ERIC KRUH(früher Erich Kruh )geb. 1922-02-19 (verstorben 3/2011) lebte zuletzt in usa |
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Diese Geschichte wurde im Projekt "Botschafter" erstellt.
Veronika Gisperg, 2007 Schülerin am Gymnasium Stubenbastei 6-8 in Wien 1, ist als Botschafterin der Erinnerung in New York dem Überlebenden Eric Kruh, 85, begegnet, der auf einem Kindertransport nach Leeds/England flüchten konnte.
"Die Atmosphäre war furchtbar und erdrückend!"
Veronika Gisperg berichtet über ihre Begegnung mit Eric Kruh.
Bevor ich mit meinem Kontakt in New York, Eric Kruh, zum ersten Mal telefonierte, wusste ich nicht mehr über ihn, als dass er früher ebenfalls die Stubenbastei besuchte, so wie ich heute. Dementsprechend nervös war ich, während ich seine Nummer wählte, denn es ist, zumindest für mich, garnicht so einfach, zu einer fremden Person die noch dazu sehr weit weg wohnt, Kontakt aufzunehmen.Doch als ich seine freundliche Stimme vernahm, war ich richtig erleichtert, und meine Nervosität war wie weggeflogen. Herr Kruh spricht perfektes Deutsch, und war überaus erfreut von mir zu hören. Schon nach kurzer Zeit begann er mir von sich, und seiner Familie zu erzählen. Ich freute mich immer mehr ihn persönlich kennen zu lernen, und konnte die Zeit bis New York kaum noch erwarten.
Doch als ich Herrn Kruh dann im „Museum of jewish History“, zum ersten Mal wirklich begegnen sollte, war ich extrem aufgeregt. Zuerst machte ich mir Sorgen, dass ich ihn nicht finden würde, doch dieses Problem löste sich zum Glück schon nach wenigen Minuten, als er auf mich zukam, und ganz herzlich begrüßte. Meine Sorge, dass wir nicht gleich ins Gespräch kommen würden, war ebenfalls vollkommen umsonst gewesen, denn wir machten es uns bei Kuchen und Kaffee gemütlich, und begannen uns nett zu unterhalten....
Eric Kruh (eigentlich Erich), wurde 1922 in Wien geboren.
Die ersten Jahre seines Lebens verbrachte er in Brigittenau, wo er auch in die Volksschule ging. An seine Volksschulzeit hat er eigentlich nur gute Erinnerungen, besonders an seinen damaligen Lehrer, Herrn Newald. Obwohl dieser später die Nationalsozialisten unterstützte, sagte Eric Kruh, er sei ein „nice guy“, der während dem Unterricht ständig nervös war.
Als er alt genug war das Gymnasium zu besuchen, zog Herr Kruh mit seinen Eltern auf den Salzgrieß, im ersten Wiener Gemeindebezirk, da er in das Realgymnasium Stubenbastei gehen wollte, und der damalige Direktor meinte, dass dies nur möglich sei, wenn die Familie Kruh in der Inneren Stadt wohnte. Sein Vater hatte ebenfalls in Wien I ein kleines Geschäft.
Ich habe es erstaunlich gefunden, wie viele Eindrücke ihm über seine Zeit während des Gymnasiums noch geblieben sind.
In seinem letzten Brief schrieb er mir: „Gerade die Mannerschnitten erinnern mich noch an meine Kindheit, wo ich auf dem Weg zur Schule für eine große Schnitte zehn Groschen bezahlt habe.“
Eine der schönsten Jugenderinnerungen von Eric Kruh war ein Schiausflug, den er damals im Alter von 13 Jahren mit der zionistischen, sozialistischen Jugendpartei nach Mürzzuschlag machte. Er erzählte mir, dass er auf den Bergen das erste Mal über den Wolken war, und konnte sich noch lebhaft an einen Sturz erinnern, von dem er sich aber nicht traute seiner Mutter zu berichten, da sich diese zu viele Sorgen gemacht hätte.
Herr Kruh konnte sich ebenfalls noch sehr gut an seinen Klassenvorstand, Prof. Haunold, der Deutsch unterrichtete, an seinen Mathelehrer, Prof. Zitek, und an seinen Geschichte Lehrer, Prof. Berger, erinnern. Wenn er dreimal keine Hausaufgaben gemacht hatte, so sagte Herr Kruh, wurden sofort die Eltern verständigt, und die Professoren machten sich während dem Unterricht über einen lustig. Doch das störte ihn zur damaligen Zeit nicht weiter.
Die Mehrheit der Kinder in seiner Klasse, der 6A, im Jahre 1938 war jüdisch.
Nach dem Anschluss am 12. März, hatten alle Schüler eine Woche frei. Als sie nach diesen „Ferien“ wieder in die Schule kamen, hatte die Stubenbastei einen anderen Direktor, die meisten Lehrer trugen Hakenkreuz-Anstecker oder Armbinden, und so gut wie alle Kinder waren in die Hitlerjugend eingetreten. Trotz der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich, war es Herrn Kruh erlaubt worden, wenigstens die 6. Klasse beenden zu dürfen, bevor er von der Schule gehen musste.
Er erzählte mir, dass sich an dem Umgang der Lehrer zu den jüdischen Schülern nicht sonderlich viel änderte, es aber doch einige Schulkollegen gab, die kein Wort mehr mit ihm wechselten. Auch wenn er den Antisemitismus in der Schule nicht wirklich zu spüren bekam, so lebten Eric Kruh und seine Eltern ständig in Angst, und er empfand die in Wien herrschende Atmosphäre als furchtbar und erdrückend.
