Die letzten Zeugen - Das Buc

LILY PERRY


 
 

LILY PERRY

(früher Bickel)
geb. 1928-07-12
lebt heute in den USA


Diese Geschichte wurde im Projekt "Botschafter" erstellt.

Elke Berger, 16, Schülerin am BRG Traun in Oberösterreich, ist als Botschafterin der Erinnerung in New York der Überlebenden Lily Perry, 79, die 1938 aus Wien vertrieben wurde, begegnet.

Es war eine Zeit der Angst.

Über Nacht veränderte sich das Leben von Lilly Perry und ihrer Familie dramatisch.

Das erste Zusammentreffen mit Lily Perry. Ich erkenne sie sofort. Sie ist genauso wie ich sie mir vorgestellt habe. Eine nette und aufgeschlossene ältere Dame. Da wir uns aufgrund der Lautstärke leider nicht gut unterhalten können, beschließen wir, uns am Montag noch einmal zu treffen.
Mit einem Stapel alter Dokumente und Fotoalben unterm Arm holt sie mich vom Hostel ab und wir setzen uns in ein Cafe. Dort erzählt sie mir ihre Geschichte:

Lily Perry, geborene Bickel, kam am 12. Juli 1928 als jüngstes von 3 Kindern in Wien zur Welt. Gem einsam mit ihren älteren Geschwistern Josef und Charlotte und ihren Eltern lebte sie in einer kleinen Wohnung in der Dresdnerstraße 60 im 20.Bezirk. Ihr Vater besaß ein Lederwarengeschäft, in dem sich die Familie großteils aufhielt. Lilys Eltern wurden in Polen geboren und zogen später nach Wien. Zu Hause wurde deutsch, jiddisch und polnisch gesprochen, wobei Lily kein Wort polnisch beherrschte.
Die Familie führte ein sehr religiöses Leben. Feiertage waren wichtig und auch die Synagoge besuchten sie oft.  In der Schule musste sie beim Morgengebet zwar aufstehen, betete aber nicht mit. Oft vergnügte sich die Familie im jüdischen Theater.

März 1938. Sabbat. Jemand klopft an die Tür, um zu verkünden, dass Österreich nun zu Deutschland gehört. Der Anschluss hatte bereits stattgefunden.
Beinahe über Nacht veränderte sich das Leben für Juden dramatisch. Lily musste zuerst in einen anderen Klassenraum wechseln und anschließend sogar in eine Schule nur für Juden, was sie aber nicht tat, da diese zu weit weg war. Der Vater wurde gezwungen, Gehsteige zu putzen. Die Fenster seines Geschäfts beschmierten die Nazis mit „Jude“. SS-Leute marschierten durch die Straßen, Hymnen auf das Vaterland wurden gesungen. Es war eine Zeit der Angst und die Familie wusste, dass sie dieses Land so schnell wie möglich verlassen musste. Ihr Ziel war Amerika.
Lilys Onkel war Zahnarzt in den USA. Er musste für die Bickels bürgen, damit sie dem Staat nicht zur Last fallen. Doch dem Quotensystem der USA zur Folge hätten nur die 3 Kinder nach Amerika einwandern dürfen und die Eltern nicht, weil sie in Polen geboren wurden. Die Familie wollte sich aber nicht trennen und so kaufte Lilys Vater Visa für Shanghai und Südafrika. Das erwies sich später allerdings als unnötig, da er einen Beamten bestechen konnte und die Familie letztendlich doch gemeinsam in die USA einreisen durfte. Mit nur 30 Dollars in der Tasche und einem großen roten J für Jude im Reisepass verließen sie Österreich und fuhren von Frankreich aus mit dem Schiff Richtung Amerika.
Dort erhielt Lily Perry eine gute Ausbildung und lernte schnell Englisch. Im Jahr 1949 war sie bereits Lehrerin und unterrichtete Volksschüler. Sie sagt, sie habe den „american dream“ gelebt.

Lily Bickel heiratete schließlich den Arzt Dr. Alexander Perry. Dieser wollte nie über seine Vergangenheit sprechen, denn er war vier Jahre lang in einem Konzentrationslager. Viele seiner Familienmitglieder waren während des Nationalsozialismus getötet worden.
Das Ehepaar bekam zwei Söhne und eine Tochter. Heute lebt Lily Perry im New Yorker Stadtteil Jamaica. Ihr Ehemann Alexander Perry ist bereits verstorben. Sie hat fünf Enkelkinder.

Elke Berger, BRG Traun, Oberösterreich, März 2007

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