Alle Berichte:
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Diese Geschichte wurde im Projekt "3808 - Einladung" erstellt.
Was mich betrifft, so habe ich nicht auf eine solche Einladung bzw. Aufforderung gewartet. Schon während des eigentlichen Exils (-von einem solchen können wir ja nur bis zum Zusammenbruch des Nazi-Regimes sprechen-) haben österreichische Jugendliche in Argentinien, in einem Ausmaß wie sonst wohl nur in England, sich bemüht, mit allen Kräften am Kampf um die Wiederherstellung eines unabhängigen, demokratischen Österreichs teilzunehmen. Das hielten wir für unsere Pflicht; aber es bedeutete fûr uns auch eine ganz besondere Befriedigung: denn zuvor waren wir passive Opfer gewesen; jetzt aber konnten wir uns wehren! Und das gab uns das Bewsstsein der Menschenwürde, das uns schon weitgehend abhanden gekommen war, wieder zurück.
Das Wort des unsterblichen Dichters:
“This above all: to thine own self be true;
and it must follow, as the night the day,
thou canst not then be false to any man.”
( “Dies über alles: sei dir selber treu.
Und daraus folgt, so wie die Nacht dem Tage,
du kannst nicht falsch sein gegen irgendwen.”):
Es galt und es gilt nicht nur für uns, sondern auch fûr Österreich: Es war nicht Österreich, das jene schrecklichen Verbrechen beging; und diejenigen Österreicher, die, in böser Absicht oder selber betrogen, ihren Mitbürgern Schaden zufügten und dann beim Angriff gegen fremde Völker, bei deren Versklavung und Ausrottung mitmachten, waren Österreich n i c h t treu. Sie handelten g e g e n Österreich, ebenso wie sie gegen die Menschheit und gegen die Menschlichkeit handelten. Österreich und sich selber treu waren die Widerstandskämpfer und diejenigen, die den Opfern halfen. Es schmerzt uns freilich sehr, dass ihre Zahl nicht größer und ihr Beitrag nicht stärker war. Doch auch wir, die wir im Exil den Widerstand unterstützten, waren uns selbst und waren Österreich treu. Darauf dürfen wir, auch heute, doch ein wenig stolz sein.
Deshalb schmerzt es mich auch so sehr, dass manche die Einladung, die an uns erging, so auffassen, als ob wir jetzt von Österreich eine Schuld zu kassieren hätten. Darum handelte es sich wahrhaftig nicht. Vielmehr wurde uns die Gelegenheit geboten, teilzunehmen an einer tieferen Bewusstmachung der maßlosen Verbrechen, die damals verübt wurden. Denn eine solche Vertiefung des Bewusstseins trägt dazu bei, dass sich niemals und nirgends, bei keinem Volk und gegen kein Volk, Ähnliches wiederholt. Wir haben auch jetzt in Österreich Stimmen gehört, die behaupten, man müsse endlich aufhören, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen und statt dessen die Gegenwart und die Zukunft im Auge haben. Solche Meinungen kennen wir ja gut, denn dergleichen wird auch bei uns in Argentien in Bezug auf die Verbrechen unserer Militär-Diktatur behauptet. Da geben wir aber zur Antwort, dass nichts mehr der Gegenwart und der Zukunft dient als die kritische Bewältigung vergangenen Unrechts. Denn ohne das ist jede Bewältigung der Gegenwart und der Zukunft unmöglich.
Es ist wahr, dass es den anständigen, bewussten, demokratischen und patriotischen Österreichern damals nicht gelang, zu verhindern dass ein verbrecherisches Regime die Macht ergriff. Das ist nicht nur ein nationales Unglück, sondern auch ein sehr tragisches Misslingen. Doch an diesem Misslingen haben auch wir teil, die wir dann die unmittelbaren Opfer waren. Denn wir lebten damals und, wenn wir überhaupt am Kampf dagegen teilnahmen, dann schafften auch wir es nicht zu siegen und die Katastrophe zu verhindern. Wir wollen uns bemühen, es das nächste Mal besser zu machen. Wir können es, denn wir und viele andere wissen heute so manches, was wir damals leider nicht wussten.
