Liste der Ermordeten


Folgende Informationen sind von Alfred Nathanski verfügbar:

geboren am 18.02.1874 in
letzte bekannte Wohnadresse
andere Wohnadresse(n) Wien 3, Estepl.3
Deportation von Wien nach Maly Trostinec am 06.05.1942
gestorben in Maly Trostinec am 11.05.1942
Die Recherche wurde von 8B, 17 Jahre, G 9, Wasagasse 10, übernommen.

Die Lebensgeschichte und wie die Recherche verlaufen ist:



Wer war Alfred Nathansky?

Seine ehemaligen Schüler widmeten ihm eine Gedenktafel, die im 1.Stock des Schulhauses angebracht wurde: er wurde am 18.3.1874 geboren und am 6.5.1942 von den NAZIs nach Mali Trostinec deportiert. Sein weiteres Schicksal konnte nicht eruiert werden. Im Zuge der Umbauarbeiten der Schule in den 88/90iger Jahren wurde die Gedenktafel abgenommen und sie wurde nach intensivem Suchen erst kürzlich im Keller wieder aufgefunden.

· Die Lebensgeschichte von Prof.Dr.Alfred Nathansky hat dennoch Spuren hinterlassen: von Czernowitz bis Triest, von Brünn bis Wien. Er muss ein leidenschaftlicher Pädagoge gewesen sein, ein umfassend humanistisch gebildeter Lehrer und Forscher, ein Feuilletonist und Erwachsenenbildner. Er muss ein brillanter Lehrer und inspirierender Kollege gewesen sein. Einer seiner berühmtesten Schüler, der Biochemiker Erwin Chargaff, erwähnt ihn namentlich als hervorragenden Griechischlehrer in seinen autobiographischen Schriften. Da zwischen 1916/17 und 1928/29 keine Jahresberichte im Wasagymnasium erschienen, sind keine schulspezifischen Informationen zu finden. Der Jahresbericht 1928/29 gibt bekannt, dass Prof. Dr. Alfred Nathansky vom 1.9.1919 bis 1.9.1928 am G9 Wasagasse unterrichtete und sich auf vielen Gebieten, besonders bei der Gründung der Schulgemeinde, große Verdienste erworben hat. Er wurde mit 1.September 1928 auf eigenes Ansuchen in den Ruhestand versetzt. Die Österreichische Nationalbibliothek hat allerdings Jahresberichte jener Staatsgymnasien in Czernowitz, Triest und Brünn, an denen Prof. Dr. Nathansky im Laufe seine Pädagogenkarriere unterrichtete, gesammelt. Darin finden sich nicht nur Aufsätze über pädagogisch relevante Themen sondern auch Forschungsarbeiten und Essays.
· Im Jahresbericht des k.k. II. deutschen Staats-Gymnasiums in Brünn für das Schuljahr 1898-99 ist eine Abhandlung von Dr. Nathansky abgedruckt. Es ist das Jahr, in dem Nathansky ins praktische Lehramt eingeführt wurde: er gilt als k.k. suppl. Lehrer. Er wechselte nach diesem Jahr ans Communal-Gymnasium nach Friedeck, wo er zum wirklichen Lehrer ernannt wurde. Die Abhandlung trägt den Titel: „ Die Verwertung der hellenischen Philosophie im Gymnasial-Unterrichte“. Die Abhandlung zeigt, dass Nathansky nicht nur über eine breite klassische Bildung verfügte, sondern dass er auch an der pädagogischen Diskussion seiner Zeit voll teilnahm. Sein beachtenswerter Zugang zu seinen Schülern wird in folgenden Worten deutlich: „ Das Interesse der Schüler aber ist einer der wichtigsten Factoren des Unterrichts. Wofür kein Interesse erweckt worden ist, das geht verloren; nur das wird behalten, was den Schüler von Anfang an gefesselt hat.“
Der Jahresbericht des k.k. I. Staatsgymnasiums in Czernowitz veröffentlichte 1900/01 Nathanskys Aufsatz „Zu Ibsens ´Kronprätendenten´“. Im Schuljahr 1900/01 war Nathansky Custos der Lehrerbibliothek und er lehrte Deutsch und Latein. Diese Abhandlung zeigt wieder eine neue Facette Nathanskys intellektueller Größe: Er analysiert Ibsens Werk, seine Wurzeln und Parallelen zu Shakespeare, Öhlenschläger und Nietzsche. Einmal mehr zeigt sich Nathanskys brennendes Interesse an philosophisch-literaturwissenschaftlichen Fragestellungen, seine profunde Kenntnis des Werkes Ibsens, Shakespeares, der nordischen Geschichte, der philosophischen Schriften von Friedrich Nietzsche. Und einmal mehr zeigt sich hier eine Lehrerpersönlichkeit, deren Liebe zur Bildung Hand in Hand geht mit einer Leidenschaft zur eigenständigen Forschung. Er schließt seinen Aufsatz mit den Worten: „Wenn hier der Versuch gemacht worden ist, den einzelnen Elementen nachzugehen, aus denen Ibsens ´Kronprätendenten´ entstanden sind, und seine Vorbilder nachzuweisen, so war die Absicht dabei keineswegs die, den Dichter zu verkleinern. Jeder Schaffende steht ja auf den Schultern seiner Vorgänger, und ein ganz voraussetzungsloses Literaturwerk gibt es nicht. Nicht der Grad, in welchem eine Schöpfung von ihren Vorbildern abhängig ist, bestimmt ihren inneren Wert, sondern das Maß der Wirkung, welche sie auszuüben imstande ist.“
