Liste der Ermordeten


Folgende Informationen sind von Oskar Mautner verfügbar:

geboren am 06.10.1883 in Brünn
letzte bekannte Wohnadresse
andere Wohnadresse(n)
Deportation von Brünn nach Theresienstadt am 04.04.1942
gestorben in Dachau am 31.12.1944
Die Recherche wurde von Ina, Steffi, Kaja, 16 Jahre, Gym St.Ursula Wien 23, übernommen.

Die Lebensgeschichte und wie die Recherche verlaufen ist:

Dr. Oskar MAUTNER, Arzt und Sanatoriumsbesitzer in Perchtoldsdorf

Ab 1927 scheint Dr. Oskar Mautner (* 06. 10. 1883 Brünn, Mähren/Brno, ÈR, dep. 04. 04. 1942 KZ Brünn-Theresienstadt/Terezin, ÈR gest. 31. 12. 1944 KZ Dachau) als Besitzer des „Waldsanatoriums“ in der Sonnbergstraße Nr. 93 auf. Dr. Oskar Mautner betrieb auch das „Altvater-Sanatorium“ in Freiwaldau-Gräfenberg, ÈSR/Jeseník, ÈR). Der Führer von Perchtoldsdorf: Perchtoldsdorf. Die an Naturschönheiten reiche Perle des Wienerwaldes (Perchtoldsdorf, 1930, S. 19f) beschreibt das Sanatorium folgendermaßen:

An einem der schönsten und klimatisch günstigsten Punkte, hoch über dem Orte, am Abhang des Sonnberges gelegen und durch diesen gegen Norden geschützt, ist hier im Jahre 1926/27 ein prachtvolles, modernst eingerichtetes Sanatorium neu erbaut [sic!] worden. Dr. Oskar Mautners Waldsanatorium, Perchtoldsdorf bei Wien. Telephon: Atzgersdorf 653. Das Sanatorium ist eine physikalisch-diätische Heilanstalt und mit sämtlichen Hilfsmitteln der modernen ärztlichen Behandlung für innere und Nervenkrankheiten augsestattet. Wegen des hervorragenden milden und trockenen Klimas kommt es auch für alle Erkrankungen der Atmungsorgane in Betracht. Der ärztliche Leiter legt insbesondere auf eine streng individuelle Behandlung den größten Wert, was er durch genaueste Einteilung der Lebensweise jedes ihm anvertrauten Kurgastes zu erreichen sucht; der Regelung der Diät bei allen Erkrankungen des Stoffwechsels und der Verdauungsorgane wird die größte Sorgfalt gewidmet. Zu den Kurbehelfen gehören auch die gesamten Hilfsmittel der Hydrotherapie, die insbesondere für Nervenkranke ebenso wichtig sind wie die elektrotherapeutischen Heilbehelfe, mit welchen das Sanatorium modernst ausgestattet ist.

Bei der Inneneinrichtung des Hauses wurde alles vorgesorgt, um den Kurgästen jede Bequemlichkeit bieten zu können. Sämtliche Stockwerke sind durch einen auch für Betten benützbaren Personenaufzug verbunden. In allen Zimmern befindet sich fließendes kaltes und warmes Wasser, sowie Radioanschluß; viele Zimmer sind auch mit privaten Bädern und Toiletten sowie Wiener Staatstelephon versehen. Eine modern eingerichtete Warmwasserheizung sorgt im Winter für eine gleichmäßige Temperatur in allen Räumen. Große, aussichtsreiche Hallen, sowie Spiel- und Musikzimmer, in denen sich ein lebhaftes gesellschaftliches Treiben entwickelt, tragen für die Bequemlichkeit und gesellige Zerstreuung der Kurgäste Sorge; ebenso sind Tennisplätze, Familienschwimmbad, Kegelbahn usw. vorhanden. Bei Reunions kann auch dem tanzvergnügen gehuldigt werden, auch finden wöchentlich Konzerte statt. – So eignet sich das Waldsanatorium Perchtoldsdorf unter der bewährten Leitung seines neuen Besitzers Dr. Oskar Mautner (gleichzeitig Besitzer und Chefarzt des bekannten Altvater-Sanatoriums, Freiwaldau-Gräfenberg, È. S. R.) insbesondere für innere, Nerven-, Herz- und Stoffwechselkrankheiten, Rekonvaleszenten und Erholungsbedürftige durch das gleichmäßige milde Klima und sämtliche Heilbehelfe.


Die weitere Entwicklung ab 1938:

Auf Anfrage des NS-Bezirkshauptmannes von Hietzing-Umgebung Cischini über den Ärztestand in Perchtoldsdorf stellte der NS-Bürgermeister Karl Sänger in einem Schreiben vom 18. Mai 1938 fest, daß im Waldsanatorium Perchtoldsdorf [...] im ärztlichen Personal und in der Leitung noch keine Veränderung vorgekommen sei.

