Die letzten Zeugen - Das Buc

ROBERT HESKY


 
 

ROBERT HESKY

geb. 1922-03-20
lebt heute in den USA


Diese Geschichte wurde im Projekt "Überlebende" erstellt.

Robert Hesky wurde am 20.3.1922 in Linz geboren. 1938 wurden er und sein Vater gemeinsam verhaftet. Seine Schwester entkam mit dem Kindertransport nach England. Robert Hesky konnte 1939 mit seinen Eltern in die USA flüchten, wo er noch heute lebt.

Sie setzten die Synagoge in Brand und sperrten uns darin ein...

Vier Schülerinnen aus der Infotec PTS Pregarten haben die Lebensgeschichte von Robert Hesky recherchiert.

Lernen aus der Geschichte um zu verhindern, dass die Vergangenheit sich wiederholt – die Geschichte von Herrn Robert Hesky.

Herr Robert Hesky musste Österreich vor ungefähr 65 Jahren verlassen und lebt nun mit seiner Frau in Kalifornien. Er hat zwei Söhne und drei Enkelkinder. Indem er uns seine Erfahrungen mitteilt, hofft er, dass junge Menschen in der Lage sein werden, aus der Geschichte zu lernen, dass die Erinnerung lebendig bleibt, sodass Taten wie die der Nazis, die 6.000.000 Juden und andere getötet haben, niemals wiederholt werden.

„Ich bin geboren und aufgewachsen in Linz, genoss meine frühe Jugend und erinnere mich an häufige Wochenendausflüge mit meinen Freunden und meiner Familie nach Bauernberg, Pöstlingberg und Rotteneck. Manchmal verbrachte ich meine Zeit im Volksgarten, was ich sehr mochte. Ich hatte nie Probleme bis zu den letzten zwei meiner vier Jahre am Realgymnasium. Zu dieser Zeit wurde ich von manchen Schülern belästigt, weil ich Jude bin, mir wurde verboten bei manchen Sportarten mitzumachen wie „Völkerball“ und ich musste nach der Schule sehr schnell nach Hause laufen, weil ich sonst vielleicht niedergeschlagen worden wäre. Das war, bevor Hitler nach Österreich kam. Im Alter von 14 ging ich nach Wien und lebte dort mit Verwandten um die Modeschule 2 Jahre lang zu besuchen. Zu dieser Zeit wurde Österreich schon von den Nazis kontrolliert und alle jüdischen Studenten – mich eingeschlossen – wurden drei Monate vor dem Abschluss aus der Schule geschmissen. So ging ich zurück nach Linz und lebte mit meinen Eltern und meiner Schwester.

Dann wurde die Lage mit jedem Tag schlimmer. Wir durften uns nicht auf öffentlichen Plätzen aufhalten, wurden auf der Straße angepöbelt und fürchteten täglich um unser Wohlergehen. Meine Eltern besaßen eine Geschäft und die Nazis schickten eine Dame vom Land, die das Geschäft meiner Eltern übernahm, absolut ohne Ablöse. Und da sie einen Platz zum Leben brauchte, übernahm sie auch unsere Wohnung und wir mussten weggehen. Zu dieser Zeit war es Juden nicht erlaubt eine Wohnung zu mieten und so lebten wir in dem kleinen Büro des Rabbis an der Rückseite der Synagoge. Der Rabbi und seine Familie waren nach England gezogen.
Meine Eltern, meine Schwester und ich lebten, schliefen und kochten in diesem kleinen Zimmer. Vor der Synagoge war ein Haus, das vom Rabbi und seiner Familie als Wohnung benutzt wurde und darunter befand sich das Büro der Kultusgemeinde. Alle Beamten der Kultusgemeinde waren schon gegangen, aus Angst. Also übernahm mein Onkel alle Aufgaben alleine.

Dann kam die "Reichskristallnacht" im November 1938 und mitten in der Nacht kamen Dutzende Nazi SS- und SA-Männer um die Synagoge zu zerstören und in Brand zu setzen. Uns sperrten sie in unseren Raum ein. In letzter Minute warf jemand einen Stein durch ein kleines Fenster und warf den Schlüssel nach, sodass wir vor dem Feuer fliehen konnten. Wir verloren all unseren Besitz, einer von denen stahl auch mein Fahrrad aus dem Hausflur. Wir flohen zur Vorderseite des Gebäudes und einige SS-Männer nahmen meinen Vater und mich und transportierten uns ins Polizeigefängnis. Als mein Onkel seinen Sohn schickte um nachzusehen was mit uns geschehen war, wurde er in der selben Gefängniszelle festgehalten; außer uns dreien wurden noch drei andere jüdische Männer dort festgehalten. Ich sollte erwähnen, dass diese Zelle für zwei Personen gedacht war, also war es sehr überfüllt. Die Nazis nahmen die meisten jüdischen Männer fest und steckten sie ohne Grund – außer dass sie Juden waren – ins Gefängnis. Ich war ungefähr 16 Jahre alt zu dieser Zeit.
Als mein Onkel die Kultusgemeinde übernommen hatte, wurde er von Adolf Eichmann in sein Büro vorgeladen und damit beauftragt einen Platz für alle Juden irgendwo in der Welt zu finden, solange sie Österreich noch verlassen konnten. Er schaffte es, meinen Vater, seinen Sohn und mich aus dem Gefängnis freizubekommen, aber alle anderen Juden hatten nicht das Glück und wurden in Konzentrationslager gebracht. Für eine kurze Zeit lebten meine Familie, die Familie meines Onkels und noch eine andere Familie im Haus des ausgewanderten Rabbis. Dann befahl Adolf Eichmann allen Juden Linz zu verlassen und wir gingen nach Wien. In der Zwischenzeit wurde einer meiner Onkel nach Dachau und Buchenwald ins Konzentrationslager geschickt, wo er grässlich misshandelt wurde. Sie banden seine Füße an die Rückseite eines Lastwagens und fuhren mit ihm durch das Lager. Als er einige Monate später freigelassen wurde und zurückkam, haben wir ihn nicht wiedererkannt.