Ein Symptom jener “antiösterreichischen”, oder sagen wir besser “nicht-österreichischen” Haltung, die –bei allem gebotenen Respekt-, mir missfällt, sehe ich auch im Umgang mit der Sprache. Ich hatte
diesbezüglich schon bei dem ersten Podiums-Gespräch, an dem ich als Redner teilzunehmen hatte, einen Zusammenstoss mit anderen Rednern und mit Leuten aus dem Publikum. Manche sprachen, spontan und ungeniert, einfach englisch. Nicht dass sie erklärt hätten, ihre Muttersprache sei ihnen nach siebzig Jahren nicht mehr so geläufig, dass sie sie öffentlich gebrauchen kônnten. Das zu erklâren hätte vollkommen genügt. Und die englische Sprache wird ja wirklich von vielen, deren Muttersprache sie nicht ist, beherrscht. Von mir selbst auch, und ich bin darauf so stolz wie auf andere Merkmale meiner Allgemein-Bildung. Aber einfach drauf los zu reden und vorauszusetzen, dass jedermann die Pflicht habe, sie zu verstehen, das ist schon etwas anderes. Es bedeutet Überheblichkeit, und in diesem Aspekt sind gerade wir Lateinamerikaner aus guten Gründen etwas empfindlich. Ich möchte einmal sehen, wie sie reagieren würden, wenn einer von uns, ohne um Erlaubnis zu bitten, die spanische Sprache gebrauchte!
Was die Erfahrungen mit den Schülern betrifft, zu denen wir zu sprechen hatten, so weiss ich von meinen Kollegen, dass sie sehr unterschiedlich waren. Manche dieser jungen Menschen waren sehr interessiert, sehr verständnisvoll und sehr bemüht zu zeigen, dass sie uns dabei helfen wollten, die bitteren Erfahrungen unserer eigenen Jugend zu überwinden. Andere waren, wenn auch respektvoll, so doch ein wenig fernstehend jener Problematik, die für uns –immer noch!- eines der Grund-Themen des Lebens darstellt. Auch waren fast alle gehemmt und es fiel ihnen nicht leicht, öffentlich über diese Dinge, zumal mit uns!, zu reden. Dass das nicht anders sein konnte, haben, glaube ich, alle von uns begriffen.
Umso größer musste der Eindruck sein, den wir bei der Feier im Parlament und vor allem bei der Kundgebung auf dem Heldenplatz empfingen. An der Stelle wo, vor genau siebzig Jahren, eine materiell und psychologisch terrorisierte Menschenmasse “dem Führer” zujubelte und die “Heimkehr ins Reich” forderte! Charles Chaplins Rede fûr Frieden und Menschenwürde aus dem Film “Der große Diktator” gerade dort auszustrahlen: das bedeutete schon etwas. Und dass junge Leute dort ein selbst geschaffenes Rock-Lied sangen: “Nie wieder Diskriminierung! Nie wieder Gewalt!”, das bedeutet vielleicht noch mehr.
Verankert in der österreichischen Verfassung ist, -immer noch!-, das Prinzip der “aktiven Neutralität”. Das bedeutet für unser Land nicht das bloße Heraushalten aus internationalen Konflikten. Es bedeutet die offizielle Verpflichtung, aktiv einzugreifen zur Erhaltung des Friedens, des gegenseitigen Respekts und für die Verbrüderung zwischen den Völkern. Wir danken unserem Geburtsland Österreich dafür, dass es uns die Gelegenheit bot, auch ein wenig in diesem Sinne zu wirken.
Ich selbst war, nachdem die Aktion 38/08 schon zu Ende war, noch am 18. Mai bei der Befreiungs-Feier in der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Mauthausen. Da waren nicht nur die offiziellen Vetreter Österreichs und der anderen Länder, deren Bürger dort inhaftiert waren, anwesend; sondern vor allem auch Tausende junger Menschen aus allen Ländern Europas, die in jener Schreckenszeit noch gar nicht geboren waren, und die heute gemeinsam gelobten: “Nie wieder Rassismus! Nie wieder Krieg! Nie wieder Unterdrückung und Gewalt!” Ich wurde auch aufgefordert, zusammen mit österreichischen Antifaschisten einen der Kränze zu Ehren der Opfer niederzulegen. Und ich hatte in diesem Sinne auch eine kurze Rede zu halten. Ich erwähnte da auch die Verbrechen der argentinischen Militär-Diktatur, sowie den heutigen Kampf der Völker Lateinamerikas fûr ihre nationale und soziale Befreiung und fûr ihren Zusammenschluss in Freiheit und Würde. Man wird begreifen, dass ich auch dabei einigermaßen gerührt war.
