Liste der Ermordeten


Folgende Informationen sind von Ignaz Goldmann verfügbar:

geboren am 27.07.1886 in Wien
letzte bekannte Wohnadresse
andere Wohnadresse(n)
Deportation von Wien nach Theresienstadt am 24.09.1942
gestorben - Todesdatum unbekannt -
Die Recherche wurde von Birgit, 17 Jahre, GRG11 geringergasse 2, übernommen.

Die Lebensgeschichte und wie die Recherche verlaufen ist:

Etwas über eine unbekannte Person herauszubekommen war schwieriger, als ich es erwartet habe. Die einzigen Daten, die ich am Anfang über Ignaz Goldmann gehabt habe, sind sein Geburtstag (27.7.1886), seine letzten Wohnadressen und die Daten über die Deportation in zwei Konzentrationslager gewesen. Da die letzte Wohnadresse die Simmeringer Hauptstraße 238, bin ich an einem sonnigen Nachmittag dorthin spaziert, weil es nicht weit von meinem Wohnort ist. Überraschender Weise ist an dieser Stelle das Schloss Concordia- ein gutes Restaurant mit schönen Garten. Dort gibt es auch eine Informationstafel über dieses Gebäude, die ich rasch durchgelesen habe um herauszufinden, ob dieses Schloss schon zu dieser Zeit gebaut war. In einen der ersten Absätze steht die Jahreszahl an der das Haus gebaut war und wirklich Ignaz Goldmann hat genau da drinnen mit 23 anderen Personen seine letzten vier Jahre in „Freiheit“ verbracht. Mein Professor hat aber auch seine vorige Wohnadresse (15,Diefenbachgasse 49-51/7/10) herausgefunden, und da meine Mutter früher in dieser Gegend gewohnt hat, bin ich mit ihr hingefahren. Es ist ein typischer Gemeindebau, der im Jahr 1931 fertig gestellt wurde und nach Herrn Skaret benannt wurde. Diese Wohnanlage sticht förmlich aus den anderen heraus, da die Fassade vermutlich erst vor kurzem neu verputz wurde und in einen rosa erstrahlt. Ich weiß, dass Ignaz dort acht Jahre in einer Wohnung mit seiner Frau und seiner Tochter gewohnt hat, bis sie 1938 ohne Grund gekündigt wurden. Die Goldmanns haben vor Gericht einen Einwand gemacht, der ihnen aber nichts gebracht hat. Von dort sind sie dann nach Simmering gezogen. Da ich noch gewusst habe, dass im Staatsarchiv noch einige Daten über Ignaz vorliegen, bin ich dorthin gefahren. Es war für mich unmöglich von den Beamten, der hinter einem großen Schreibtisch gesessen ist, eine brauchbare Information zu bekommen und habe darauf beschlossen auf diese Daten zu verzichten. Mein Vater allerdings, als ich ihm über Letter-to-the-Stars erzählte, ist so begeistert gewesen und hat mir dann diese Daten besorgt. Aus diesen haben sich meine Vermutungen bestätigt, Gisela Goldmann (eine geborene Gerstl) war Ignaz Frau und Frieda die Tochter. Weiters konnte ich erfahren, dass Ignaz Goldmann sich einen Kredit aufgenommen hat, 1938 nur einen Goldring und seinen monatlichen Lohn besessen hat und dass er ein Friedhofsdiener der israelitischen Kultusgemeinde war.
1942-mittlerweile war Ignaz schon 56 Jahre alt, wurde er nach Theresienstadt transportiert und zwei Jahre später nach Ausschwitz. Ich vermute, dass er dort nicht mehr lange gelebt hat, da er schon ein hohes Alter gehabt hat.
Dieses Projekt war einmal ein etwas anderer Geschichteunterricht und wirklich interessant.

Der Brief an den/die Ermordete/n :

Hallo Ignaz!

