Die letzten Zeugen - Das Buc

ILSE LOEB


 
 

ILSE LOEB

(früher Morgenstern)
geb. 1925-06-17
lebt heute in den USA

Ermordete Verwandte


Diese Geschichte wurde im Projekt "Botschafter" erstellt.

Michaela Rafetseder, 17, Schülerin an der BHAK Amstetten in Niederösterreich, ist als Botschafterin der Erinnerung in New York der Überlebenden Ilse Loeb, 81, begegnet, die aus Wien emigrieren konnte.

Jahre im Versteck in Holland

Ilse Loeb wurde am 17.Juni 1925 in Wien geboren. 1938 gelang es ihr mit einem Kindertransport Österreich zu verlassen und bei ihrem Cousin in Amsterdam unter zu kommen, die Jahre danach verbrachte sie im Versteck, ständig mit der Furcht entdeckt zu werden. Ihre Eltern sollte sie nach ihrer Flucht aus Österreich nicht mehr wieder sehen.

Ilse lebt nun schon mehr als 60 Jahre in den Vereinigten Staaten, sie ist eine nette lebensfrohe Dame, Gattin, Mutter und Großmutter. Wenn man ihr begegnet, würde man nie vermuten, welches Schicksal sie erleiden musste. Außergewöhnliche Menschen und viel Glück halfen ihr zu überleben.

Ilse wurde in Wien geboren, und lebte dort sehr glücklich mit ihren Eltern und ihrem Bruder, der 12 Jahre älter war als sie. Doch im Frühling des Jahres 1938, als Hitler auch Österreich zum Deutschen Reich anschloss, änderte sich von einer Stunde auf die andere ihr ganzes Leben. Schon im Sommer verlor ihr Vater, der so wie der Rest der Familie Jude war, seine Druckerei und war somit ohne Beschäftigung. Er stand oft in der Straße vor seinem ehemaligen Geschäft und weinte, sein Traum, den er sich erfüllt hatte, wurde innerhalb kürzester Zeit zerstört. In der Kristallnacht wurde Familie Loeb von ihrer Wohnung rausgeschmissen, ihr Bruder wurde mitgenommen und kam, wie durch ein Wunder, am nächsten Tag wieder zurück und auch die Familie konnte wieder in der Wohnung leben. Vater und Mutter Loeb erkannten, dass die Situation immer mehr und mehr eskalierte und entschlossen, nach Amsterdam auszuwandern- ANTRAG ABGELEHNT- sie durften nicht.

Nun gab es nur noch eine Möglichkeit: der Kindertransport für 15-Jährige oder 16-Jährige. So entschieden Ilses Eltern, dass sie diese Möglichkeit nützen sollte: Ilse fuhr mit dem Zug nach Amsterdam wo sie bei ihrem Cousin Edi Stark, den sie noch nie gesehen hat, leben sollte. Ihren Pass und 10 Mark - das war das einzige Hab und Gut, dassie bei sich hatte, als sie von ihren Eltern Abschied nahm. Es war ein Abschied für immer.

Bei der Abreise nahm ihr ein Offizier den Pass weg, weil er meinte, dass sie zu alt wäre um auszureisen. Sie war noch ein junges Mädchen, aber sie wusste, dass der Pass ihr „Schlüssel zur Freiheit“ war. Als Ilse sah, dass der Offizier aus dem Zug ausstieg, verließ auch sie den Zug und lief ihm hinterher. Sie flehte ihn an ihr den Pass zurückzugeben – erfolglos, er weigerte sich und sagte: „Du bist ein Jude - du bist nichts wert, du kannst von Glück sprechen, dass ich überhaupt mit dir rede!“. Als ein anderer Offizier kam, bat Ilse ihn, ob er ihren Pass zurückholen kann, was er schließlich auch schaffte. In dieser Zeit fuhr ihr Zug jedoch schon ab und so stand Ilse plötzlich alleine, umringt von Offizieren, am Bahnsteig. Mit den 10 Mark, die sie mitbekommen hatte, schrieb sie ihrem Cousin ein Telegramm, in dem sie ihn über die 3-stündige Verspätung informierte.