Im Jahr 1903 scheint Nathansky noch immer in Czernowitz gewirkt zu haben. Das Bukow. Journal veröffentlichte einen Vortrag, den Nathansky am 27.März 1903 gehalten hat. Der Titel: „Schaffende und Genießende“. Mit Scharfsinn und augenzwinkerndem Humor beschäftigt er sich mit der Situation des Kunstschaffenden: „ `Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde´. Man sieht, wenn man recht gründlich vorgeht, führt das vorliegende Thema etwas weit zurück, denn nach diesem unzweideutigen Zeugnis der Bibel ist der erste Schaffende Gott und mit demselben Rechte, mit dem die homerischen Helden ihren Stammbaum so gerne auf einen Himmlischen zurückführen, darf wohl auch Gott als der Ahnherr aller Künstler reklamiert werden. Aber mit vollem Recht kann man mir entgegenhalten, daß auch das Publikum der Künstler, die große Masse der Genießenden, Anspruch auf dieselbe noble Abstammung machen darf; heißt es doch in der Bibel weiter:´ Und Gott sah alles, was er gemacht hatte.´ Gott war also auch der erste Genießende und er hat die Sache viel gründlicher genommen, als das heutige Publikum, das weder alle Stücke sieht, die man spielt, noch alle Romane liest, die man schreibt, noch alle Gemälde betrachtet, die in einer Ausstellung hängen. Denn es heißt ausdrücklich: Er sah alles. Aber noch mehr! Gott muß auch der erste Kritiker gewesen sein, denn die Genesis fährt fort: ´Und siehe, es war sehr gut.´ Dieses so günstige Urteil, das den Autor gewiß sehr gefreut haben muß, trägt alle Kennzeichen einer gewöhnlichen Rezension: Es ist apodiktisch, ohne ausführliche Begründung und – andere Kritiker sind anderer Meinung. Wem es vielleicht nicht ganz unparteiisch erscheint, der wird doch zugeben müssen, daß das der Sage nach auch bei anderen Rezensionen vorkommen soll.“ Nach dieser Einleitung geht Nathansky in die Tiefe und diskutiert das Verhältnis von Künstler, Kritiker und Publikum. Er schließt seine Ausführungen : „ Wenn also die Kritik nicht bestünde, so müßte sie eigens erfunden werden zu Nutz und Frommen der lebensfähigen Produktion...Sie kann dabei gelegentlich Fehler begehen, gewiß; auf die Dauer aber hat sie dem echten Kunstwerk noch nie den Weg versperrt.“
Die Beschäftigung mit Kunst, mit künstlerischem Schaffen führt Nathansky auch auf das Gebiet der Musik. Im Jahresbericht des k.k. Staatsgymnasiums in Triest erschien 1907 eine Abhandlung über die romantische Schubert-Oper „Der Graf von Gleichen“. Es darf angenommen werden, Nathansky hat auch in Triest unterrichtet. Teile dieser Abhandlung sind zuvor in vier Feuilletons 1903 im Czernowitzer Tagblatt erschienen, 1907wurde die Abhandlung mit dem Manuskript der Oper von Eduard Bauernfeld/Musik von Franz Schubert, in Wien herausgegeben. Heute noch wird diese Abhandlung in der Bibliographie der einführenden Literatur zum Verständnis des Werkes von Franz Schubert vom Internationalen Schubert Institut (ISUK) angeführt.
Alfred Nathansky wurde gemeinsam mit seiner Frau Henriette nach Mali Trostinec deportiert und beide kamen 1942 durch den NAZI-Terror ums Leben.
Die Anregung für eine Gedenktafel für Nathansky kam offensichtlich von ehemaligen Schülern, die vor den NAZIs in die USA geflüchtet sind. Gerhard Schwarz, Maturajahrgang 1930, der mit Wasa-Absolventen in den USA in Kontakt stand, schrieb an die Absolventen in Wien. Die Gedenktafel wurde 1980 im Rahmen eines Festaktes enthüllt.