Es ist schwierig einen Brief an eine Person zu schreiben, die man noch nie in seinem Leben gesehen hat, die eine ganz andere Kultur hat, die in einer komplett anderen Zeit aufgewachsen ist und die man auch nie in seinem Leben kennen lernen wird. Ich würde mich jetzt fragen, „Warum schreibst mir dann ein 17-jähriges Mädchen einen Brief?“. Es gibt viele Gründe dafür. Einer davon ist, dass wir doch einiges gemeinsam haben: Träume, Wünsche und Ideen, aber auch die Vergangenheit. Du hast sie erlebt und durch dich oder besser mit dir habe ich sie heute erleben können. Von ein paar Fakten über dich bin ich ausgegangen, doch mit der Zeit habe ich mit den Fakten einen Rahmen gebildet und mit dessen Hilfe ein Bild über deine Person bekommen. Ich werde niemals alles über dich herausfinden, aber das ist auch gar nicht notwendig, weil man nie alles über eine Person wissen kann. Es gibt immer Geheimnisse, die andere von einem nicht erfahren.
Erst jetzt fällt mir auf, dass ich dich mit „du“ anspreche, obwohl du schon ein älterer Herr warst, als du den zweiten Weltkrieg erlebt hast. Ich hoffe aber, dass es dir nichts ausmacht. Ich versuche mir dein Leben so realistisch wie möglich vorzustellen und dich als „lebende“ Person zu vergegenwärtigen.
Ich denke gerade an die Situation, als du aus deiner Wohnung geworfen wurdest. Zuerst bekommst du eine Kündigung, du erhebst Einspruch darauf und musst trotzdem die Wohnung verlassen. Eine Wohnung die du erst vor 8 Jahren bezogen hast und die damals sicher nicht zu den schlechtesten Wohnungen gehört hat. Wer hat sich schon Zimmer, Küche, Kabinett, Vorraum und Balkon leisten können? Es muss so erniedrigend gewesen sein, dass du mit deiner Familie ohne Grund gekündigst wurdest und dir eine Wohnung mit 24 anderen Menschen teilen hast müssen. Ich kann mir das gar nicht wirklich vorstellen auf Dauer mit so vielen anderen Personen zusammen zu leben. Nirgends ist ein freies Plätzchen zum Ausruhen, nirgends ein Ort zum Nachdenken, nirgends ein Raum für Privatsphäre. Schrecklich!! Das ganze vier lange Jahre lang aushalten, kann ich mir persönlich überhaupt nicht vorstellen. Es wäre sehr interessant einen Tag mitzuerleben. Ich stelle es mir so vor, dass in der Früh ein paar Frauen zusammen das Frühstück gemacht haben und dann alle miteinander gegessen haben, darauf haben alle ihre Sachen gepackt und sind zur Arbeit gefahren. Zumindest diejenigen, die noch eine Stelle hatten. Am Abend dann gab es wiederum ein gemeinsames Abendessen und man erzählte sich kurze Anekdoten, die einem über den ganzen Tag verteilt, passiert sind. Wenn ich ehrlich bin, glaube ich selber nicht wirklich daran, was ich gerade beschrieben habe. Vielleicht gab es ein paar solche Tage, aber sicher nicht viele. Das waren bestimmt Ausnahmen. In Wahrheit wird es eher so ausgesehen haben, dass jeder für den überstandenen Tag dankbar war und zugleich sich aber auch schon vor dem kommenden Tag fürchtete.
Irgendwie ist es ironisch, dass heute wo du damals gewohnt hast ein Restaurant ist. Es nennt sich Schloss Concorida. Ich bin mir aber sicher, dass so gut wie niemand weiß, was früher dort war und geschehen ist. Selbst ich habe keine Kenntnis darüber gehabt, was sich damals in Simmering so abgespielt hat. Ich lebe mittlerweile schon fast 17 Jahre hier und habe erst jetzt herausgefunden, dass so viele Menschen hier gewohnt haben, die verfolgt waren und nur wegen ihrem Glauben ausgestoßen wurden.
Einer der schlimmsten Tage in deinem Leben muss der Transport nach Theresienstadt gewesen sein. Du hast alles zurücklassen müssen, all deinen Besitz, alle deine Freunde, alle deine Lieben. Ich stell mir das so fürchterlich vor. Das ganze hast du zwei Jahre später noch einmal durchmachen müssen. Wie schrecklich!! In einen Viehwaggon gepfercht wirst du nach Polen in das Konzentrationslager Auschwitz/Birkenau transportiert. Es scheint heute irreal, dass du in hölzernen Baracken, wo es nicht einmal Fenster gab, schlafen musstes. Du wurdest gezwungen in zweistöckigen Betten auf Strohsäcken mit bis zu acht anderen Menschen zu schlafen. Du hast so viel grausames gesehen. So viele Menschen, die wegen einer Krankheit starben, die man ohne weiters mit Medikamente behandeln hätte könne, aber es gab zu wenig davon und viel zu wenig zu essen.
Ich hoffe, dass niemand und zu keiner Zeit unter solchen abscheulichen Bedingungen leben muss. Wir haben hoffentlich aus der Vergangenheit gelernt und dürfen zu keinem Zeitpunkt mehr andere Menschen als minderwertigere Menschen ansehen.


