Liste der Ermordeten


Folgende Informationen sind von Max Würzburger verfügbar:

geboren am 07.05.1867 in St. Michael, Bgld.
letzte bekannte Wohnadresse
andere Wohnadresse(n) St. Michael Nr. 12
Deportation von Wien nach Theresienstadt am 14.07.1942
gestorben in Treblinka- Todesdatum unbekannt -
Die Recherche wurde von Priska, 13 Jahre, GRG1 Stubenbastei, übernommen.

Die Lebensgeschichte und wie die Recherche verlaufen ist:

Siehe Brief an das Opfer.

Der Brief an den/die Ermordete/n :

Lieber Max Würzburger,

ich heiße Priska und bin 13 Jahre alt. Ich gehe in die 4. Klasse des Gymnasiums Stubenbastei in Wien. Meine Klasse hat dieses Jahr bei einem Projekt mit dem Namen „ A Letter To The Stars“ mitgemacht. Dabei geht es darum, über ein Holocaustopfer des Zweiten Weltkriegs die Lebensgeschichte herauszufinden. Aus all den Namen habe ich mir deinen ausgesucht, weil ich wusste, dass du lange Zeit in St. Michael im Burgenland gelebt hast. Meine Familie hat nämlich ganz in der Nähe, in Kirchfidisch, ein Haus. Ich habe mir gedacht, dass es vielleicht leichter ist, die Lebensgeschichte von einem Menschen, der am Land gelebt hat, zu recherchieren, als die von jemandem, der beispielsweise in Wien gelebt hat.
In dieser Annahme lag ich nicht ganz falsch, denn in St. Michael hatte ich die Gelegenheit, mit Franziska Kleinschuster, die dich noch persönlich gekannt hat. Sie erzählte mir, dass sie fast täglich in dein Geschäft kam, um einzukaufen. Sie meinte, dass du immer sehr zuvorkommend zu deinen Kunden warst. Wenn sie einmal nicht zahlen konnten, hast du das Geld einfach erst dann verlangt, wenn sie wieder mehr besaßen. Außerdem hast du, wenn Kinder bei dir Süßigkeiten kaufen wollten, aber nur ein paar Groschen hatten, ihnen immer mehr gegeben, als sie bezahlen konnten. Ich habe auch erfahren, dass deine Frau Laura hieß, und deine Kinder Elsa, Ilusch und Eugen.
Die Dame erzählte mir auch, dass sie und die anderen Bewohner von St. Michael es gar nicht richtig mitbekamen, als du nach Wien musstest. Nach der Nacht, in der du „verschwunden“ warst, hat sich niemand so richtig getraut darüber zu sprechen. Alle hatten Angst, dass ihnen selbst so etwas passieren könnte. Dein Geschäft wurde geschlossen und aufgelassen. Die anderen beiden jüdischen Familien aus St. Michael, Familie Stern und Familie Schlesinger, schafften es nach Amerika zu flüchten und überlebten so den Zweiten Weltkrieg. Auch deinem Sohn Eugen gelang es 1938 nach Amerika zu emigrieren. Ich habe herausgefunden, dass ein Verwandter von Eugen heute in Schweden lebt. Herr Bertil Friedrich hat im Jahr 2000 mit dem Gemeindeamt St. Michael Kontakt aufgenommen und um die Zusendung der Ortschronik gebeten, weil er gehört hat, dass seine Familie darin erwähnt wird. Die Adresse von Herrn Friedrich in Stockholm ist mir bekannt, leider habe ich diese erst sehr spät in Erfahrung gebracht. Ich werde ihm aber schreiben und von unserem Projekt erzählen.
Die Leute aus St. Michael, die ich nach deiner Lebensgeschichte gefragt habe, waren sehr nett und hilfreich. Sie konnten mir wirklich viel Wichtiges über dich erzählen.
Das Haus in Wien, in dem du zuletzt gewohnt hast (Rembrandtstraße 3/6, 1020 Wien) gibt es noch. Von hier aus bist du am 23. September 1942 in einem der 11 Altentransporte in das Vernichtungslager Treblinka gebracht worden.
Doch jetzt wieder zurück nach St. Michael. Ich habe ein Foto von St. Michael 12 gemacht- das Haus, in dem du gelebt und gearbeitet hast. Geboren wurdest du ja in Güssing, du bist in erst im Alter von drei Jahren mit deiner Familie nach St. Michael gezogen, wo dein Vater 1870 sein Gemischtwarengeschäft eröffnete.