Alfredo Bauer, Buenos Aires.
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Diese Geschichte wurde im Projekt "Die Letzten Zeugen" erstellt.
Ein äußerst großer Gewinn
Für mich war dieses Projekt ein äußerst großer Gewinn, da ich in Dr. Alfredo Bauer eine außergewöhnliche Persönlichkeit kennen lernen durfte. Er ist als Schriftsteller im deutschsprachigen Raum leider nur ein Insider-Tipp, auch ich habe mit einigen Werken erst durch das Projekt Bekanntschaft geschlossen und kann sie nur weiter empfehlen.
Die Schüler konnten natürlich die volle Persönlichkeit und das Wissen Alfredo Bauers nicht komplett erfassen, aber sie haben erahnt, wieviel umfassende Bildung und menschliche Reife in diesem alten Herren vorhanden sind.
Für mich ist Alfredo Bauer der Vertreter einer gesellschaftlichen Gruppe von sozialkritischen und humanistisch gesinnten jüdischen Bürgern, die die Barbarei der Nationalsozialisten in Österreich durch Holocaust und Vertreibung vernichtet hat. Auch wenn ich persönlich mit einigen politischen Meinungen und seiner harten Israel-Kritik nicht ganz einverstanden bin, so ist uns mit der Emigration Alfredo Bauers und der vielen jüdischen Ärzte, Juristen und Intellektuellen ein großer Verlust, der bis heute im kulturellen Klima bemerkbar ist, entstanden.
Die Schüler hat die Veranstaltung am Heldenplatz sehr gut angesprochen, die gute Organisation und die pure Größe des Events übten eine Faszination aus, der sie sich nicht entziehen konnten. Bei den anschließenden Gesprächen mit Alfredo Bauer und seiner Enkelin zeigte sich bei ihnen eine gewisse Zurückhaltung, die durch den Respekt gegenüber dem Zeitzeugen und bei seiner Enkelin durch Sprachschwierigkeiten bedingt waren.
Dieser Respekt zeigte sich auch beim Vortrag Alfredo Bauers an unserer Schule, dem BORG Spittal, am 7. Mai 2008. Es hätten dem eloquenten Referenten wesentlich mehr Fragen gestellt werden können, da er ja prinzipiell für wirklich jede offen war und diese gerne beantwortet hätte.
Alle Kollegen, die den Vortrag hörten, fiel die konzentrierte Ruhe der Schüler auf, mit der sie den Worten Alfredo Bauers folgten; und es kam dann auch zu vielen Fragen, die sein familiäres Umfeld und das Leben in Argentinien betrafen.
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Diese Geschichte wurde im Projekt "Die Letzten Zeugen" erstellt.
Um 13:30 kamen wir in Wien Süd- Bahnhof an, stiegen in die nächste U- Bahn, welche uns zum Heldenplatz brachte. Dort angekommen, staunten wir über die groß aufgebaute und gut durchorganisierte Veranstaltung. Mit so vielen jungen Menschen hatten wir wirklich nicht gerechnet. Aus aller Welt waren Zeitzeugen angereist und für jeden wurde im Voraus ein Plakat gestaltet, wo man mehr über die Person erfuhr. Zuerst suchten wir jenes von Herrn Bauer, welches wir auch bald fanden.
Wir teilten uns in Gruppen auf und versuchten uns Überblick zu verschaffen und mehr vom Event zu erfahren. Es war eine große Bühne aufgebaut mit einer großen Videoleinwand dahinter, so konnte jeder alles mitverfolgen. Einige Jugendliche traten auf und versuchten das Gefühl der Zusammengehörigkeit zu verbreiten. Es gab einige Vorträge gegen Rassismus in Österreich.
Nach der Veranstaltung trafen wir Herrn Bauer zum ersten Mal. Wir waren erfreut, wie offen und herzlich er uns begrüßte. Mit seiner Enkelin und ihm, die ihn begleitete gingen wir in ein Cafe, um sie besser kennen zu lernen. Danach trennten sich unsere Wege für kurze Zeit. Wir verstauten unser Gepäck in der Jugendherberge, in der wir die Nacht verbrachten. Herr Bauer gönnte sich eine Pause.