Birgit

Der Brief an die Zukunft (stieg am 5. Mai 2003 an einem Luftballon gebunden in den Himmel):

Es ist unmöglich alle Daten und Fakten über den Krieg zu lesen und zu verstehen. Man kann es auch überhaupt nicht nachempfinden, warum so viele Menschen es zugelassen haben, dass Freunde, Bekannte oder sogar Verwandte getötet werden. Natürlich weiß ich, dass jetzt niemand die Verantwortung darüber übernehmen kann, da eigentlich niemand daran Schuld trägt und wiederum auch alle. Alle, die es zugelassen haben, dass so etwas schreckliches passiert. Alle, die einfach nur dagestanden haben und nicht wussten, was sie tun sollen. Alle, die es als ihre Pflicht sahen, dem „Führer“ zu dienen. Alle, die die still und heimlich versuchten anderen zur Flucht zur verhelfen, das Leben von Nicht-Ariern in kleinster Weise nur zu erleichtern oder bei den Verspottungen und Demütigungen nicht mitgemacht haben, sind für mich Helden. Es war damals quasi unmöglich sich gegen dieses Regime aufzuwenden oder es zu kritisieren. Wer würde auch leichtfertig sein Leben riskieren? Jeder, der anders handelte als vorgeschrieben, wurde schon unter die Lupe genommen und eventuelle sogar von Freunden verraten. Niemand konnte sich mehr auf einen anderen verlassen oder diesen blindlings vertrauen. Es ist eine schreckliche Vergangenheit mit der wir bis heute leben und niemals vergessen werden. Leider haben noch nicht alle daraus gelernt, weil es immer noch Länder gibt, in denen andere als Minderwertig angesehen werden. Irgendwann werden auch diese Völker lernen, dass das sicherlich nicht der richtige Weg ist um in Frieden miteinander zu leben. Ich hoffe nur, dass sie nicht vorher genauso abscheuliche Dinge durchmachen müssen, wie die Menschen hier in Europa.
Dieses Projekt ist eine großartige Idee, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Jeder nimmt sich einer ganz bestimmten Person an und recherchiert über dessen Leben. So bekommt man einen ganz individuellen Eindruck von dem Leben damals und nicht nur es was so und so und so. Ein Einzelschicksal wird unter die Lupe genommen und man versucht nachzuvollziehen, wie dieser Mensch sich in der damaligen Lebenssituation gefühlt hat. Ich werde niemals in meinem Leben dieses Projekt vergessen und jedes Mal, wenn ich bei dem Restaurant Concordia vorbeigehe, werde ich an Ignaz Goldmann denken. Daran, dass er mit 24 anderen Personen vier Jahre seines Lebens dort verbracht hat und nur fünf dieser Personen überlebt haben.
Ich hoffe, dass die Vergangenheit in der Zukunft nicht vergessen wird und wir daraus lernen.

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