Noch im selben Jahr fand seine Mutter heraus, dass die jüdische Gemeinde von Leeds bereit war, mehrere österreichische Kinder zu „sponsern“, und ihnen somit die Flucht vor den Nationalsozialisten, und die Reise nach England zu ermöglichen. Das Ehepaar Kruh nahm die Chance, ihren Sohn auf diesem Weg zu retten war, und schickten ihn mit einem Kindertransport nach Leeds. Im Alter von 16 Jahren musste er, der als ein überbehütetes Einzelkind aufgewachsen war, zum ersten Mal alleine verreisen, und das ohne seine Eltern. Für ihn war es das schlimmste, sie zurückzulassen, denn er wusste sehr wohl, wie gefährlich die momentane Situation für Juden in Wien war und machte sich große Sorgen.
Nach einer langen Reise in England angekommen, wurde er dort als „enemy alien“ in ein Internierungslager eingewiesen, und musste dort allerhand über sich ergehen lassen.
Wenig später wurde er mit vielen anderen nach Toronto, Kanada, geschickt, und kam dort wieder in einem Auffanglager unter. Erst Monate nach dem Krieg erfuhr Herr Kruh, dass seine Eltern noch vor Kriegsausbruch in die Schweiz flüchten, und sich dort verstecken konnten. Es folgte ein freudiges Wiedersehen in Kananda, wo sich seine Eltern auch niederließen.
Die jüdische Gemeinde von Toronto ermöglichte jungen Flüchtlingen wie Eric Kruh, für die Aufnahmeprüfung an der Universität zu lernen, und somit konnte er diese auch ablegen.
Er nahm die kanadische Staatsbürgerschaft an, und studierte vorerst an der Universität von Toronto Literaturwissenschaften und Europäischer Kultur. Herr Kruh machte seinen Hochschulabschluss und zog nach Chicago, wo er auch für eine niedrige Bezahlung an der „Roosevelt University“ zu unterrichten begann.
Allerdings zog es ihn in den sechziger Jahren nach Philadelphia. Dort begann er als einziger jüdischer Professor an einer katholischen Universität zu arbeiten, und aufgrund seiner Initiative wurde später noch ein zweiter Jude angestellt, was allgemein sehr ungewöhnlich in katholischen Schulen war. Herr Kruh erzählte mir, dass seine Vorgesetzten, Mitarbeiter und Schüler immer gut zu ihm gewesen waren, er sich aber trotzdem niemals wirklich heimisch fühlte.
Er heiratete seine erste Frau, und übersiedelte in einen Vorort von New York, um dort am „Brooklyn Campus“ an der „Long Island University“ zu unterrichten.
Herr Kruh besuchte seine Eltern regelmäßig in Toronto, und hatte stets ein inniges Verhältnis zu ihnen. Doch leider starb sein Vater schon sehr früh, 1970 während seine Mutter noch bis 1992 lebte. Auch seine Frau, die oft sehr krank war, starb bald darauf.
Obwohl er schon längst pensioniert ist, unterrichtet er seit 12 Jahren ehrenamtlich an der „New York University“ Erwachsene, und hat sehr viel Freude daran.
Vor einigen Jahren lernte Eric Kruh seine zweite Frau, die Schriftstellerin Jean Kemper, kennen und lieben. Die beiden heirateten, und zogen gemeinsam in ein wunderschönes Haus in East Hampton, das 10 Minuten vom Meer entfernt ist. Durch Jean hat er nun auch eine große Familie, denn sie hat zwei Kinder und jede Menge Enkelkinder.
Gemeinsam mit ihr hat er schon viele Besuche in Wien hinter sich, und sagte mir, dass ihn mit seiner Heimatstadt eine Hass-Liebe verbindet.
Von der Stubenbastei erhielt er in den achtziger Jahren eine sogenannte „Ehrenmatura“. Das alles organisierte sein alter Freund Heinz Grünwald, mit dem er damals in eine Klasse ging.
Eric Kruh sieht sich selbst nicht als Holocaust-Opfer, weil er und seine Eltern einen Weg fanden, rechtzeitig zu flüchten.
Er fühlt sich schuldig. Denn er hat überlebt, während so viele andere sterben mussten.
Ich bin überglücklich, dass ich die Chance hatte, Eric Kruh kennen zu lernen.
Er ist ein so fantastischer und herzlicher Mensch, den ich für seine Lebenseinstellung und seine Art zu denken bewundere, zu dem ich aufschaue. Die Zeit, die ich mit ihm verbringen durfte war voller Überraschungen und Emotionen.
Ich bin mir sicher, dass wir uns schon bald wiedersehen werden, entweder bei einem Besuch von ihm in Wien, oder von mir in East Hamtpon. So oder so werde ich weiterhin Kontakt mit ihm halten, denn ich möchte seine „Freundschaft“ nicht mehr missen. Ich danke ihm und seiner Frau Jean ganz herzlich dafür, dass sie mich so nett und freundlich bei sich aufgenommen haben und bereit waren, eine Fremde an ihrer Vergangenheit teilhaben zu lassen.
„Mit Verspätung danke ich Ihnen nochmals für Ihren Besuch, für die schönen Geschenke, für dir mir viel bedeutenden schriftlichen Unterlagen und die Bilder Ihrer Familie, und hauptsächlich für die ethische Arbeit, die Sie geleistet haben und noch leisten an einer Sache, die vor allem Sie aber durch Sie auch das heutige Österreich ehrt.“