Am Abend trafen wir uns noch für eine Stunde im Parkhotel, wo Herr Bauer wohnte. Wir konnten mitverfolgen, wie er und ein Freund, Geschichten aus der Vergangenheit austauschten.
Am 6.Mai fuhr Herrn Bauer mit dem Zug mit ins schöne Kärnten. Herr Professor Graf begleitete die zwei Argentinier in ihre Unterkunft in Spittal an der Drau.
Am folgendenTag hielt Herr Bauer einen Vortrag an unserer Schule. Diesen verfolgten viele Lehrer und Schüler des Borg/Spittal. Er machte dies sehr interessant und beantwortete viele Frage. Es war eine Bereicherung für uns, da wir noch nie von einem Zeitzeugen so eindrucksvoll sein Schicksal erzählt bekamen. Danach verabschiedeten wir uns von ihm und wünschten ihm noch einen schönen Aufenthalt in Wien.
Wir möchten uns noch einmal herzlichst bedanken, vor allem bei Herrn Professor Graf, dass er es uns ermöglichte an diesem Projekt teilzunehmen. Danke!
Diese Geschichte wurde im Projekt "3808 - Einladung" erstellt.
Die Einladung “A Letter To The Stars" 38/08, und wie es uns dabei erging
Alfredo Bauer berichtet uns von seinen Eindrücken nach seinem Besuch im Mai 2008 in Österreich.
Ich bin schon mehrmals, nachdem durch die maßlosen Anstrengungen und Opfer der Völker die tödliche Gefahr, in der die Menschheit schwebte, gebannt und Europa von der Nazi-Herrschaft befreit war, wieder in Österreich gewesen. Diesmal aber war es insofern etwas Anderes, als wir jetzt ja e i n g e l a d e n worden waren, hinzukommen und von uns aus etwas an Gedanken und, wenn möglich, auch etwas an Taten beizubringen hinsichtlich des einmalig Furchtbaren, das damals geschah: Angriffs-Krieg gegen die gesamte Menschheit, Unterjochung und Ausrottung von Völkern, systematisches Schüren von Hass und Verachtung gegen angeblich anders Geartete, und schließlich deren kaltblütige, massenweise, mit technischer Vollkommenheit ausgeführte Vernichtung.Was mich betrifft, so habe ich nicht auf eine solche Einladung bzw. Aufforderung gewartet. Schon während des eigentlichen Exils (-von einem solchen können wir ja nur bis zum Zusammenbruch des Nazi-Regimes sprechen-) haben österreichische Jugendliche in Argentinien, in einem Ausmaß wie sonst wohl nur in England, sich bemüht, mit allen Kräften am Kampf um die Wiederherstellung eines unabhängigen, demokratischen Österreichs teilzunehmen. Das hielten wir für unsere Pflicht; aber es bedeutete fûr uns auch eine ganz besondere Befriedigung: denn zuvor waren wir passive Opfer gewesen; jetzt aber konnten wir uns wehren! Und das gab uns das Bewsstsein der Menschenwürde, das uns schon weitgehend abhanden gekommen war, wieder zurück.
Das Wort des unsterblichen Dichters:
“This above all: to thine own self be true;
and it must follow, as the night the day,
thou canst not then be false to any man.”
( “Dies über alles: sei dir selber treu.
Und daraus folgt, so wie die Nacht dem Tage,
du kannst nicht falsch sein gegen irgendwen.”):
Es galt und es gilt nicht nur für uns, sondern auch fûr Österreich: Es war nicht Österreich, das jene schrecklichen Verbrechen beging; und diejenigen Österreicher, die, in böser Absicht oder selber betrogen, ihren Mitbürgern Schaden zufügten und dann beim Angriff gegen fremde Völker, bei deren Versklavung und Ausrottung mitmachten, waren Österreich n i c h t treu. Sie handelten g e g e n Österreich, ebenso wie sie gegen die Menschheit und gegen die Menschlichkeit handelten. Österreich und sich selber treu waren die Widerstandskämpfer und diejenigen, die den Opfern halfen. Es schmerzt uns freilich sehr, dass ihre Zahl nicht größer und ihr Beitrag nicht stärker war. Doch auch wir, die wir im Exil den Widerstand unterstützten, waren uns selbst und waren Österreich treu. Darauf dürfen wir, auch heute, doch ein wenig stolz sein.