Daneben erging an alle Bürgermeister von seiten der Bezirkshauptmannschaft Hietzing-Umgebung am 29. August 1938 die Weisung, ein Verzeichnis der jüdischen Gewerbebetriebe anzufertigen und vorzulegen. Zur besseren Verwertung (nach der Enteignung) sollte neben dem Namen des Gewerbetreibenden und der handelsrechtlichen Form des Betriebes in eigenen Spalten auch die genaue Angabe über den Gegenstand des Gewerbes, die Anschrift, der Eintragungsgrund in das Gewerbeverzeichnis und, besonders wichtig, die Größe des Betriebes, die Zahl der Angestellten und der Niederlassungen angegeben werden. Unter der Rubrik Dr. Oskar Mautner fand sich folgender Eintrag :

Firma, Name Gegenstand des Gewerbes Eintragungsgrund und Bemerkungen
des Gewerbetreibenden

Dr. Oskar Mautner Sanatoriumsbesitzer Inhaber Jude (dzt. im Ausland)
Komm. Verw. Karl Sänger

Diese Liste gelangte auch am 25. November 1938 zur Bezirkshauptmannschaft für den XXIV. und XXV. Bezirk in Mödling gemäß der Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben vom 12. November 1938 (RGBl. I., S. 1580). Diese Verordnung besagte, daß Juden mit 1. Jänner 1939 endgültig aus dem Einzelhandel, dem Handwerk und dem Marktverkehr endgültig ausschieden. Für Perchtoldsdorf und das Waldsanatorium war dies indessen nicht mehr von Belang: ein handschriftlicher Aktenvermerk am Verzeichnis jüdischer Gewerbetreibender in Perchtoldsdorf bemerkt lakonisch: Am 19. IX. 1938 durch die Polizei Bericht erstattet (SS), daß sich hierorts nur mehr arische Betriebe befinden. Die Dr. Gorlitzer-Gasse wurde in Herbert Norkusstraße umbenannt.

Die Geschichte des Sanatoriums bis zum Erwerb durch die Wiener Gebietskrankenkasse

Während der Kriegsjahre diente das Sanatorium als Lazarett für verwundete Soldaten der Deutschen Wehrmacht. Nach dem Einmarsch der Roten Armee in Perchtoldsdorf im April 1945 wurde das Waldsanatorium als Lazarett von den Sowjets übernommen und nach Auflassung des zweiten Lazaretts in der Waldschule mit Schulbeginn 1945/46 im Vollbetrieb geführt.

Ab dem Jahre 1949 betrieb die heutige Wiener Gebietskrankenkasse (damals Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte) im Gebäudekomplex des Waldsanatoriums ein Rekonvaleszentenheim. Wie aus einem Schreiben vom 21. September 1949 (Anhang 1) zweifelsfrei hervorging, schienen als Liegenschaftseigentümer Frau Anna Mautner, Wien, Witwe nach Dr. Oskar Mautner, und deren Sohn, Viktor Mautner, Prag, ÈSR auf. Der Betrieb des Rekonvaleszentenheims dürfte davon gänzlich unberührt verlaufen sein. Mit Schreiben vom 30. Juli 1952 teilte die Gebietskrankenkasse mit, das Objekt am 9. Mai 1952 käuflich erworben zu haben.

Dr. Oskar Mautner flüchtete mit seiner Frau Anna und den beiden Söhnen vermutlich nach Brünn und wurde von dort am 4.4.1942 in einem 3. Klassezug mit an die 1300 Menschen nach Theresienstadt deportiert. Von dort kam er nach Auschwitz und anschließend nach Dachau, wo er am 31.12.1944 im Alter von einundsechzig Jahren starb.

Anhang:

Schreiben des Rechtsanwalts Dr. Karl Lamaæ, gerichtl. beeideter Dolmetscher der tschechischen Sprache, Wien I., Falkestraße 6/II, an die Wiener Gebietskrankenkasse, vom 21. 9. 1949.