In der Zwischenzeit wurden meine Schwester, 11 Jahre alt, und zwei Cousins mit einem Kindertransport nach England gebracht. Als mein Onkel daran arbeitete, Platz für Juden irgendwo in der Welt zu finden, organisierte er für diese Kinder einen Transport nach England. Einige meiner Onkel und Tanten kamen nach Shanghai, China, ein Onkel ging nach Palästina und einige nach Bolivien. Leider waren viele Juden nicht in der Lage Österreich zu verlassen. Meine Großmutter wurde von den Nazis nach Theresienstadt gebracht, wo sie getötet wurde. Ein Onkel und eine Tante wurden in ein polnisches Konzentrationslager gebracht, wo sie auch getötet wurden. Diese Information erhielten wir viel später über eine Anfrage beim Roten Kreuz, welches Akten der Nazis beschaffen konnte. Während meines Aufenthalts in Wien wurde ich täglich zur Zwangsarbeit aufgegriffen, zum Straßenkehren zum Beispiel.
Schließlich, im September 1939, waren meine Eltern und ich in der Lage Österreich für unsere Reise nach Amerika über Italien zu verlassen. Wir kamen in San Francisco, Kalifornien, im Oktober 1939 an und mein Onkel und meine Tante folgten uns zwei Monate später. Sie waren sehr froh aus Österreich herauszukommen, da Adolf Eichmann ihre Pässe konfisziert und ihnen gesagt hatte, dass sie Österreich nie mehr lebend verlassen würden. Glücklicherweise hatte mein Onkel einen zweiten Pass und konnte fliehen. Nach dem Krieg kamen meine Schwester und meine zwei Cousins von England zu uns. Meine Familie kam in Amerika mit $ 5,- an und hatte Glück, dass ein Cousin meiner Mutter in San Francisco lebte und dafür bezahlt hatte, dass wir nach Amerika kommen konnten und er half uns, indem er uns in seinem Haus leben ließ und uns mit Essen versorgte.

Es war für eine lange Zeit ein harter Kampf für meine Eltern über die Runden zu kommen. Der Cousin meiner Mutter ging zwei Monate nach unserer Ankunft weg, also übernahmen wir einen Job in einem Hotel, wo wir alle lebten. Jede Familie hatte einen Raum und wir benutzten einen dritten Raum fürs Kochen. Mein Cousin und ich waren Hotelangestellte, vermieteten Zimmer, bedienten den Lift und die Telefonzentrale trotz unserer geringen Englischkenntnisse. Mein Onkel war der Wartungsmonteur, mein Vater der Hausmeister und meine Tante Zimmermädchen. Nach zwei Jahren mieteten unsere zwei Familien eine Wohnung und jeder von uns bekam einen Job. Ich arbeitete als erstes für eine Modeboutique, dann für eine Großhandelsfirma, bevor ich im Juli 1943 in die US-Armee eingezogen wurde. Ich verbrachte drei Jahre beim Militär, wurde auf die Philippinen entsendet und im April 1946 entlassen. Zu dieser Zeit ging ich zurück zu meiner Arbeit in der Großhandelsfirma und begann eine Abendschule zu besuchen um Buchhaltung zu lernen. Jeden Abend für drei Stunden zur Schule zu gehen, nachdem ich den ganzen Tag gearbeitet hatte, war nicht einfach, aber ich schaffte es und bekam mein Diplom.
In der Zwischenzeit heiratete ich meine Frau Rita. Sie ist ein deutscher Flüchtling, die elf Familienmitglieder in den Gaskammern verloren hatte. Ihr Vater war im Konzentrationslager Buchenwald und nach seiner Freilassung wurde er nie mehr wieder der selbe Mensch. Obwohl er in der Lage war Deutschland zu verlassen und nach San Francisco zu kommen, starb er im Alter von 56 an einem Herzinfarkt. Nach meinem Abschluss in Buchhaltung begann ich für den Staat von Kalifornien als Finanzprüfer zu arbeiten, stieg auf zum Abteilungsleiter und anschließend zum Steuerprüfer. Ich arbeitete 35 Jahre lang für den Staat von Kalifornien und ging 1987 in Pension. Ich habe zwei Söhne, einer ist Software-Ingenieur und lebt mit seiner Frau in unserer Nähe und der andere Sohn, der in Südkalifornien lebt, ist Doktor der Pharmazie. Wir haben drei Enkeltöchter, die älteste ist in ihrem ersten Jahr am College.

Ich bin jetzt 82 Jahre alt und habe all die Jahre, die ich in Amerika gelebt habe, genossen – trotz der frühen harten Zeit, die wir aushalten mussten. Frei zu sein unsere Leben in einem demokratischen Land zu leben, freie Meinungen zu haben und nicht um sein Leben fürchten zu müssen, ich schätze jeden Tag. Aber ich werde nie vergessen, was wir während des Nazi-Regimes erleiden mussten und was mit unseren Familien passierte.“

Sandra Kukla, Christa Freudenthaler, Petra Schartmüller und Karina Klambauer, INFOTEC PTS Pregarten

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