Wenn man sich in einer Ausstellung über den Holocaust befindet fühlt sich das verstörend an. Es betrifft einen, es bewegt einen und es erzeugt Reaktionen. Doch wie durchwandert man eine Ausstellung über die unvorstellbarsten Taten der Menschheit, die noch dazu in einem Land passierten, in welchem man selbst aufgewachsen ist, zu einer Zeit, in welcher die Eltern und Großeltern in genau diesem Land gelebt haben? Wie geht man mit dem Wissen um, Nachkommen der Beteiligten, der mehr oder weniger Schuldigen dieser Verbrechen zu sein?
Die unscheinbare Zeichnung eines kleinen Mädchens für ihr beste Freundin zeigte mir heute eine Türe zu Liebe und Freundschaft in dieser schrecklichen Zeit. Jeden Tag hat sie ihre Freundin im Ghetto besucht, jeden Tag, bis ihre Freundin nicht mehr da war, sie sie nicht mehr besuchen konnte, bis ihre Freundin im Ghetto an Hunger oder Krankheit gestorben ist oder nach Auschwitz deportiert und dort ermordet worden ist. Sie hingegen hat den Krieg überlebt, vielleicht lebt sie noch heute. Und wenn sie durch die Ausstellung gehen würde so fände sie ihre eigene Zeichnung, ein Zeugnisse ihrer Freundschaft zu dem kleinen jüdischen Mädchen, ihrer besten Freundin, ausgestellt, gegenüber einer alten, hölzernen Bare, einer Bare zum täglichen Abtransport der Toten aus eben dem selben Ghetto, in welches sie sich Monate lang jeden Tag hineingeschlichen hat, um ihre Freundin zu sehen, mit ihr zu spielen und ihr eines Tages diese Zeichnung zu schenken.
Wie würde sie sich fühlen? |