Liste der Ermordeten


Folgende Informationen sind von Fritz Grünbaum verfügbar:

geboren am 07.04.1880 in Brünn
letzte bekannte Wohnadresse
andere Wohnadresse(n)
Deportation von Dachau nach am 24.05.1938
gestorben in Dachau am 14.01.1941
Die Recherche wurde von elisabeth, pädak, übernommen.

Die Lebensgeschichte und wie die Recherche verlaufen ist:

Liebes ltts-team,
Zunächst herzlichen Dank und meine Gratulation zu Montag 5. Herzlichen Dank für das Engagement und die sicher unbändige Arbeit,
Glückwunsch zum Ablauf. Mich hat die ganze Veranstaltung sehr berührt - auch mit den kleinen Pannen.
Ich habe einige Fotos gemacht, aber ihr werdet sicher genug Profi-Material haben.
An der Pädak und in meinem Seminar ist die Arbeit recht gut gelaufen, nur sind wir vom
Zeitbudget ziemlich eingeschränkt. Wir haben eine bereits bestehende Biografie bearbeitet,
Texte in verteilten Rollen gelesen, Musik und Texte im O-Ton gehört. Meine Studierenden haben
dann mein Angebot angenommen, mehrere Textsorten auszuwählen und wir haben daher auch
zwei "Gedichte" verfasst. Schließlich war er "Texter"! In Vertretung habe ich 6 Briefe (!)
weggeschickt. Meine Damen und Herren waren im Praktikum und konnten nicht weg. Von diesen
6 gebe ich die Biografie, den Brief an die Zukunft und den Brief an Fritz Grünbaum selbst ein.
Wir arbeiten immer im 2. Semester im Archiv, also wir machen "auch weiter". Vielleicht bleiben
wir im Kontakt. Liebe Grüße Elisabeth Buxbaum

Thomas Novak, Lehrer und Studierender der Päd. Ak. des Bundes, Wien 10

IN MEMORIAM Fritz Grünbaum
Geboren wird Fritz Grünbaum am 7. 4. 1880 in Brünn. Er durchlebte eine behütete wie
unbeschwerte Kindheit. Nach Besuch der Volksschule absolvierte er mit guten Leistungen
das deutsche Gymnasium in Brünn und maturierte 1899. Fritz Grünbaum zieht nach Wien
um Jus zu studieren und promoviert 1904 zum Magister. Während seines Studiums verdient
er seinen Unterhalt durch zahlreiche Nebenjobs, bis er eher zufällig im Kabarett
"Hölle" seine Karriere als Komiker beginnt Zudem verfasste er Texte zu Operetten von
Robert Stolz. Er geht nach Berlin und arbeitet im "Chat noir"; 1910 kehrt er nach
Wien zurück und unterhält im "Simpl".
Fritz Grünbaum ist ein kleiner und sehr zierlicher Mann mit scharfem Verstand und
spitzer Zunge, der mit seiner Arbeit Ansehen und Wohlstand erlangt. U. a. unterhält
er eine schöne und reiche private Bibliothek in seiner Wohnung in der Rechten
Wienzeile 27. Er spendet Geld für wohltätige Zwecke und reist gerne in die
Sommerfrische.
Er heiratet, lässt sich alsbald wieder scheiden, um 1916 Maria Ruth Drexl zu
ehelichen - es folgt die neuerliche Scheidung. 1919 heiratet Fritz Grünbaum
in 3. Ehe Elisabet Herzl.
Die Kriegsbegeisterung des Ersten Weltkrieges zieht an ihm nicht spurlos
vorüber. Er meldet sich als Freiwilliger.
Nach dem Krieg folgen weitere Arbeiten mit Robert Stolz; er pendelt zwischen
Berlin und Wien. Er lernt zu jener Zeit Karl Farkas kennen, und beide
begründen die Doppelconference, in der Farkas "den Gescheiten" mimt. Es
folgen unter anderem Auftritte im Theater an der Wien, im Ronacher und
in den Kammerspielen.
1927 unterzeichnet Grünbaum "Die Kundgebung des geistigen Wiens" (Ver-
einigung der [linken!] Intellektuellen von Wien) und macht Werbung für
die Sozialdemokraten.
1930 veröffentlicht er eine Gedichtsammlung, schreibt Texte für Filme
und verdient sich als Schauspieler in kleinen Rollen sein geld.
Fritz Grünbaum macht politisches Kabarett - eine Tatsache, die ihm
als Jude doppelt zum Verhängnis wird, die er aber nicht wahr habenwill,
da er doch im Ersten Weltkrieg mit der "Großen Silbernen Tapferkeits-
medaille" ausgezeichnet wurde. Noch vor dem Einmarsch der Nazis in
Wien im Jahre 1938 dürfen Farkas und Grünbaum das "Simpl" nicht mehr
betreten. Farkas gelingt die Flucht, Grünbaum will nach Bratislava
reisen, wird an der Grenze zurückgewiesen, kommt ins Gefängnis - wo
er Bruno Kreisky kennenlernt.
Fritz Grünbaum wird ins KZ Buchenwald deportiert, wird gequält,
erniedrigt und körperlich gezüchtigt. Er erkrankt aufgrund seiner
schwachen körperlichen Konstitution, wird ins KZ Dachau überstellt.
Die Vermittlungsversuche seiner Frau bleiben erfolglos.
Fritz Grünbaum kommt 1941 im KZ Dachau zu Tode, seiner Frau wird
die Urne mit seiner Asche in Rechnung gestellt.

