Die letzten Zeugen - Das Buc

WALTER RANZENHOFER


 
 

WALTER
RANZENHOFER

geb. 1923-09-18
(verstorben)
lebte zuletzt in Österreich

Ermordete Verwandte


Diese Geschichte wurde im Projekt "Überlebende" erstellt.

Walter Ranzenhofer wurde am 18.September 1923 in Hollabrunn geboren. Er konnte 1939 nach London flüchten. Als Soldat der britischen Armee befreite er mit seiner Truppe 1945 das KZ Bergen-Belsen. Nach seiner Rückkehr nach Hollabrunn musste er erfahren, dass seine gesamte Familie im KZ ermordet worden war.

Erst durch "A Letter To The Stars" habe ich mit Großvater gesprochen

Walter Ranzenhofers Enkelin Elisabeth hat die Lebensgeschichte ihres Großvaters recherchiert und aufgeschrieben.

Mein Name ist Elisabeth Ranzenhofer und ich habe bereits im Band 1 von „A Letter To The Stars“ einen Beitrag geschrieben – über meine Urgroßmutter Rachel, die im KZ Izbica mit ihrem Mann und dem älteren Sohn ums Leben gekommen ist. Das einzige Familienmitglied, das den Krieg und den Holocaust überlebt hat, ist mein Großvater Walter. Ich habe natürlich ihn, meinen Großvater, als jenen Überlebenden ausgewählt, dessen Geschichte ich hier dokumentieren möchte. Durch „A Letter To The Stars“ haben wir eigentlich erst das erste Mal gemeinsam über den Krieg und die schrecklichsten Ereignisse in seinem Leben gesprochen. Er hat mir vieles erzählt, das unvorstellbar für mich ist. Er überlebte den Krieg nur mit sehr viel Glück, und ich glaube auch mit Gottes Hilfe. Aber jetzt zu seiner Geschichte...

Mein Großvater Walter Ranzenhofer wurde am 18. September 1923 in Hollabrunn als zweiter Sohn von Carl und Rachel Ranzenhofer geboren. Sein Bruder Erwin kam neun Jahre zuvor zur Welt. Walter besuchte die Volks- und später die Hauptschule in Hollabrunn. Danach ging er auf eine Schneiderakademie in Wien. Allerdings wurde diese Ausbildung vom NS-Regime beendet, denn bereits im Wintersemester der ersten Klasse marschierte Hitler ein. So wurde seine Schullaufbahn für immer unterbrochen.

Die gesamte Familie Ranzenhofer wollte nach Amerika emigrieren, denn dort lebte Rachels Cousin Franz Lederer, der im Jahr 1932 ausgewandert war und dort schon eine beachtliche Karriere als Schauspieler und Unternehmer gemacht hatte und den man auch heute noch kennt. Der Familie fehlte lediglich eine letzte Bescheinigung, die sie von ihrem Cousin erwartete. Dieser schickte sie allerdings zu spät weg und so wurden die Zukunftspläne zunichte gemacht.

Mein Großvater entschied sich dann nach langem Zögern nach London auszuwandern. Sein Bruder, der sich schon vor dem Krieg taufen lassen hatte, wollte nach Rom fliehen. Ihm ist die Flucht leider nicht gelungen, meinem Großvater Gott sei Dank schon. Im August 1939 kam er mit einem der letzten Flugzeuge in London an. Während dieser Zeit musste er die unmöglichsten Jobs annehmen, um sich über Wasser halten zu können. Zu Beginn arbeitete er auf einem landwirtschaftlichen Gut, wo die Bedingungen sehr schlecht waren. Danach arbeitete er auch als Hausboy der Generalswitwe Lady Pappington. An diese Zeit errinnert sich mein Opa aber noch gerne zurück.

Im Jahr 1940 musste er als „feindlicher Ausländer“ auf die Isle of Man flüchten, wo nicht nur Juden, sondern auch einige wenige Nazis lebten. Im April 1941 wurde er aufgrund Churchills Einsatz wieder entlassen. Danach nahm er wieder die verschiedensten Jobs an, bevor er sich freiwillig zur britischen Armee meldete. Er war unter anderem Teil jener Truppe, die das KZ Bergen-Belsen im Jahr 1945 befreite.

1946 ging mein Großvater zurück nach Österreich, wo er in seiner Heimatstadt Hollabrunn erfahren musste, dass seine gesamte Familie in einem KZ in Polen ums Leben gekommen war und dass seine Häuser arisiert worden waren. Er stellte 1947 den ersten Rückstellungsantrag, und nach dem zweiten wurde ihm sein Besitz wieder zurückgegeben.

Nach diesen schrecklichen Ereignissen begann mein Großvater wieder zu leben, er heiratete 1955 Alexandrine Hartmann und ein Jahr später kam mein Vater Johann zur Welt, drei Jahre danach meine Tante Elisabeth. Mein Großvater ist jetzt 80 Jahre alt und lebt noch immer in Hollabrunn. Für ihn wendete sich das Blatt sicher nochmals zum Positiven. Er konnte wieder zu arbeiten beginnen und gründete eine Familie. Allerdings wird er und werden wir nie vergessen, was während dem Krieg passierte. Auch wenn die Wunden teilweise schon verheilt sind, sitzen sie dennoch tief.

Elisabeth Ranzenhofer, Hollabrunn, 2005


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