Diese Geschichte wurde im Projekt "3808 - Einladung" erstellt.
"Helfen, die Wunden der Vergangenheit zu heilen ..."
Eindrücke von Helen Dunn nach ihrer Rede am Wiener Heldenplatz.

Ich gedenke der Ermordeten, aber ich wende mich an die Jugendlichen Österreichs. Ich danke Ihnen dafür, dass sie sich mit dem Holocaust auseinander setzen und weise darauf hin, dass ein Genozid nur dann passiert, wenn Schweigen das Land durchdringt. Ich fordere sie auf, aufzustehen und sich gegen Vorurteile und Ungerechtigkeiten einzusetzen. Das ist alles, was ich sagen kann. Ich bin erschöpft von den Emotionen. Ich bete still, dass ich dem Andenken an meine Familie Gerechtigkeit widerfahren habe lassen.
Und dann, unerwartet, denke ich an einen anderen Tag, ein halbes Leben zuvor, als ich ebenfalls hoch oben stand, am Deck des Schiffes »Bremen«. Es ist der 4. August 1939, und ich schaue hinunter auf den weiten Ozean. Ich fahre nach Amerika, ganz allein, mit einem Schildchen um meinen Hals. Ich bin neun Jahre alt, und ich bin zu diesem Zeitpunkt der Flucht immer noch jung genug, um das Leben trotz des schrecklichen Verlusts ohne Schatten zu sehen.
Jetzt, da das Gedenken den Verlust bestätigt, ist es mir auch möglich, meine geliebte Familie der Vergessenheit zu entreissen und in ihrem Namen zu versuchen, mitzuhelfen, die Wunden der Vergangenheit zu heilen und für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt zu arbeiten.
Und so hoffe ich, als ich auf der Bühne am Heldenplatz stehe, dass ich meine Familie und die Familien, die hier zusammengekommen sind, vielleicht tatsächlich geehrt habe. Dies ist alles, was ich machen konnte.