Die letzten Zeugen - Das Buc

FANNY ENGLARD


 
 

Diese Geschichte wurde im Projekt "Botschafter" erstellt.

Gordian Fraydenegg, Student, trifft als Botschafter der Erinnerung im März 2008 Fanny Englard in Israel.

Meine Erfahrungen in Israel

Unsere Reise nach Israel gehört für mich zu den spannendsten und beeindruckendsten  Erlebnissen meines Lebens. Trotz jeglicher Vorbereitung konnte ich vor der Reise nicht annähernd erahnen was für imposante Eindrücke mich erwarten würden. Das Land, die Menschen, der Umgang, die Kultur, die Geschichte und das Leben in Israel waren für mich in jeder Hinsicht anders, als ich es bis dahin gekannt hatte. Alle diese Eindrücke zu verarbeiten stellte sich, aufgrund des vielen Inputs, als große Herausforderung heraus.

Die Besonderheit des Staates liegt für mich vor allem in den zwei Gesichtern die es trägt. Auf der einen Seite gekennzeichnet von Kriegen, Konflikten und Problemen. Die permanente Anwesenheit von Militär, die Angst der Menschen, die festen und sich kontrastierenden Ansichten der Völker, die Art wie alte und junge Menschen ihren Standpunkt vertreten und für diesen kämpfen – alle das als Bestandteil des täglichen Lebens. Auf der anderen Seite Lebensfreude, Zukunftsvisionen und die herzlichen Menschen. Ich habe selten solche Offenheit und Freundlichkeit erlebt. Fremde laden uns in ihre Wohnung ein um uns einen Ausblick auf die Stadt Jerusalem zu ermöglichen, Fremde laden uns zum Mittagessen bei sich ein und bereiten uns in ihrer Wohnung Kaffee und Nachspeisen. Araber und Juden heißen uns gleichermaßen bei sich willkommen und am Anfang ist es einfach schwer zu begreifen, wie sich diese Völker nicht verstehen können.

Doch je länger ich dort bin, umso mehr erfahre ich über die Vergangenheit und über die dadurch entstandenen Konflikte der Gegenwart. Es ist schwer sich als Außenstehender eine klare Meinung zu bilden. Doch es ist beeindruckend, wie diese Kulturen auch miteinander Leben können und Ansätze für ein anhaltendes friedliches Miteinader zu sehen.


Das Ziel der Reise, die Begegnung mit Überlebenden des Holocaust, stand dennoch im Mittelpunkt. Bereits am ersten Abend durften wir Menschen begegnen, die in Gefangenschaft der Nazis waren, und sehen wie ihr Leben heute aussieht. Es sind Menschen, denen in ihrer Kindheit und Jugend schreckliches angetan wurde und die es geschafft haben, sich ein Leben aufzubauen. Es sind faszinierende Lebensgeschichten, von denen man viel lernen kann, an denen man sich orientieren kann. Sie teilten offenherzig Erfahrungen, Erkenntnisse, Warnungen und Erlebnisse mit uns, was ich für nicht selbstverständlich halte.

Yad Vashem, das Diaspora Museum die Festung Massada beim Toten Meer vermittelten mir sowohl einen historischen, als auch einen emotionalen Einblick in Geschichte des jüdischen Volkes. Es sind Stätten des Gedenkens und der Warnung, an die ich auch nach der Reise oft denke.

Als Christ kamen für mich zusätzlich die biblischen Schauplätze hinzu, die mir ein schwer beschreibbares Gefühl gaben. Vielleicht beschreiben Ehrfurcht, Faszination, Dankbarkeit und Respekt diese Gefühlsmischung am besten. Daher zähle ich auch den Ölberg, die Via Dolorosa und die Grabeskirche zu den vielen unvergesslichen Momenten dort.

Doch vor allem steht die Begegnung mit meiner Partnerin Fanny Englard. Diese starke Persönlichkeit hat so viel zu geben, dass es mir nicht leicht fällt alles aufzunehmen. Sie ist offen, ehrlich, überzeugt und großherzig. „Fanny macht aufmerksam, lehrt, mahnt, klärt auf, mischt sich ein, meldet sich zu Wort“ las ich über sie, bevor ich sie traf – all das stimmt. Doch mit welcher Motivation und Lebensfreude sie das tut, kann ich nur bewundern. Wir haben stundenlange Gespräche geführt und sie hat mir jede Frage beantwortet. Sie sammelt Artikel, Bücher, Briefe und Bilder um nicht nur ihre Geschichte, sondern auch die Geschichte des jüdischen Volkes und Israel zu erzählen. Der Mut zur Tat ist für sie wesentlicher Teil ihrer „Mission“ das Gedenken zu erhalten und zu warnen. Sie hat mich dazu aufgefordert, mich auch nach der Reise zu informieren, mir einen Standpunkt zu schaffen und diesen zu vertreten. Doch es fällt mir schwer diesen Anforderungen gerecht zu werden. Es fällt mir schwer mich neben meinem normalen Alltag für eine solch wichtige politische Sache stark zu machen. Natürlich erkenne ich genau darin das Problem des Staates Israels, denn wenn sich mehr Menschen mit der Situation befassen würden wäre auch die Moral des Volkes Israel gestärkt und würde vielleicht ihre Lage erleichtern. Doch der politische Konflikt mit den arabischen Völkern ist ein Konflikt der Paradigmen, wodurch es als Außenstehender schwer ist sich klar zu positionieren.

Ich habe während dieser Reise viel über andere Völker und Kulturen, über Menschen und Geschichte gelernt und Erfahrungen für mein Leben gesammelt.

Gordian Fraydenegg, 2008


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