Liste der Ermordeten


Folgende Informationen sind von Franziska Brestian verfügbar:

geboren am 05.04.1881 in Neulengbach, NÖ
letzte bekannte Wohnadresse
andere Wohnadresse(n) Unter Tullnerbach, NÖ
Deportation von Wien nach Maly Trostinec am 02.06.1942
gestorben in Maly Trostinec- Todesdatum unbekannt -
Die Recherche wurde von Christina, 17 Jahre, BRG XV,Henriettenplatz 6, übernommen.

Die Lebensgeschichte und wie die Recherche verlaufen ist:

Biografie von Franziska Brestian

Franziska Brestian, geborene Leitner, wurde am 5. April 1881 als Tochter jüdischer Eltern in Neulengbach, NÖ, geboren. Auch am Land war damals bereits der zunehmende Antisemitismus der Bevölkerung zu spüren. Vermutlich um 1906 heiratete sie den „Nichtjuden“ Julius Brestian (geboren am 22. Oktober 1878), der in Neulengbach ein Friseurgeschäft betrieb. Ihre genaue Wohnadresse lautete Neulengbach 13. Am 28. Februar 1912 wurde das erste Kind, Karl, geboren. 1914 zog Julius Brestian in den ersten Weltkrieg, aus dem er 1918 als schwerkranker Mann zurückkehrte. Am 2.6.1916 wurde Nora, das zweite Kind von Julius und Franziska Brestian geboren. Aufgrund der Kriegsverletzungen ihres Mannes, mussten sowohl Franziska als auch ihre Kinder viele Opfer bringen. Julius bedurfte der ständigen Pflege und war nur noch teilweise arbeitsfähig, weshalb im Friseurgeschäft Personal eingestellt werden musste. Karl Brestian wollte ursprünglich studieren, was aufgrund des schlechten Gesundheitszustandes seines Vaters nicht möglich war. Stattdessen trat er in das Friseurgeschäft der Familie als Lehrling ein. Am 16. März 1935 starb Julius Brestian an den Folgen seines schlechten Gesundheitszustandes, und machte Franziska Brestian zur Witwe. Das hatte gravierende Auswirkungen für sie, da sie sich nun nicht mehr in einer Mischehe mit einem „Arier“ befand. Am 23. April 1938 verkaufte Franziska das Friseurgeschäft an ihren Sohn. Sie beabsichtige damit, das Geschäft vor den sogenannten „Arisierungen“ zu schützen. Da ihr Sohn in einer Mischehe entstand, wurde er als Mischling gewertet und hatte damit noch mehr Privilegien als seine Mutter. (Interessant ist, dass Karl Brestian im „Verzeichnis jener Personen, die 1938 nach den Nürnberger Gesetzen als Juden oder „Mischlinge“ galten“ nicht aufgeführt ist, seine Schwester Nora hingegen schon). Die Kreisleitung der St.Pöltner NSDAP lehnte den Verkauf ab, auch weitere Beschwerden brachten keinen Erfolg. Im Zuge des Novemberprogroms räumte die SA das Geschäft der Familie Brestian aus und schloss es. Nora und Karl Brestian gingen ins Exil, während Franziska Brestian am 1. Juni 1939 nach Unter-Tullnerbach 17 zog. Dort lebte sie vermutlich alleine, bis sie schließlich in die Sammelwohnung in der Pfeffergasse 1/13 in Wien ziehen musste. Von dort aus wurde Franziska am 2. Juni 1942, dem 26. Geburtstag ihrer Tochter Nora, mit dem Transport 24/213 nach Mali Trostinec / Minsk deportiert. Hier verläuft sich ihre Spur, vermutlich aber kam sie in einem Gaswagen, deren Einsetzung in Vernichtungslagern wie Mali Trostinec sehr beliebt war, um.

