Folgende Informationen sind von
Jula Goldmann verfügbar:
geboren am |
15.12.1910 in Wien |
letzte bekannte Wohnadresse |
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andere Wohnadresse(n) |
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Deportation |
von Wien nach Theresienstadt am 24.09.1942 |
gestorben |
- Todesdatum unbekannt -
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Die Recherche wurde von
Stefan, 17 Jahre, GRG11 Geringergasse 2,
übernommen.
Die Lebensgeschichte und wie die Recherche verlaufen ist:
Meine Eindrücke zu dem Projekt „A Letter to the Stars“
Meiner Meinung nach ist dieses Projekt eine hervorragende Idee, um Schülern das Thema „Holocaust“ näher zu bringen. So können sich Jugendliche sehr intensiv damit auseinandersetzen und außerdem geraten die Opfer des Holocausts nicht völlig in Vergessenheit. Natürlich ist es sehr schwierig unter den gegebenen Umständen zu recherchieren, weil es keine Nachkommen gibt, die man interviewen könnte. Außerdem gibt es heute nur mehr spärlich Informationen über das damalige Leben jüdischer Opfer.
Was man aber tun kann und was auch ich getan habe ist, dass man, ausgehend von den Informationen, die man über sein Opfer hat, sich zum Beispiel über das Konzentrationslager, in das das Opfer deportiert wurde, informiert und sich dadurch vorstellen kann, in welcher Weise dieser Mensch die letzten paar Monate/Jahre seines Lebens verbracht hat.
Denn das Wesentliche bleibt, dass man versucht sich die Lage der Juden im Nationalsozialismus vor Augen zu halten und klarzumachen.
Was mich besonders erschüttert, ist, dass junge Menschen meines Alters getötet wurden. Solche Tatsachen zeigen einem erst, wie glücklich man über seine Situation sein kann.
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Der Brief an den/die Ermordete/n :
Liebe Jula,
Mein Name ist Stefan Herzog, ich bin 17 Jahre alt und wohne in Wien. Ich besuche das Gymnasium Geringergasse in Simmering und seit einiger Zeit sprechen wir im Geschichteunterricht über das Thema „zweiter Weltkrieg“, „Nationalsozialismus“ und „Holocaust“. Wir lesen Berichte und Zeitungsartikel aus dieser Zeit und schauen uns Filme und Dokumentationen an. Wir diskutieren, wir recherchieren, wir machen Lehrausgänge. Wir versuchen uns in die Lage von Menschen zu versetzen, die damals lebten, Menschen, die Minderheiten unterdrückten und Menschen, die unterdrückt wurden. Wir versuchen Menschen und deren Handeln zu verstehen. Wir versuchen zu verstehen, welches unglaubliche Schicksal manchen Menschen widerfahren ist. Wir versuchen die Vernichtung von 6 Millionen Menschen zu verstehen. Wir versuchen einen Unterschied zwischen Mensch und Mensch zu verstehen. Wir versuchen zu verstehen, doch in den meisten Fällen können wir nur akzeptieren oder nicht verstehen.
Aufgrund eines Projekts, das sich „A LETTER TO THE STARS“ nennt, haben viele Schüler in ganz Österreich die Chance das Leben von Holocaust-Opfern zu recherchieren. Auch unsere Klasse nimmt an diesem Projekt teil, aus diesem Grund habe ich versucht etwas von Deinem Leben zu erfahren, um anderen davon zu berichten. Damit ich genügend Informationen habe, bin ich zum Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes gegangen. Nach langem Suchen, das aus Lesen von alten Dokumenten, Zeitungen und Büchern bestand, bin ich auf etwas sehr Interessantes und Hilfreiches gestoßen.
Es war schon ziemlich spät und als ich gerade das letzte Buch, aus der Hand gelegt habe, fiel mein Blick auf ein kleines braunes Buch. Nicht die Tatsache, dass dieses Buch braun oder klein war hat meine Aufmerksamkeit erregt (seit 3 Stunden blättere ich in kleinen braunen Büchern), sondern das Wort, das auf dem Buch stand, bestehend aus 5 gelblich-goldenen Lettern ist mir ins Auge gestochen: DIARY
Sofort habe ich das Buch aufgeschlagen und darin gelesen bis mich um 9 Uhr abends der Angestellte des Archivs gebeten hat zu gehen. Glücklicherweise war der gute Mann so nett und hat mir erlaubt dieses Buch auszuborgen. Zuhause habe ich es dann fertiggelesen.
Es ist ein Tagebuch. Es ist Dein Tagebuch, das Du in der Zeit von 1938 bis 1943 geführt hast. Wie und wann es aufgetaucht ist, ist unbekannt. Die Echtheit des Buches wurde aber bestätigt.