Der Brief an den/die Ermordete/n :

Lieber Oskar!
Mich hat dein Schicksal sehr erschüttert, besonders weil ich bei den Recherchen entdeckt habe, dass du ganz in meiner Nähe gewohnt und gearbeitet hast! Deine Arbeit war dein Leben und ich bin mir sicher, dass du gut warst in deinem Beruf. Zumal wir heute noch immer etwas von deinem Lebenswerk haben. Wenn uns auch nicht bewusst ist, dass wir selbst den Gründer dieser wertvollen und erfolgreichen Organisation ums Leben gebracht haben, und das nur weil du eine andere Religion und damit verbundene Traditionen gepflegt hast. Du warst Arzt, auf dieser Erde um anderen Menschen Tag ein Tag aus zu helfen und als Dank wurdest du selbst verurteilt, gefangengenommen, weggebracht und schließlich ermordet. Es tut mir weh solche Dinge zu lesen und zu erfahren, denn dann muss ich immer erkennen, dass diese Welt nicht so unschuldig und heil ist wie sie oft den Eindruck macht. Es tut mir im wahrsten Sinne des Wortes leid was dir und Millionen anderen Familien in dieser schrecklichen Zeit voller Hass und Sturheit wiederfahren ist. Hiermit möchte ich mich entschuldigen, für all das Grausame und Böse, das euch Juden und Minderheiten passiert ist und hoffen, dass es noch mehr Leute gibt wie mich, die diese Zeit bereuen und mit diesem Projekt „letter to the stars“ euch den euch zustehenden Respekt gebühren.
Christina Fronius

Lieber Oskar,
dein Leben war sicherlich nicht einfach. Du wurdest wegen deinem Glauben verfolgt und von deiner Familie getrennt. Du wurdest nicht wegen deinem Können als Arzt und deiner Leistungen geehrt, sondern musstest einen Teil deines Lebens in unvorstellbar grausamen Arbeitslagern unter schrecklichen Verhältnissen verbringen. Was du für deine Mitmenschen und Patienten getan und ihnen großzügig an Nächstenliebe gegeben hast, wurde dir nur teilweise zurückgegeben. Stattdessen wurdest du unschuldig getötet wie so viele andere in dieser Zeit. Was dir geschehen ist, kann niemand wieder gut machen aber ich hoffe sehr, dass dich dein Schicksal nicht nachtragend gemacht hat – auch wenn du allen Grund dazu gehabt hättest. Durch deine Taten bleibst du für immer unentbehrlich und ich glaube daran, dass wir aus unserer Vergangenheit lernen können und dein Tod nicht ganz umsonst war.
Stefanie Elias

Der Brief an die Zukunft (stieg am 5. Mai 2003 an einem Luftballon gebunden in den Himmel):

Brief an die Zukunft:

Ich habe bei dem Projekt „letter to the stars“ mitgewirkt und Recherchen über Dr. Oskar Mautner angestellt. Durch ihn habe ich erst verstanden wie hilflos diese Menschen damals waren und obwohl man ständig davon liest und hört wurden mir die Folgen für die Betroffenen jetzt erst so richtig bewusst. Ich denke oft an ihn und hoffe, dass er dort wo er jetzt ist es schöner hat als zu Lebtagen. Vielleicht sieht er auch gerade auf mich hinunter und bemerkt, dass ich sehr wohl auch um ihn trauere. Obwohl ich nie die Ehre hatte diesen erfolgreichen und tüchtigen Mann persönlich kennen zu lernen glaube ich zu wissen, dass er ein guter Mensch war und nie verdient hat was man ihm angetan hat. Über seine Familie konnte ich leider nichts ausfindig machen, da sie zur Zeit Hitlers nach Brünn (CSR) zu Verwandten geflohen sind. - Egal wo ihr Opfer des 2.Weltkrieges seit, ich hoffe euch geht es gut und ihr habt einander wieder. Mit diesem Brief denke ich an euch alle und wünsche mir, dass so etwas nie wieder passiert und die Menschen endlich einsehen dass man Minderheiten nicht eliminieren muss sondern dass sie, Menschen wie du und ich sind die genau so eine faire Chance auf ein normales Leben verdient haben. Möge Gott uns helfen diese Ziele in die Wirklichkeit um zu setzten!
Christina Fronius

Durch dieses Projekt wurde das Leiden und die Schicksale der Opfer viel persönlicher. Aus den ohnehin erschreckenden Zahlen der Deportierten und Getöteten wurden Menschen und durch die Vorstellung über die vielen Millionen Einzelschicksale wird einem das ungefähre Ausmaß dieser Verbrechen erst bewusst.
Mein Wunsch ist es, dass man die Vergangenheit nicht vergisst, denn nur so kann verhindert werden, dass sich die Geschichte wiederholt.
Nie wieder soll sich so viel sinnloser Hass ansammeln und sich gegen unsere Mitmenschen richten.
Ich habe mich näher mit Dr. Oskar Mautner beschäftigt und bin auf das Schicksal eines angeragierten Mannes gekommen der sein Leben seinen Patienten geweiht hat. Es tut mir unendlich leid, dass so jemand durch die ganzen Verbrechen zu einem Namen auf einer Liste geworden ist. Ich hoffe das ich ein wenig dazu beitragen konnte, die Vergangenheit lebendig werden bzw. bleiben zu lassen.
Stefanie Elias

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