Die letzten Zeugen - Das Buc

JACK ALTBUSH


 
 

JACK ALTBUSH

(früher Hans Altbuch)
geb. 1925-02-16
lebt heute in den USA


Diese Geschichte wurde im Projekt "Botschafter" erstellt.

Jack Altbush wird 1925 in Wien als Hans Altbuch geboren. Seine Eltern haben ein Modewarengeschäft, er besucht das heutige Rainergymnasium. Sein Vater wird nach dem Anschluss gequält, die Eltern können Hans Altbuch im Alter von 13 Jahren auf einem Kindertransport nach England schicken. Von dort kommt er über Kanada nach New York, wo er auch heute lebt.

Barbara Guschelbauer
, Schülerin am Rainergymnasium in Wien, ist Jack Altbush im April 2007 im Projekt »Botschafter der Erinnerung« in New York begegnet und hat seine Lebensgeschichte dokumentiert. Im Mai 2008 war Jack Altbush im Projekt 38/08 zu Gast an seiner früheren Schule, dem Rainergymnasium mit Lehrer Anton Kroh und Direktorin Traude Mori.

Eine Reise aus der Vergangenheit

Jack Altbush ist mit seinem Enkel Jake aus New York zu Besuch in seine alte Heimat gekommen – und »seelisch frei« zurück gefahren.

Ich sitze mit Jack Altbush im österreichischen Restaurant »Die blaueGans« im Herzen von Manhattan. Erst vor einer Stunde habe ich ihn das erste Mal im »Museum of Jewish Heritage« persönlich getroffen. Wir haben davor bereits einige E-Mails ausgetauscht und ein sehr nettes Telefongespräch geführt. Und trotzdem bin ich noch sehr nervös, denn endlich werde ich, kann ich ihn nun persönlich kennen lernen.


Jack Altbush wurde in Wien 4 als Hans Altbuch geboren. Er und sein eineiiger Zwillingsbruder Erich besuchten das damalige Elisabethgymnasium und jetzige Rainergymnasium, das ich heute ebenfalls besuche.


1938 flohen Hans und Erich im Alter von 13 Jahren mit Hilfe eines Kindertransports nach England und mussten ihre Eltern zurücklassen, ohne zu wissen, ob sie sie je wiedersehen würden. Mehr weiß ich bisher nicht und ich bin sehr gespannt, mehr zu erfahren. Mister Altbush beginnt von seiner Kindheit zu erzählen, seiner Wohnung in der Blechturmgasse, von deren Balkon er den Sportplatz der Schule beobachten konnte und natürlich von den Streichen, die er und sein Bruder immer gespielt haben. Schmunzelnd berichtet er mir in einer Mischung aus Englisch und Wienerisch, wie sein Bruder Erich, der Hans zum Verwechseln ähnlich sah, bei einem Theaterstück sein Spiegelbild darstellte und sie so die Lacher des Publikums auf ihrer Seite hatten.


Jack Altbush denkt manchmal zurück an seine Zeit am Elisabethgymnasium, er meint sogar, er profitiert heute noch von den drei Jahren, die er dort iin die Schule gegangen ist.


Er berichtet, dass der Antisemitismus in Wien auch schon vor 1938 spürbar gewesen ist. Jakob Altbuch, der Vater von Hans und Erich, betrieb ein Wäschegeschäft auf der Wiedner Hauptstraße. Ein Stückchen weiter gab es ein ähnliches Geschäft mit den gleichen Preisen, das aber einen weit größeren Umsatz machte. Und warum? Weil der Besitzer kein Jude war und

die Wiener deshalb dort ihre Hemden kauften. Es wird Zeit aufzubrechen, Herr Altbush bringt mich zurück zu unserer New Yorker Jugendherberge. Unser für Montag geplantes Treffen fällt

wegen eines Jahrhundertregens in New York beinahe ins Wasser. Doch zum Glück hört es bald auf zu regnen und unser Treffen kann wie geplant stattfinden. Mister Altbush will mir das berühmte Museum of Modern Art zeigen. Auf dem Weg dorthin erzählt er mir von seinen Erlebnissen nach dem Anschluss.


Eines Tages wurden sein Bruder und er von anderen jungen Buben, die sie eigentlich gar nicht kannten, mit Pflastersteinen beworfen. Plötzlich hatten sie ihre Freunde verloren. Sie waren über Nacht aus der Gesellschaft ausgeschlossen worden. Herr Buresch, der langjährige Angestellte des Vaters, ohne den, wie Mister Altbush sagt, »der Tag nicht angefangen und nicht beendet werden konnte«, begann plötzlich einen Hakenkreuzanstecker zu tragen. Das Geschäft von Jakob Altbush fiel der Arisierung zum Opfer und wurde Herrn Buresch übertragen.