Deine Worte sind erschreckend, packend und unglaublich traurig. Ich habe die bewegendsten Momente Deines Lebens ausgewählt:
Mai 38
Heute war es schlimm. So schlimm, wie noch nie seit März. Meine Arme kann ich nicht bewegen. Gehen nur sehr schlecht. Auf offener Straße machen sie das jetzt schon. Vor allen Leuten und niemand hilft mir, niemand hört meine Schreie. Die Leute gehen einfach vorbei und drehen sich nicht einmal um. Sie drehen sich nicht einmal um! Ich liege blutig auf der Straße, bin verletzt. Ich schreie vor Schmerzen, versuche aufzustehen....alles vergeblich. Ich sterbe. Das war mein einziger Gedanke auf der Straße. Jetzt werde ich sterben.
Und niemand hilft mir. Dann sehe ich die Frau Müller. Die wird mir helfen, hab ich gedacht. So viele Jahre lange kenn ich nun schon die Frau Müller, hab auf ihre Kinder aufgepasst. Hab heut in der Früh noch mit ihr gesprochen. „Frau Müller, bitte helfen Sie mir!“, hab ich zu ihr gesagt als sie an mir vorbei geht, doch sie schaut mich nicht an. Sie hat mich völlig ignoriert. „Bitte Frau Müller, helfen Sie mir! Sehen sie mich nicht?“, hab ich ihr nachgeschrieen. Keine Reaktion. Verzweiflung und Tränen...wie wird das enden?? Ich hoffe, dem Jacques geht es gut in der Schule. Er versteht das alles nicht, er ist ja erst 7...
Nov 38
...
Wir stehen vor dem Nichts. Sie haben uns alles genommen. Gestern haben sie alle jüdischen Geschäfte geplündert und zerstört. Die Synagogen brennen jetzt noch. Unsere schöne Wohnung ist verwüstet. Die Einrichtung total vernichtet. Hier können wir nicht mehr wohnen. Wir müssen mit den anderen jüdischen Familien in die Baracken nach Hasenleiten ziehen. Wir dürfen uns nirgendwo aufhalten. Überall werden wir rausgeschmissen. Sie verbieten uns Theater, Konzerte, Kino, öffentliche Parkanlagen. Unsere Kinder wissen nicht mehr, wo sie spielen dürfen. Sie verstehen nicht, wieso manche Kinder dort spielen dürfen und wieso andere nicht.
„Für das judenfreie Deutsche Reich!“ steht in den Zeitungen. Wir haben Angst...
Sep 41
Jetzt erkennen uns alle. Das ist schlimm, denn als Jude ist es schwierig Lebensmittel zu kaufen. Jeder behandelt uns wie Schwerverbrecher, der Bäcker hat mir kein Brot verkauft. „Geldgierige Schmarotzer! Raus aus meinem Gschäft!“, hat er mir nachgeschrieen, wie er den Stern an meiner Brust gesehen hat. Dieser Judenstern, den wir jetzt alle tragen müssen ist eine schwere Last. Nicht nur das. Es ist eine Demütigung. Eine Erniedrigung. Man fühlt sich nicht mehr als Mensch. Jacques hat es so schwer. Er fragt mich, wieso uns die anderen Menschen so hassen, was wir getan haben, dass wir nicht die Sachen machen dürfen, die andere auch machen. „Wieso dürfen dich die Leute mit den Uniformen schlafen, Mama? Ich will nicht, dass du weinst Mama. Ich will nicht, dass sie dich schlagen, Mama!“ hat er gesagt. Ich kann ihm keine Antworten geben. Ich bin seine Mutter und kann ihm überhaupt nicht helfen. Dieses Gefühl, diese Hilflosigkeit ist schrecklich und nicht auszuhalten. Wann nimmt das alles ein Ende?
Sep 42
Heute in der Früh sind die Männer mit den Uniformen gekommen und haben uns mitgenommen. Mich und Jacques. Wir wurden von den anderen getrennt. Ich weiß nicht wohin sie uns bringen oder wohin sie die anderen bringen. Zusammengepfercht hocke ich und Jacques jetzt mit mindestens 50,60 anderen Menschen in einem Güterwagon. Schon seit Stunden. Es ist heiß. Wir bekommen kaum Luft. Viele Kinder sind hier. Wir haben Hunger und Durst. Wir haben Angst. Die Menschen hier weinen, sind verzweifelt, schreien, zittern. Jacques schläft gerade in meinen Armen. Ich hoffe er wacht nicht so schnell auf.