Deshalb schmerzt es mich auch so sehr, dass manche die Einladung, die an uns erging, so auffassen, als ob wir jetzt von Österreich eine Schuld zu kassieren hätten. Darum handelte es sich wahrhaftig nicht. Vielmehr wurde uns die Gelegenheit geboten, teilzunehmen an einer tieferen Bewusstmachung der maßlosen Verbrechen, die damals verübt wurden. Denn eine solche Vertiefung des Bewusstseins trägt dazu bei, dass sich niemals und nirgends, bei keinem Volk und gegen kein Volk, Ähnliches wiederholt. Wir haben auch jetzt in Österreich Stimmen gehört, die behaupten, man müsse endlich aufhören, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen und statt dessen die Gegenwart und die Zukunft im Auge haben. Solche Meinungen kennen wir ja gut, denn dergleichen wird auch bei uns in Argentien in Bezug auf die Verbrechen unserer Militär-Diktatur behauptet. Da geben wir aber zur Antwort, dass nichts mehr der Gegenwart und der Zukunft dient als die kritische Bewältigung vergangenen Unrechts. Denn ohne das ist jede Bewältigung der Gegenwart und der Zukunft unmöglich.
Es ist wahr, dass es den anständigen, bewussten, demokratischen und patriotischen Österreichern damals nicht gelang, zu verhindern dass ein verbrecherisches Regime die Macht ergriff. Das ist nicht nur ein nationales Unglück, sondern auch ein sehr tragisches Misslingen. Doch an diesem Misslingen haben auch wir teil, die wir dann die unmittelbaren Opfer waren. Denn wir lebten damals und, wenn wir überhaupt am Kampf dagegen teilnahmen, dann schafften auch wir es nicht zu siegen und die Katastrophe zu verhindern. Wir wollen uns bemühen, es das nächste Mal besser zu machen. Wir können es, denn wir und viele andere wissen heute so manches, was wir damals leider nicht wussten.
Ein Symptom jener “antiösterreichischen”, oder sagen wir besser “nicht-österreichischen” Haltung, die –bei allem gebotenen Respekt-, mir missfällt, sehe ich auch im Umgang mit der Sprache. Ich hatte
diesbezüglich schon bei dem ersten Podiums-Gespräch, an dem ich als Redner teilzunehmen hatte, einen Zusammenstoss mit anderen Rednern und mit Leuten aus dem Publikum. Manche sprachen, spontan und ungeniert, einfach englisch. Nicht dass sie erklärt hätten, ihre Muttersprache sei ihnen nach siebzig Jahren nicht mehr so geläufig, dass sie sie öffentlich gebrauchen kônnten. Das zu erklâren hätte vollkommen genügt. Und die englische Sprache wird ja wirklich von vielen, deren Muttersprache sie nicht ist, beherrscht. Von mir selbst auch, und ich bin darauf so stolz wie auf andere Merkmale meiner Allgemein-Bildung. Aber einfach drauf los zu reden und vorauszusetzen, dass jedermann die Pflicht habe, sie zu verstehen, das ist schon etwas anderes. Es bedeutet Überheblichkeit, und in diesem Aspekt sind gerade wir Lateinamerikaner aus guten Gründen etwas empfindlich. Ich möchte einmal sehen, wie sie reagieren würden, wenn einer von uns, ohne um Erlaubnis zu bitten, die spanische Sprache gebrauchte!
Was die Erfahrungen mit den Schülern betrifft, zu denen wir zu sprechen hatten, so weiss ich von meinen Kollegen, dass sie sehr unterschiedlich waren. Manche dieser jungen Menschen waren sehr interessiert, sehr verständnisvoll und sehr bemüht zu zeigen, dass sie uns dabei helfen wollten, die bitteren Erfahrungen unserer eigenen Jugend zu überwinden. Andere waren, wenn auch respektvoll, so doch ein wenig fernstehend jener Problematik, die für uns –immer noch!- eines der Grund-Themen des Lebens darstellt. Auch waren fast alle gehemmt und es fiel ihnen nicht leicht, öffentlich über diese Dinge, zumal mit uns!, zu reden. Dass das nicht anders sein konnte, haben, glaube ich, alle von uns begriffen.
