Die letzten Zeugen - Das Buc

THERESE UNGAR


 
 

THERESE UNGAR

(früher Jakon)
geb. 1923-12-02
lebt heute in Australien


Diese Geschichte wurde im Projekt "Überlebende" erstellt.

Therese Ungar wurde am 2.12.1923 in Wien geboren. Auf der Flucht wurde sie von den Deutschen aufgegriffen. Nach Zwangsarbeit in den KZ Auschwitz, Theresienstadt und Groß Rosen wurde sie im Mai 1945 befreit. Heute lebt Therese Ungar in Australien.

Mit meinem tätowierten Arm gehöre ich nicht mehr nach Österreich

Die Schülerin Anna Hahn aus dem BG Zwettl erforschte die Lebensgeschichte der KZ-Überlebenden Therese Ungar.

Als der Krieg begann, war die heute 80-jährige Therese Ungar 14 Jahre alt. Die erste Zeit war besonders schlimm für sie. Alle Freundinnen ignorierten sie plötzlich. Es war, als hätte sie über Nacht eine schreckliche, ansteckende Krankheit. Das musste sie ein ganzes Jahr aushalten. Im April 1939 mussten sie, ihr Bruder Walter und ihre Schwester Erika mit dem „Rot-Kreuz-Kindertransport“ nach Belgien fahren, wo sie bis zur Mobilisation Belgiens bei verschiedenen Familien wohnten.

Im Oktober 1940 wurde Therese in ein Flüchtlingslager in Marneffe gesteckt. Als dann die deutsche Armee auch dorthin kam, wurden sie, ihre Geschwister und viele tausend andere Menschen einfach auf die Straße gesetzt. Sie wanderten wochenlang durch Belgien und Nordfrankreich, immer in der Hoffnung, bis nach Calais zu kommen und England von dort per Schiff zu erreichen. Doch die drei hatten kein Glück. „Während eines Fliegerangriffes lagen wir im Graben am Rand einer Landstraße und ich versuchte, Erikas Kopf mit einer Tasche zu schützen. Aber sie wollte alles sehen, und ich schrie sie auf Deutsch an. Jemand hörte mich und wir wurden als ,Feinde’ verhaftet. Den Belgiern war es egal, ob wir jüdische Kinder oder Nazikinder waren ... wir sprachen Deutsch. Wir wurden in den unterirdischen Casamaten von Avesnes von marokkanischen Soldaten bewacht.“

Den drei Geschwistern gelang es, während eines Bombenangriffs zu flüchten. Sie kamen bis nach St. Quentin, wo sie wegen der deutschen Armee nicht weitergehen konnten. Die Deutschen kamen von Luxemburg und sperrten ihnen den Weg zur Küste ab. Das war der Anfang ihrer „Abenteuer“. Die Geschwister kamen nach 18 Monaten endlich wieder zu ihrer Mutter, Thereses Vater hatte schon im Jahr 1931 Selbstmord begangen. Therese Ungar beschreibt diese eineinhalb Jahre „nicht als Honiglecken“, aber im Vergleich zu den folgenden fünf Jahren war diese Zeit „geradezu ein Paradies“. Über den eigentlichen Verlauf des Krieges und die Aufenthalte in den KZ, die so voll von „Hunger, Brutalität, Kälte, Läusen, Prügeleien und Massenmorden“ waren, möchte sie nicht viel erzählen.

Von Mai 1941 bis Juli 1941 war sie Spargelstechen in der Nähe von Stendhal in Deutschland. Diese Arbeit war sehr anstrengend. Von Juli bis Dezember 1941 arbeitete sie bei der Familie Schröter in Salzwedel auf deren Landwirtschaft. Von Dezember 1941 bis September 1942 arbeitete sie als Näherin im Schneiderbetrieb der Familie Axmann in Wien. Dort musste sie Uniformen für die deutsche Armee anfertigen. Von Oktober 1942 bis Mai 1944 war sie im Ghetto Theresienstadt, wo sie in der Schneiderbaracke ebenfalls Uniformen für die Wehrmacht herstellen musste. Im Mai 1944 wurde sie mit vielen anderen in das KZ Auschwitz deportiert. Dort musste sie zwei lange Monate bleiben.

Nach dieser Zeit kam Therese in das „Außenkommando Christienstadt“ in eine Munitionsfabrik. Dort wurden verschiedene Experimente mit Dynamit gemacht, sie musste zum Beispiel Handgranaten füllen oder Wasserminen testen. Von März 1945 bis zur Befreiung im Mai 1945 war Therese in verschiedenen Lagern. Einige davon sind Groß Rosen, Flossenburg, Zwodau und Neurollau. Den Namen des Deportationslagers, in dem sie auf die Bewilligung der Russen wartete, die Demarkationslinie überschreiten zu dürfen, hat sie leider vergessen. Im September 1945 konnte sie endlich nach Wien zurückkehren und dort 1950 ihren Mann Kurt heiraten. Im Jänner 1951 emigrierten beide nach Australien.

Auf die Frage, warum sie erst so spät oder überhaupt nach Australien zog, obwohl der Krieg schon lange vorbei war, antwortete sie: „Bis 1938 war ich begeisterte Österreicherin, hatte viele Freunde in der Schule, jüdische und christliche, und ich war glücklich. Meine allerbeste Freundin Gertie war die Tochter eines Polizeibeamten. Mit ihr teilte ich alles: Geheimnisse, Freizeit, Nächte ... bis zum 12. März 1938. Da kam der Anschluss und über Nacht wurde ich ,aussätzig’. Niemand von meiner Familie wurde gegrüßt und wir wurden wie Dreck behandelt. Meine Mutter und ich liebten Gertie sehr und ich fühlte mich in ihrem Heim wie zu Hause. Gerties Vater trug sofort nach dem Anschluss das Armband mit dem Hakenkreuz. Gertie und auch andere Schulkollegen kannten mich plötzlich nicht mehr, dabei waren wir eine Gruppe gewesen ...

Diese Behandlung schmerzte viele Jahre. Das ist der Grund, warum ich nicht mehr in Österreich leben will. Die Österreicher enttäuschten mich zu sehr. Wir kehrten 1945 nach Wien zurück und es dauerte fünf Jahre, bis wir die Einreisebewilligung nach Australien bekamen ... deshalb verließen wir Wien erst 1951. Seitdem war ich zwei Mal in Österreich: 1982 und 1986. Ich muss gestehen, ich fühlte mich wie eine Fremde. Das Land ist herrlich, aber mit meiner tätowierten Nummer am linken Arm und mit meinen Erinnerungen gehöre ich nicht mehr dazu.“

Heute lebt Therese Ungar mit ihrem Mann Kurt, ihrer Schwester Erika und ihrem Bruder Walter in Australien. Bis 1992 lebte auch ihre Mutter dort. Therese hat eine Tochter, Evelyn, und drei Enkelkinder, Renée, Nicole und David. Thereses persönliches Lebensmotto nach all diesen furchtbaren Jahren ist: „Alle Menschen sind gleich. Wenn wir verletzt sind, ist all unser Blut rot. Die Welt ist ein herrlicher Platz!“

Therese Ungar ist ein sehr lieber Mensch, der es verdient hat, glücklich zu sein. Sie ist mir in der Zeit, in der wir Kontakt haben und hatten, immer mehr ans Herz gewachsen und spielt nun eine sehr wichtige Rolle in meinem Leben.

Anna Hahn, BG Zwettl, 2005


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