KARL-AKIVA
(früher Karl-Herman) |
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Diese Geschichte wurde im Projekt "Die Letzten Zeugen" erstellt.
Im Projekt »38/08« war Karl Schwarz im Mai 2008 zu Gast an der NMS 20 in der Wiener Greiseneckerstraße sowie an der Berufsschule Mollardgasse bei Lehrer Robert Patocka, jenen zwei Schulen, die er als Kind und Jugendlicher selbst besucht hat. Die Lebensgeschichte von Karl Schwarz wurde von Marie-Christine Hartig vom Team »A Letter To The Stars« verfasst.
Karl Akiva Schwarz wird 1921 in Wien als Karl Hermann geboren. Im April 1938 flüchtet er nach Bratislava, wird Mitglied einer zionistischen Organisation und geht 1941 an Bord des Raddampfers »Pentcho«, auf dem er nach Palästina entkommen möchte. Doch die Schifffahrt wird zur Odyssee nach Griechenland und Italien. Erst 1945 kommt Karl Schwarz mit seiner Frau in Palästina an. Sein Vater war in Prag versteckt im Widerstand, seine Mutter und seine Geschwister werden in Maly Trostinec bzw. Auschwitz ermordet. Karl Schwarz lebt heute in Israel.
Ein Wiener, der nie unterging ...
Karl Akiva Schwarz wollte auf dem Donauschiff »Pentcho« nach Palästina entkommen. Eine Flucht, das mehr als fünf Jahre dauerte.

Karl Schwarz wollte nach Israel und bekam die Erlaubnis seiner Eltern, der zionistischen Bewegung »Betar« beizutreten. Nach der Hauptschule musste ein weiterer Bildungsweg für ihn gefunden werden. Nachdem sein Wunsch nach Israel zu gehen groß war, beschloss der Vater, dass Karl ein Handwerk erlernen sollte, da in Israel »Männer vom Fach« gebraucht würden. Demnach besuchte Karl Schwarz die Technische Schule in der Mollardgasse und lernte dort Werkzeugschlosserei. Einmal pro Woche musste er zum Theorieunterricht und zu technischen Übungen in die Schule gehen, den Rest der Woche arbeitete er in der Metallwarenfabrik »Wälder & Company« am Rennweg, wo er fast 5 Schilling pro Woche verdiente.
Im März 1938 wurde die Fabrik geschlossen, der Besitzer war ein Jude und Freund von Erich Schwarz, und auch in der Schule war Karl Schwarz nicht mehr erwünscht. Er erhielt einen Arbeitslosen-Ausweis und musste sich wöchentlich beim Arbeitsamt melden. Eines Tages sagte ihm der Beamte, wäre er, Karl Schwarz, Jude, so würde er ihn nach Deutschland schicken, zur Zwangsarbeit. Aufgrund der Papiere, die damals noch nicht den Eintrag »J« für Jude enthielten, ging der Beamte davon aus, dass Karl Schwarz Tscheche sei und kam nicht auf den Gedanken, dass er auch Jude sein könnte. Karl Schwarz sagte kein Wort und ging wieder nach Hause. Er wusste, dass er sobald als möglich aus Österreich, ja aus Europa, fliehen müsse.