Umso größer musste der Eindruck sein, den wir bei der Feier im Parlament und vor allem bei der Kundgebung auf dem Heldenplatz empfingen. An der Stelle wo, vor genau siebzig Jahren, eine materiell und psychologisch terrorisierte Menschenmasse “dem Führer” zujubelte und die “Heimkehr ins Reich” forderte! Charles Chaplins Rede fûr Frieden und Menschenwürde aus dem Film “Der große Diktator” gerade dort auszustrahlen: das bedeutete schon etwas. Und dass junge Leute dort ein selbst geschaffenes Rock-Lied sangen: “Nie wieder Diskriminierung! Nie wieder Gewalt!”, das bedeutet vielleicht noch mehr.
Verankert in der österreichischen Verfassung ist, -immer noch!-, das Prinzip der “aktiven Neutralität”. Das bedeutet für unser Land nicht das bloße Heraushalten aus internationalen Konflikten. Es bedeutet die offizielle Verpflichtung, aktiv einzugreifen zur Erhaltung des Friedens, des gegenseitigen Respekts und für die Verbrüderung zwischen den Völkern. Wir danken unserem Geburtsland Österreich dafür, dass es uns die Gelegenheit bot, auch ein wenig in diesem Sinne zu wirken.
Ich selbst war, nachdem die Aktion 38/08 schon zu Ende war, noch am 18. Mai bei der Befreiungs-Feier in der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Mauthausen. Da waren nicht nur die offiziellen Vetreter Österreichs und der anderen Länder, deren Bürger dort inhaftiert waren, anwesend; sondern vor allem auch Tausende junger Menschen aus allen Ländern Europas, die in jener Schreckenszeit noch gar nicht geboren waren, und die heute gemeinsam gelobten: “Nie wieder Rassismus! Nie wieder Krieg! Nie wieder Unterdrückung und Gewalt!” Ich wurde auch aufgefordert, zusammen mit österreichischen Antifaschisten einen der Kränze zu Ehren der Opfer niederzulegen. Und ich hatte in diesem Sinne auch eine kurze Rede zu halten. Ich erwähnte da auch die Verbrechen der argentinischen Militär-Diktatur, sowie den heutigen Kampf der Völker Lateinamerikas fûr ihre nationale und soziale Befreiung und fûr ihren Zusammenschluss in Freiheit und Würde. Man wird begreifen, dass ich auch dabei einigermaßen gerührt war.
Alfredo Bauer, Buenos Aires.
Alle Berichte: 1 2 3
Diese Geschichte wurde im Projekt "Die Letzten Zeugen" erstellt.
Ein äußerst großer Gewinn
Im Projekt "A Letter To The Stars 38/08" wurde Alfredo Bauer von der 7.Klasse des BORG Spittal/Drau eingeladen. Lehrer Wolfgang Graf berichtet über seine Eindrücke.
Ich möchte zuerst meine persönlichen Gefühle beschreiben:Für mich war dieses Projekt ein äußerst großer Gewinn, da ich in Dr. Alfredo Bauer eine außergewöhnliche Persönlichkeit kennen lernen durfte. Er ist als Schriftsteller im deutschsprachigen Raum leider nur ein Insider-Tipp, auch ich habe mit einigen Werken erst durch das Projekt Bekanntschaft geschlossen und kann sie nur weiter empfehlen.
Die Schüler konnten natürlich die volle Persönlichkeit und das Wissen Alfredo Bauers nicht komplett erfassen, aber sie haben erahnt, wieviel umfassende Bildung und menschliche Reife in diesem alten Herren vorhanden sind.
Für mich ist Alfredo Bauer der Vertreter einer gesellschaftlichen Gruppe von sozialkritischen und humanistisch gesinnten jüdischen Bürgern, die die Barbarei der Nationalsozialisten in Österreich durch Holocaust und Vertreibung vernichtet hat. Auch wenn ich persönlich mit einigen politischen Meinungen und seiner harten Israel-Kritik nicht ganz einverstanden bin, so ist uns mit der Emigration Alfredo Bauers und der vielen jüdischen Ärzte, Juristen und Intellektuellen ein großer Verlust, der bis heute im kulturellen Klima bemerkbar ist, entstanden.
