzter Tag!
Abendessen mit den Überlebenden. Ein letztes Mal, für die nächsten Monate zumindest, lauschen wir den Geschichten dieser Menschen. Wie gut diese Frauen und Männer mit ihrer Vergangenheit abgeschlossen haben, wie gerne sie diese mit uns teilen. Diese Geschichten werde ich wohl nie wieder vergessen, genauso wenig wie diese Begegnungs-Reise.
Einmal Israel und zurück
Eindrücke von Petra Fang nach ihrer Rückkehr aus Israel.
Ich sitze an meinem Schreibtisch und denke nach. Wieder und wieder, zieht in meinem Kopf die gesamte Israelreise vorbei und doch ist es jedes Mal anders, jedes Mal ein gänzlich neues Gefühl, über diese besonderen Tage der Begegnungsreise zu reflektieren.Was wusste ich über Israel, bevor ich dort war? Jerusalem. Religiöses Zentrum. Gaza. Krieg.
Solche, und ähnliche Assoziationen.
Ich erinnere mich noch gut an die ersten Tage. Totaler Kulturschock. Es war nahezu unmöglich all die neuen Eindrücke zu verarbeiten. Input, input, input. Abends waren wir meist todmüde. Und doch habe ich täglich, ganz gegen meine Gewohnheit, Tagebuch geschrieben. Persönliche Notizen, die mir heute noch deutlich zeigen, wie aufgewühlt und wie überfordert ich mich anfangs fühlte. Es fiel mir schwer eine eigene Meinung über dieses Land zu formen. Überall gab es Neues zu entdecken, nichts war auch nur annähernd deckungsgleich mit meiner eigenen bekannten „Landkarte“ der Welt.
Aber schon nach wenigen Tagen der Akklimatisierung fühlten wir uns nahezu heimisch in unserer Jugendherberge. Und immer noch kamen neue Eindrücke, Informationen hinzu, denn Israel hat in jeder Hinsicht viel zu bieten: geschichtlich, religiös, politisch, ...
Doch neben all der Erfahrungen, Diskussion, Impressionen, hatte unsere Reise ein mehr oder weniger bestimmtes Ziel: Die Interviews.
Vor gut einem Monat bin ich genau hier vor meinem Computer gesessen und hatte keinen blassen Schimmer, wer Leo Arie Goldschmid, Isi Meron, Gerda Schaffer, Anitta Goldschmidt oder Leo Luster sind. Und nun habe ich Bilder vor Augen, von Menschen, die lächelten, als sie mit uns sprachen, von Menschen, die uns gerne ihre Lebensgeschichten erzählten.
Nicht nur vom geschichtlichen Standpunkt aus, sondern auch menschlich waren diese Gespräche eine ungemeine Bereicherung für uns, für mich. Diese Leute haben schreckliche, entwürdigende Dinge erlebt und trotzdem haben sie verziehen. Sie haben uns, eine Gruppe Schüler und Studenten aus Österreich, dem Land aus dem sie vertrieben wurden, mit offenen Armen empfangen. Die Art, mit der sie mit der Vergangenheit abgeschlossenen haben, ist bewundernswert. Sie sahen in uns ganz normale Menschen. Und viele haben oft erwähnt, dass Ihnen sogar von österreichischen Mitbürgern geholfen wurde.
Auch Herr Goldschmid, mit dem ich ein schönes Gespräch geführt habe, hat dies betont.