In der Organisation traf Karl Schwarz im Dezember 1939 seine zukünftige Frau Elvira Huppert, die ebenfalls vom Schiff nach Palästina gehört hatte und von Polen über das Tatra-Gebirge in die Tschechoslowakei ge-kommen war. Karl Schwarz hatte sie im Haus der Bewegung »Betar« empfangen. Es entstand eine innige Freundschaft und Liebe zwischen den beiden, die nicht so bald erlosch.
Im September 1939 brach der Krieg mit Polen aus. Da Karl Schwarz tschechischer Staatbürger war, erhielt er den Einberufungsbefehl durch die Tschechoslowakei. Er wusste, dass er, würde er jetzt in den Krieg ziehen, nicht mehr viel Chancen hätte, nach Israel zu kommen oder gar zu überleben. Zoltan Schalk, sein Agent aus der zionistischen Bewegung, schickte ihn und einen Freund nach Piestany, einem Kurort in der heutigen Slowakei. Dort sollten sie sich für zwei Monate verstecken. Am 16. 5. 1940, einem kalten, regnerischen Tag, wurde das lang erwartete Schiff in Bratislava eingeschifft. Zwei Tage später machte sich der Raddampfer »Pentcho« auf den Weg nach Palästina. Sie fuhren die Donau entlang, um zum Schwarzen Meer zu kommen und weiter über den Bosporus ins Ägäische Meer zu gelangen. In Bezdan kamen weitere 100, meist ältere, Leute an Bord. Sie waren aus dem KZ Dachau gekommen und mussten auf direktestem Weg weg aus Europa. Schlussendlich waren sie nun 500 Leute auf dem Raddampfer, der für 300 geplant war.
Die nächsten Stationen waren Dobra, Vidin, Lom, Bechet, Orekhovo und Giurgiu. Giurgiu liegt in Rumänien, die Besatzung hatte die internationale Hungerfahne gehisst, aber die Rumänen wollten sie nicht durch das Eiserne Tor lassen. Als die Besatzung mit ein wenig Geld winkte, gaben sie nach und ließen die »Pentcho« weiterfahren. Am 25. 9. hielten sie in Mytilene auf der griechischen Insel Lesbos. Karl Schwarz erinnert sich noch gut an die Insel. Er tauschte mit den Fischern von Mytilene seine Uhr und ein paar Stiefel gegen Feigen und Trauben, Öl und Oliven. Danach hielten sie im Hafen von Piräus, wo sie von der dortigen jüdischen Gemeinde Öl bekamen und wieder Proviant tauschten. Am 6. 10. passierten sie die Insel Stampalia und Karl Schwarz erzählt, dass die Matrosen statt Süßwasser Salzwasser in die Kessel des Dampfers füllten. Das hatte zur Folge, dass die Kesselwände zerfressen wurden und die Maschinen zu arbeiten aufhörten, nachdem einer der Boiler explodiert war. Der Kapitän erteilte daraufhin den Befehl, alle Leintücher und Textilien abzugeben, und die Frauen

Zwei Tage nach ihrer Ankunft kamen drei elegant gekleidete Männer in das Auffanglager und fragten nach Karl Schwarz. Sie kamen ebenfalls aus Österreich, ein Industrieller, ein Geschäftsmann und einer von der »Palestine Electric Gesellschaft«. Sie gehörten der Vereinigung österreichischer Einwanderer an und boten ihm einen Job als Schlosser und Elektriker an. Als er sich in der Personalabteilung vorstellen ging, sprach er mit einem Herrn Bloch und es stellte sich heraus, dass dieser ums Eck von Karl Schwarz in der Wiener Brigittenau gelebt hatte – »das Eis war gebrochen!« Karl Schwarz stieg bis zum Leiter für das Versorgungsbüro eines Kraftwerkes auf, konnte sich und seiner Familie ein gutes Leben bieten und musste endlich nicht mehr darüber nachdenken, wie man die nächste Mahlzeit sicherstellen könnte.
Heute lebt Karl Schwarz in Haifa, seine Tochter Esther und ihre Familie wohnen ganz in seiner Nähe. Innerlich ist Karl ein echter Wiener geblieben, der wienerisch spricht und so auch seine E-Mails schreibt.
Sein Vater hatte in Prag den Bescheid erhalten, dass er deportiert wird. Er weigerte sich, schloss sich dem Widerstand an und musste sich von nun an in Prag verstecken. So überlebte Erich Josef Schwarz den Krieg und hat bei der Befreiung von Prag mitgeholfen. Er versteckte sich im Keller der Christin Esther Schultz. Nach dem Krieg heiratete er diese Frau und starb 1949 an »gebrochenem Herzen«, wie Karl Schwarz sagt.
Seine Mutter Erna und sein Bruder Heini wurden am 2. Juli 1942 durch die geheime Staatspolizei in Prag gefangen genommen, nach Theresienstadt deportiert und von dort aus am 20. August nach Maly Trostinec überstellt, wo sie ermordet wurden. Seine Schwester Henrietta und ihr Mann Pavel Beran wurden in Auschwitz ermordet.