Der Brief an den/die Ermordete/n :

Robert Ehrgang, Student der Päd. Ak. des Bundes, Wien 10

An Fritz Grünbaum
Im Himmel
(In welchem Himmel?)
Es gibt nur einen!

Lieber Fritz Grünbaum!
Ich möchte Ihnen diesen persönlichen Brief schreiben, und ich wollte es
zuerst in Reimform tun - aber dies fällt mir, obwohl ich es sonst ganz gut kann,
diesmal allzu schwer. Denn nur Sie selbst hatten die unglaubliche Fähigkeit,
in Freud' und Leid und vor Freund und Feind, zu dichten, zu witzeln, zu
spötteln ... kurzum: geistreich die Wahrheit zu sagen. Selbst in Todesgefahr!
Lieber Fritz Grünbaum, wir haben im Fach Geschichtsdidaktik an der Päd.
Akademie des Bundes in Wien, die ich derzeit besuche, um Hauptschullehrer
zu werden, Ihr Leben besprochen. Auch die von KZ-Überlebendeen geschilderte
furchtbare Tat der SS-Schergen, die damals Ihre Zunge buchstäblich
"zertreten" wollten. Es ist ihnen nicht gelungen! Ihre Zunge hat bis zum
Schluss nicht geschwiegen ... und Aussprüche von Ihnen, Herr Grünbaum,
haben überlebt.
Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass wir auch heute wieder lausige Zeiten
haben, auf die so manche Ihrer Gedanken und Zitate haarscharf passen -
es ist ganz schön kalt geworden in der Politik, im sozialen Gefüge, im
Miteinander der Menschen in diesem Land.Es gibt wieder Schlangen vor den
Arbeitsämtern, zynische Parolen und eine "Spaßgesellschaft", die die Augen
nur allzu gerne (und allzu lange?) verschließt. Das Leben ist, so glaube
ich, diesmal nicht bedroht - aber die Seelen der Menschen sind es!
Lieber Fritz Grünbaum! Ich möchte Ihnen aber auch sagen, dass es zum Glück
immer wieder, in jeder Generation, mutige Menschen, mutige Künstler, mutige
Autoren und Moderatoren gibt. Die haben heute oft sogar eigene Kolumnen in
den Zeitungen. Ob's was bewirkt? Wir werden sehen. Aber wie gesagt, es gibt
auch heute Widerstand - und das ist gut so!
Ich hoffe sehr, dass ich als Lehrer meinen Teil dazu beitragen kann, dass wir
alle wieder einmal das Steuer herumreißen können. Und dass ich auch
persönlich nicht zu jenen (gerade unter Lehrerinnen ind Lehrern weit ver-
breiteten Spezies) gehören werde, die vor lauter stummem Kopfnicken schon
eine ganz verbogenen Wirbelsäule und vor lauter Sich-auf-die-Zuinge-beißen
und Nichts-sagen schon ein ganz taubes Gefühl im Mund haben. Ob ich so
mutig und tapfer sein werde wie Sie, lieber Fritz Grünbaum, das kann ich
nicht versprechen. Da haben Sie uns allen, die wir uns Ihnen verbunden fühlen,
die Latte sehr hoch gelegt. Aber ich werde mein Bestes tun, das verspreche ich.
Sollte der Himmel, wie in vielen Religionen versprochen, ein einziger großer
bunter Abend sein,dann sind Sie, da bin ich mir ganz sicher, einer der
Conferenciers. Und selbst der liebe Gott wird über Ihre Späße lachen und
hoffentlich über den wahren Kern Ihrer Witze nach dem ersten herzhaften
Schenkelklopfen ernsthaft nachdenken...
Ich weiß, heute schreibt man am Ende eines Briefes lapidar und unver-
fänglich: "Mit freundlichen Grüßen..."
Ich schreibe Ihnen absichtlich:
Hochachtungsvoll
Robert Ehrgang