Der Brief an den/die Ermordete/n :

Lieber Herr Professor Nathansky!
Durch ein Projekt im Unterrichtsfach Kath.Religion kamen wir zur Aktion "A letter to the stars". Unsere Religionslehrerin hat uns darauf aufmerksam gemacht, was für interessante Persönlichkeiten an unserer Schule, dem BG9 Wasagasse, in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg als Lehrer beschäftigt waren. Durch das Faktenblatt, dass uns unsere Lehrerin über Sie zusammenstellte, erfuhr ich zwar die statistischen Fakten Ihres Lebens, und auch Ihres Todes. Was für ein Mensch Sie waren, war jedoch kaum herauszulesen. Viel mehr konnte ich über Sie erfahren, als ich einige Artikel las, die Sie in den Jahresberichten veröffentlicht haben. Besonders befaßt habe ich mich mit dem Artikel zur humanistischen Bildung , und wie sie im Gymnasium vermittelt werden müsse. Auch ich bin "Vollhumanistin", wie es bei uns in der Schule genannt wird. Bereits das 4. Jahr lerne ich nun Griechisch und ich muss sagen, dass vieles, was Sie vor Jahrzehnten geschrieben haben, noch heute Gültigkeit hat. Ich hätte Sie gerne kennengelernt.
Ich habe einigen Zeitzeugen zugehört. Doch die menschenverachtenden Ereignisse der NS-Zeit sind mir in ihrer Ungeheuerlichkeit unverständlich. Viele Menschen verloren ihr Leben, weil sie nicht in das Weltbild der NSDAP passten. Heute blicken wir auf diese Zeit zurück, und viele versuchen sie zu vergessen. Ich versuche, daran zu erinnern. Erst wenn wir uns völlig im klaren darüber sind, wie es soweit kommen konnte, erst dann können wir hoffen, dass so etwas nie wieder geschieht.
Erst dann können wir weitergehen. Doch niemals dürfen wir vergessen. Nicht die Taten, nicht die Täter, nicht die Opfer. Das sind wir Ihnen schuldig, das sind wir der Geschichte schuldig.

Der Brief an die Zukunft (stieg am 5. Mai 2003 an einem Luftballon gebunden in den Himmel):

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