Jetzt will ich dir noch ein paar Dinge aus deiner Heimat erzählen, die dich vielleicht interessieren könnten: Das Storchennest auf dem Gasthaus Freislinger gibt es noch immer. Die Kirche wurde renoviert, steht aber noch. Nachdem du nach Wien musstest, hat der neue Besitzer von St. Michael 12 eine Tankstelle vor dem Geschäft aufgebaut. Ein anderer hat im hinteren Teil des Geschäfts eine kleine Fabrik errichtet, in der Telefonzellen hergestellt wurden. Manche davon stehen immer noch an einigen Plätzen in Wien. Da der Platz des Geschäfts aber bald zu klein war, wurde die Fabrik später nach Pinkafeld verlegt. Ob dort immer noch Telefonzellen hergestellt werden, weiß ich nicht genau. 2001 wurde in Güssing ein Lift gebaut, mit dem man jetzt in 16 Sekunden zur Burg hinauffahren kann. „Die Burg ist zwar in weniger gutem Zustand, aber Hauptsache, man kann schnell hinaufkommen,“ haben sich die Architekten von dem Lift wahrscheinlich gedacht. Auf der nicht so weit entfernten Friedensburg in Schlaining gibt es viele Ausstellungen zum Thema „Holocaust-Opfer“. In Punitz wurde ein kleiner Flughafen errichtet. Dort kann man Rundflüge machen und die verschiedenen Dörfer von oben betrachten, oder aber eine Segelfliegerausbildung machen. Beides soll angeblich sehr schön sein.
Schade, dass du und viele anderen Menschen das alles nicht mehr miterlebt haben. Ich kann einfach nicht verstehen, wie so etwas wie Konzentrationslager und Massenvernichtung geschehen konnten. Noch weniger kann ich verstehen, dass es immer noch Menschen gibt, die das, was geschehen ist, anscheinend für richtig halten und zum Beispiel auch gegen das Projekt „A Letter To The Stars“ sind. Ich habe zwar die Geschehnisse nicht persönlich miterlebt, aber in der Schule genug darüber gelernt, dass ich begreife, wie schrecklich und unverzeihlich das Ganze war. Leider, leider kann man all das, was Adolf Hitler und der Zweite Weltkrieg angerichtet haben, nicht rückgängig machen.
Jetzt denkst du dir wahrscheinlich, dass ich ja gar keine Ahnung von all dem habe, was damals passiert ist und daher überhaupt nicht beurteilen kann, wie schrecklich das war. Ich musste ja nicht wie du in ein Konzentrationslager. Wenn du dir das denkst, hast du natürlich im Recht, denn ich habe wirklich keine genaue Vorstellung darüber, wie schrecklich es war. Aber ich habe in der Schule genug darüber erfahren, um mir ein eigenes Bild davon machen zu können. Und ich werde wahrscheinlich mit meiner Klasse das Konzentrationslager Mauthausen besichtigen. Ich muss dir auch sagen, dass mir die Suche nach deiner Lebensgeschichte sehr geholfen hat, mir ein besseres Bild davon zu machen, was zwischen 1938 und 1945 geschehen ist.
Ich hoffe, dieser Brief ist ein kleines Symbol dafür, dass viele Leute verstehen, dass im Zweiten Weltkrieg großes Unrecht geschehen ist.

Mit freundlichen Grüßen

Priska

P.S.: Ich danke allen, die mir bei meiner Recherche geholfen haben, ganz besonders Frau Franziska Kleinschuster und Frau Hedwig Kleinschuster.

P.S.S.: Aus einem Bericht der Geheimen Staatspolizei aus Strem:
„Das Geschäft des Juden Max Würzburger, Gemischtwarenhandlung in St. Michael 12, wurde inventiert und da dasselbe von der Ortsleitung und der Bevölkerung als überflüssig bezeichnet wurde, aufgelassen.“ (aus: Margarete Matisovits, St. Michael, St. Michael 1995, S. 75)


Der Brief an die Zukunft (stieg am 5. Mai 2003 an einem Luftballon gebunden in den Himmel):

Siehe Brief an das Opfer.

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