Der Brief an die Zukunft (stieg am 5. Mai 2003 an einem Luftballon gebunden in den Himmel):

Dagmar Schulz, Lehrerin und Kontaktstudentin der Päd. Ak. des Bundes, Wien 10

An Fritz Grünbaum
Um sich mit der Zukunft beschäftigen zu können, sollte man zunächst seine Vergangen-
heit kennen. In diesem Fall ist es eine Vergangenheit, die bei mir vor allem Scham auslöst.
Scham darüber, welche niedrigen Instinkte in vielen von uns schlummern, Scham darüber,
wieviel Feigheit und Habgier, Grausamkeit und auch Banalität es möglicht gemacht haben,
einen Menschen wie Fritz Grünbaum zu quälen, zu demütigen und schließlich zu töten.
Auch Fritz Grünbaum hat Fehler gemacht. Sein Fehler war es vor allem, seine
Gegener zu unterschätzen. Er war ein Meister des feinen Humors. Seine Wortspiele,
seine Eloquenz, seine Intuition gaukelten ihm selbst Unangreifbarkeit und Unver-
wundbarkeit vor. Er hatte nicht mit der konsequenten Perfidie seiner Gegener
gerechnet, die ihm schließlich zum Verhängnis wurde.
Viele Menschen lachten über seine Doppelconferencen, über seine Libretti und
Revuen. Viele Menschen freuten sich über seine Liedtexte und - wer weiß -
vielleicht kannten seine Peiniger auch das "Fräul'n Helen" und den "Über-
zieher". Er war sich nicht zu schade gewesen, Texte zu schreiben, die alle
verstanden.
Fritz Grünbaum war aber auch ein politischer Mensch gewesen, der die welt-
offene Atmosphäre des Roten Wien schätzte und sich auch öffentlich dazu bekannte,
als die Repressionen einsetzten. Er war ein Mensch, der auch noch politisches
Kabarett wagte, als es längst lebensgefährlich geworden war. Er war einer jener
menschen, die Wien aus der provinziellen Muffigkeit befreien konnten, in die es
später wieder zurück fiel.
Welche Lehren sollen wir nun für die Zukunft aus der Beschäftigung mit dem Leben
von Fritz Grünbaum ziehen?
Ich denke, zunächst ist es sehr wichtig wachsam zu sein, wachsam gegenüber
allen Tendenzen, die rassistische, faschistische, menschenverachtende Inhalte
zu "normalisieren" versuchen. Wichtig ist auch der Kampf gegen den
Geschichtsrevisionismus, eine "Idee", die leider niemals ausstirbt. ich
glaube es ist auch wichtig, in Zukunft seine Gegener nicht zu unterschätzen.
Ich bin nicht der Meinung, dass man die Vergangenheit auf sich beruhen lassen
sollte.
Ich möchte mich daher in aller Form bei Fritz Grünbaum und allen anderen
Verfolgten des NS-Regimes sowie des austrofaschistischen Ständestaates,
denen auch in der Zweiten Republik nicht jene Rehabilitation, die sie
verdient hätten, vergönnt hat, entschuldigen. Ich fühle mich schuldig als
Enkeltochter von TäterInnen und MitläuferInnen und mir ist wohl
bewusst, dass diese Schuld eigentlich nicht vergeben werden kann.
Vielleicht ist es ein kleiner Trost, dass die Nazischergen in all ihrer
Brutalität dennoch nicht die Erinnerung an den Humor dieses kleinen
Mannes zertreten konnten.
Auch für die Zukunft können uns Widerspruchsgeist, Humor und die feine
Klinge der Sprache von großem Nutzen sein.
Arbeiten wir gemeinsam daran, dass nicht wieder die Gewalt über den
Geist triumphiert!

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