Hilfe bei meinen Recherchen bekam ich unter anderem vom Gemeindeamt bzw. Meldeamt Neulengbach, dem Gemeindeamt Eichgraben, dem Siegmund-Freud-Museum in Wien, Herrn Prof. Christoph Lind und dessen Buch „.. sind wir doch unserer Heimat als Landmenschen aufgewachsen...“, sowie vielen Personen, die bereit waren, mir etwas über die damaligen Verhältnisse zu erzählen. Herzlichen Dank!

Der Brief an den/die Ermordete/n :

Liebe Franziska,

die Recherche über dein Leben hat mich sehr bewegt. Mir waren schon vorher alle Daten, Fakten und viele Details über den Holocaust bekannt, aber doch habe ich nie daran gedacht, dass auch Menschen aus meiner Nachbarschaft betroffen waren. Für mich war der Holocaust nicht nur schon lange her, sondern auch weit weg. Umso erschütternder war es für mich zu erkennen, dass auch in dieser ruhigen Landidylle so etwas Schreckliches wie Antisemitismus entstehen konnte.

Zu Beginn des Naziregimes hattest du schon ein langes, anstrengendes Leben voller Entbehrungen hinter dir. Ich hab mich oft gefragt, wie du diese Jahre des Regimes erlebt hast, was du gefühlt hast, als deine Kinder weg waren und dein Mann tot. Ich frage mich, an was du gedacht hast, in den langen schlaflosen Nächten, was deine Sorgen und Ängste waren. Hast du vielleicht schon geahnt, was dir bevorsteht? Hattest du Bilder von deinen Kindern und deinem Mann dabei, als du in den „Zug in die Freiheit“ gestiegen bist? Ich hab so viele Fragen über dein Leben, die wohl für immer unbeantwortet bleiben werden.

Zu gerne hätte ich ein Foto von dir gesehen. Ich wüsste gerne, wie du ausgesehen hast, wie dein Charakter war, ob du temperamentvoll oder ruhig warst, ob du eitel oder unscheinbar warst... Auf jeden Fall aber warst du eines: mutig. Mutig, weil du die jahrelange Krankheit deines Mannes ertragen hast, und die Einsamkeit in deinen letzten Lebensjahren.

Solche Menschen wie du sollten uns allen ein Vorbild sein. Auf jeden Fall hast du meine ganze Bewunderung für deine Stärke und mein ganzes Mitgefühl für die schrecklichen Dinge, die du erleben und durchstehen musstest!

Christina W.

Der Brief an die Zukunft (stieg am 5. Mai 2003 an einem Luftballon gebunden in den Himmel):

In Einsteins Nachlass fand sich ein kleines Gedicht:
"Unbehaglich macht mich stets das Wörtchen 'wir',
Denn man ist nicht eins mit einem andern Tier,
Hinter allem Einverständnis steckt
Stets ein Abgrund, der noch zugedeckt."

Wenn vom Holocaust die Rede ist, wird meist versucht, das damalige Verhalten der Menschen zu verstehen. Kaum jemand kann verstehen, warum derartige Verbrechen, wie die an den Juden verübten, von der Bevölkerung akzeptiert wurden. Anstatt aber jetzt über Schuld oder Nichtschuld des längst Vergangenen zu diskutieren, sollten wir unsere Augen lieber auf die Gegenwart und die Zukunft richten. Auch heutzutage kommt es auf der ganzen Welt noch zu ähnlich schrecklichen Verbrechen wie während des Naziregimes im damaligen „Deutschen Reich“. Ein Beispiel dazu sind die Massaker im Kosovo vor einigen Jahren. Auch dabei kam es zu Selektionen und organisierten Tötungen. Tatsächlich war es der größte Massenmord an Männern seit dem 2. Weltkrieg. Es gibt unzählige weitere aktuelle Beispiele von Konflikten, wo Menschen umkommen, weil sie eine andere Religion haben oder der „falschen“ Volksgruppe angehören.
Damit die Schrecken des Holocausts nicht umsonst waren, sollten wir jetzt und in Zukunft alles daran setzen, solch sinnloses Töten zu verhindern!

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