Die Schüler hat die Veranstaltung am Heldenplatz sehr gut angesprochen, die gute Organisation und die pure Größe des Events übten eine Faszination aus, der sie sich nicht entziehen konnten. Bei den anschließenden Gesprächen mit Alfredo Bauer und seiner Enkelin zeigte sich bei ihnen eine gewisse Zurückhaltung, die durch den Respekt gegenüber dem Zeitzeugen und bei seiner Enkelin durch Sprachschwierigkeiten bedingt waren.
Dieser Respekt zeigte sich auch beim Vortrag Alfredo Bauers an unserer Schule, dem BORG Spittal, am 7. Mai 2008. Es hätten dem eloquenten Referenten wesentlich mehr Fragen gestellt werden können, da er ja prinzipiell für wirklich jede offen war und diese gerne beantwortet hätte.
Alle Kollegen, die den Vortrag hörten, fiel die konzentrierte Ruhe der Schüler auf, mit der sie den Worten Alfredo Bauers folgten; und es kam dann auch zu vielen Fragen, die sein familiäres Umfeld und das Leben in Argentinien betrafen.
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Diese Geschichte wurde im Projekt "Die Letzten Zeugen" erstellt.
Zwei schöne Tage in Wien
Im Mai 2008 traf die Klasse 7S des BORG Spittal/Drau den Zeitzeugen Alfredo Bauer. Die Schülerin Ina Meschik berichtet von den zwei gemeinsamen Tagen.
Als uns Herr Professor Graf in der Schule sagte, dass wir am 5. Mai um 05:50 in Villach am Bahnhof die Reise nach Wien antreten werden, klang es sehr vielversprechend, dass einer von uns zehn Schülern verschlafen würde. Dies war aber schlussendlich nicht der Fall und wir fuhren zu elft über Salzburg, wo wir umsteigen mussten, nach Wien. Zum Zeitvertreib spielten wir Karten, erzählten Witze, aber unterhielten uns auch über das, was uns erwartete.Um 13:30 kamen wir in Wien Süd- Bahnhof an, stiegen in die nächste U- Bahn, welche uns zum Heldenplatz brachte. Dort angekommen, staunten wir über die groß aufgebaute und gut durchorganisierte Veranstaltung. Mit so vielen jungen Menschen hatten wir wirklich nicht gerechnet. Aus aller Welt waren Zeitzeugen angereist und für jeden wurde im Voraus ein Plakat gestaltet, wo man mehr über die Person erfuhr. Zuerst suchten wir jenes von Herrn Bauer, welches wir auch bald fanden.
Wir teilten uns in Gruppen auf und versuchten uns Überblick zu verschaffen und mehr vom Event zu erfahren. Es war eine große Bühne aufgebaut mit einer großen Videoleinwand dahinter, so konnte jeder alles mitverfolgen. Einige Jugendliche traten auf und versuchten das Gefühl der Zusammengehörigkeit zu verbreiten. Es gab einige Vorträge gegen Rassismus in Österreich.
Nach der Veranstaltung trafen wir Herrn Bauer zum ersten Mal. Wir waren erfreut, wie offen und herzlich er uns begrüßte. Mit seiner Enkelin und ihm, die ihn begleitete gingen wir in ein Cafe, um sie besser kennen zu lernen. Danach trennten sich unsere Wege für kurze Zeit. Wir verstauten unser Gepäck in der Jugendherberge, in der wir die Nacht verbrachten. Herr Bauer gönnte sich eine Pause.
Am Abend trafen wir uns noch für eine Stunde im Parkhotel, wo Herr Bauer wohnte. Wir konnten mitverfolgen, wie er und ein Freund, Geschichten aus der Vergangenheit austauschten.
Am 6.Mai fuhr Herrn Bauer mit dem Zug mit ins schöne Kärnten. Herr Professor Graf begleitete die zwei Argentinier in ihre Unterkunft in Spittal an der Drau.
Am folgendenTag hielt Herr Bauer einen Vortrag an unserer Schule. Diesen verfolgten viele Lehrer und Schüler des Borg/Spittal. Er machte dies sehr interessant und beantwortete viele Frage. Es war eine Bereicherung für uns, da wir noch nie von einem Zeitzeugen so eindrucksvoll sein Schicksal erzählt bekamen. Danach verabschiedeten wir uns von ihm und wünschten ihm noch einen schönen Aufenthalt in Wien.
Wir möchten uns noch einmal herzlichst bedanken, vor allem bei Herrn Professor Graf, dass er es uns ermöglichte an diesem Projekt teilzunehmen. Danke!