Der Vater und der Großvater von Jack Altbush wurden während eines Spaziergangs von Nationalsozialisten auf der Wiedner Hauptstraße aufgegriffen. Den Großvater ließ man laufen, den Vater nicht.


Er wurde zum Zirkus Renz gebracht, wo er und andere Juden tagelang dicht gedrängt stehen mussten, ohne Essen, ohne Trinken. Bis heute weiß Jack Altbush nicht, was seinem Vater damals widerfahren ist. Er weiß nur, dass die dort stehenden Juden dann in zwei Reihen geteilt wurden. Eine Reihe wurde direkt ins KZ und damit in den nahezu sicheren Tod geschickt. Jack Altbushs Vater kam in die andere Reihe. Er musste Papiere unterschreiben, in denen er versprach, das Land innerhalb kürzester Zeit zu verlassen. Jack Altbushs Mutter wurde verhaftet, als sie versuchte, die notwendigen Papiere für einen Flug aus Wien zu bekommen. Erst nach langem Betteln und Flehen konnte sie zu ihrer Familie zurückkehren.


Wir sind im »Museum of Modern Art« angekommen. Mister Altbush führt mich durch das riesige Museum und während wir an Klimts, Rembrandts und Van Goghs Werken vorbeigehen und in der Cafeteria etwas essen, erzählt er von seiner Flucht nach England. Er hat die Szenen vom Bahnhof noch ganz genau in Erinnerung: Eltern, die ihren dreijährigen Kindern möglichst viele Habseligkeiten mitgeben wollten, damit aber deren Leben riskierten, unzählige schreiende Kinder. Jack Altbush erzählt, wie er einem kleinen Buben all die umgehängten Kostbarkeiten

abnahm und den weinenden Eltern zurückgab, die damals nicht verstehen konnten, dass sie damit das Leben ihres Kindes gefährdeten. Der Zug fuhr durch Deutschland und Jack schildert, was für ein großer Stein ihnen vom Herzen fiel, als sie das »Dritte Reich« endlich hinter sich gelassen hatten.


In England angekommen, wurden die Kinder in Hotels eines Badeortes untergebracht. Es war Dezember und die Hotels waren für diese Jahreszeit nicht ausgestattet und die Kinder mussten frieren. Jack erinnert sich, dass er in diesen Tagen das erste Mal das Meer gesehen hat. Ihr Onkel kam sie besuchen, denn er war schon davor nach England gekommen und brachte gute Neuigkeiten. Eine entfernt verwandte Familie aus London würde die Zwillingsbrüder aufnehmen.


Hans und Erich verbrachten dort eine schöne Zeit und konnten die Schule besuchen. Mit Englisch hatten die beiden keine Probleme. Bereits in Wien hatte ihre Mutter sehr darauf geachtet, dass sie die Sprache lernten. In ihrer Freizeit nahmen die beiden an Schwimmwettbewerben teil, denn im Wasser waren sie den englischen Kindern weit überlegen. Noch heute stehen die Pokale davon bei Mister Altbush zuhause. Endlich erhielt der Vater von Jack Altbush eine Stelle in England in einer Puppenfabrik und auch die Mutter konnte schließlich Wien verlassen und

nach England nachkommen, da sie einen Job als Hausmädchen bekommen hatte.


Als die ersten deutschen Bomben über London fielen, wurde Hans und Erichs Schule, wie so viele andere, aufs Land evakuiert. Die Mutter holte sie schließlich jedoch heim, in ihre kleine Wohnung in London. Und so erlebten die beiden Buben die Bombardements hautnah mit. Nach jedem Angriff stand ein anderes Haus in der Nachbarschaft nicht mehr. Doch sie hatten Glück. Endlich wurden ihre Visa für die USA genehmigt. Auf einem Schiff überquerten sie den Atlantik, immer in Angst, von deutschen U-Booten angegriffen zu werden. Sie kamen in New Brunswick, Kanada, an, und von dort nahmen sie den Zug nach New York, ihrer neuen Heimat.


Wir verlassen das Museum und zum Abschied führt mich Mister Altbush noch zu seinem Lieblingsitaliener nahe dem Theaterviertel. Ich überreiche ihm das »Paket der Erinnerungen« – eine Schachtel, gefüllt mit kleinen Andenken an Wien und im Speziellen an den 4. und 5. Bezirk. Mister Altbush scheint sich zu freuen. Er meint, in den nächsten Tagen wird er sich die Box in Ruhe ansehen.


Zurück in Wien erwartet mich bereits eine E-Mail von Mister Altbush. Wir werden weiterhin in Kontakt bleiben und vielleicht wird es ihm ja bald möglich sein, mich in Wien zu besuchen.

Ich bin stolz und froh, an diesem Projekt teilnehmen zu können und dass Jack Altbush mich an seinen guten wie schlechten Erfahrungen teilhaben hat lassen. Denn so kann ich ein Stück Geschichte bewahren.

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