Sie wurde wie vereinbart vom Bahnhof abgeholt und lebte mit ihrem Cousin Edi. Die Situation beider war sehr kritisch, denn sie durfte nicht entdeckt werden. Nur bestimmte Zonen im Haus durften betreten werden, keine falschen Bewegungen, keine lauten Geräusche oder irgendwelche anderen Dinge, die auffällig sein könnten, beschränkten ihre Freiheit in ihrem Versteck enorm. Als sie eine starke Verkühlung hatte, durfte sie nicht laut husten, da sie sonst von den Nachbarn gehört werden konnte. So litt sie wochenlang an einer starken Verkühlung, da sie das Husten „runterschlucken“ musste.

Eines Tages wurde Edi von einem Polizisten, der die Deutschen selbst nicht mochte, 10 Minuten vor dem Erscheinen der anderen Offiziere gewarnt und so konnte Ilse sich gerade noch in letzter Minute verstecken. Beide erkannten, dass der weitere Aufenthalt von Ilse bei ihrem Cousin zu gefährlich war. Ihr Cousin arrangierte, dass Ilse bei einer anderen Familie außerhalb der Stadt versteckt werden kann. „Ich war 3 Jahre von Juni 1942 bis Mai 1945 Kriegsende in Holland versteckt. Die Familie wo ich 8 Monate versteckt war, hieß Vos und wohnte in Laren, ein Dorf in der Nähe von Amsterdam. Frau Johtje Vos ist 97 Jahre alt und wohnt heute sogar in Amerika. Im Frühjahr habe ich sie auch besucht. Unsere Bindung ist auch nach 60 Jahren noch unbeschreiblich stark“, erzählte mir Ilse im Interview.

Sie erinnert sich vor allem an den Winter 1944-45, der einer der kältesten des Jahrhunderts war. Die Versteckten lebten in einem Hinterhaus im Garten des Hofes, wo es kein Gas und keinen Strom gab. So gingen sie einige Male in der Nacht in den Wald um Bäume zu fällen, was ihnen einmal fast das Leben gekostet hätte. Als sie einen Baum fällten, fiel der nicht wie geplant in den Wald sondern auf die Straße kurz nachdem die Gestapo die Straße vorbei fuhr. Es handelte sich nur um wenige Sekunden, die ihr Leben retteten.

Über diese außergewöhnliche Familie produzierte Barbra Streisand den Film „Rescuers: Stories of Courage“.

Als das Kriegsende im Mai 1945 kam, glaubte Ilse, sie könnte nun endlich glücklich sein, da sie frei war. Doch sie hatte alles verloren gehabt, ihre Heimat, ihre Familie und ihre Freunde. Der letzte Brief ihrer Familie traf im Frühling 1942 ein, so wusste sie, dass nur noch ihr Bruder am Leben war. Er half ihr in die Vereinigten Staaten zu emmigrieren, wo sie ihren Mann Walter kennen lernte, mit ihm vier Kinder bekam und sich ein glückliches Leben aufbaute. Ihr Cousin Edi Stark nahm sich nach Kriegsende das Leben – weil er mit der Vergangenheit nicht umgehen konnte.

Ihr Leben im Krieg war gezeichnet von Wundern und glücklichen Zufällen. Sie war immer willensstark, hoffnungsvoll und tapfer. Sie hatte nach dieser Zeit im Versteck Tuberkulose, welche sie wundersamer Weise überlebte.

Nun ist sie 82 und ihr Gatte Walter 91 Jahre alt, beide erzählen laufend ihre Geschichten in Schulen und wollen nur Eines: Dass ihre Geschichten weitererzählt und niemals in Vergessenheit geraten.

Michaela Rafetseder, BHAK Amstetten, März 2007


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