Jan 43
Seit fast 5 Monaten sind wir jetzt schon hier in diesem Ghetto, in Theresienstadt und es ist wirklich ein Wunder, dass wir beide noch am Leben sind. Jacques ist ein Kind, das Glück hatte. Er ist im Kinderheim. Dort ist er recht gut aufgehoben. Sie dürfen malen und singen. Manchmal werden sie dabei gefilmt. Wenn sie gefilmt werden, müssen sie besonders viel lachen und glücklich sein. Doch ich habe Angst um ihn. Die hygienischen Bedingungen hier sind äußerst schlecht. Mit dem Wasser müssen wir sehr vorsichtig sein, da es sehr schmutzig ist. Auch das Essen müssen wir mit Sorgfalt behandeln, denn in den meisten Fällen ist es alt und verdorben. Viele Menschen sterben hier. Seuchen und Epidemien grassieren. Mehr als 10 Stunden am Tag müssen wir bei Eiseskälte Arbeit verrichten. Gestern ist eine Frau, mit der ich mich angefreundet habe erfroren. Sie zwangen mich ihr Leiche zu verbrennen. Ich habe mich geweigert, daraufhin wurde ich geschlagen.
Täglich verhungern duzende Menschen. Dieses Leid mit anzusehen und mit zu erleben müssen ist unmenschlich.
Die Baracken, in denen wir schlafen sind eng und nicht beheizt.
Die Überfüllung zwingt uns, zu viert oder fünft auf einem Strohsack zu liegen. Es ist auch unmöglich, sich in einen Raum von 4 Meter Länge und 3 Meter Breite mit 12 Wasserhähnen für 500 Menschen zu waschen, da uns nur eine halbe Stunde dafür zugeteilt wird.
Ich habe Angst zu sterben. Nicht meinetwegen, sondern wegen Jacques. Ich möchte ihn auf keinen Fall allein lassen. Er wäre verloren ohne mich, das weiß ich. Er braucht seine Mutter an einen so unmenschlichen Ort...
Das ist der letzte Eintrag aus Jula Goldmanns Tagebuch:
Mai 44
Sie haben uns gesagt, dass wir Theresienstadt verlassen werden. Wir sollen unsere Sachen packen. Werden wir etwa befreit? Haben die Leiden und Schmerzen nach mehr als einem Jahr nun ein Ende? Ich hoffe es so sehr. Ich muss es hoffen! Ich halte es hier nicht länger aus.
Im Mai 1944 wurden in drei großen Transporten über 7500 Häftlinge in die Vernichtungslager transportiert. Darunter waren Jula Goldmann und ihr Sohn Jacques.
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Der Brief an die Zukunft (stieg am 5. Mai 2003 an einem Luftballon gebunden in den Himmel):
Obwohl der Holocaust ein dunkles Kapitel in der Geschichte unserer Menschheit ist, sollte man nicht versuchen diese Zeiten zu vergessen. Man sollte sich, hingegen, mit diesem Thema genau befassen und in weiterer Folge darüber diskutieren und versuchen zu ergründen, wie es zu so einem schrecklichen Ereignis überhaupt kommen konnte. Denn nur auf diese Weise ist es möglich aus Fehlern zu lernen und diese nicht mehr zu wiederholen.
Rassismus, Vorurteile und Minderheitenhass sind Einstellungen, die leider viele Menschen haben. Diese Einstellungen beruhen auf engstirnige Sichtweisen und auf Angst.
Diese Einstellungen sind auch heute noch in den Köpfen vieler Menschen verankert und deshalb kommt es auch in der Gegenwart noch zu zahlreichen rassistischen Ausbrüchen, zu Diskriminierungen, zu Ausländerfeindlichkeit und zur Bildung rechtsradikaler Parteien bzw. nationalsozialistischer Gruppierungen. Was also das Ziel für die Zukunft sein muss liegt auf der Hand: Diese auf Fremdenhass beruhenden Einstellungen versuchen möglichst einzuschränken und klein zu halten bzw. völlig auszuschalten. Um dieses Ziel zu erreichen müssen selbstverständlich Maßnahmen getroffen werden. Es müssen härtere Strafen gegen Fälle von Diskriminierung ausgesetzt werden. Es muss an den Schulen begonnen werden, junge Leute über diese Themen zu informieren und aufzuklären, damit diese nicht auf die schiefe Bahn geraten. Mehr Projekte, wie zum Beispiel „A Letter to the Stars“ sollten verwirklicht werden, um die Vergangenheit zu verarbeiten. Es gibt überdies hinaus noch viele andere Methoden und Maßnahmen, zu denen wir alle versuchen sollten unseren Beitrag zu leisten, denn, wie wir wissen, ist gerade Ausländerfeindlichkeit heutzutage sehr verbreitet.
Glücklicherweise gibt es auch viele, sehr gute Filme, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen und den Punkt oft auf berührende und packende Weise treffen. Dies ist sehr wichtig, da es mit Hilfe des Mediums Film einfacher ist an Menschen heranzukommen und ihnen somit begreifbar machen kann, wozu Einstellungen, wie Rassismus führen können.
Was ich nun abschließend noch sagen kann, ist, dass die Zukunft nicht geschrieben ist, jeder ist in der Lage sie durch sein Handeln zu beeinflussen.
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