Im Halbschlaf höre ich Stimmen… Wo bin ich? Das Zimmer ist mir nicht vertraut. Es ist spartanisch und rustikal eingerichtet. Rotweiße Vorhänge, grobe, hölzerne Lampen und zwei Betten. Schlaftrunken stehe ich auf, komme ins Vorzimmer, das gleichzeitig Küche, Vorraum und ein weiteres Schlafzimmer darstellt. Langsam kehren die Erinnerungen an den letzten Abend zurück. Ein Kibbutz, wir sind in einem Kibbutz. Verena und Sophie sind schon fast gehbereit. Mein Blick schweift von meinen ungepackten Sachen zur Uhr. Noch zehn Minuten.
Ghetto Fighters Kibbutz/ Museum. Ein gänzlich anderer Ansatz als in Yad Vashem, umso interessanter, etwas Neues. Mit Kunst Schmerz verarbeiten, mit Kunst Gefühle ausdrücken, Kunst der Nachwelt hinterlassen. Im ersten Raum umgibt mich Dunkelheit. Noch sind die anderen weg, noch bin ich allein. Die Dunkelheit absorbiert alles, meine Augen müssen sich erst akklimatisieren. Kunstwerke liegen in schwarzen, momentan unbeleuchteten Vitrinen. Aber ein Knopfdruck und ein Licht geht an. Nur eine Bewegung, nur ein ausgeführter Gedanke, nur eine Berührung kann viel auslösen. Damals, heute, immer.
Was ist ein Urban Kibbutz? Ein Kibbutz, ja, also langsam versteh ich die Basics. Urban = städtisch.. soviel ist mir klar. Trotzdem, es ist paradox. Ich frage eines der Mädchen, die uns im Ghetto Fighters Museum empfangen haben. Sie ist Teil einer Jugendbewegung, die vor allem in der Gegend um Akko tätig ist. Schon seitdem sie 8 Jahre alt ist. Damals waren alle dabei, es war Teil ihrer Jugend. Aus ihrer Schulgruppe ist sonst niemand mehr „aktiv“, aber sie macht es bis heute aus voller Überzeugung. „Ja, es ist ein städtliches Kibbutz, ja, Sozialismus funktioniert auch ohne landwirtschaftliche Basis. Manche von uns arbeiten für Bezahlung, andere gänzlich ehrenamtlich. Wir haben ein gemeinsames Bankkonto. Es funktioniert. Auch Kleidung bezahlen wir von diesem Konto, alles. Wir haben eine Aufgabe, und diese versuchen wir zur erfüllen. In der Gewerkschaft, in der Bildung, z.b.: hier im Museum, in Schulen, in Jugengruppen, etc.“ Es klingt toll, sehr interessant. Aber jetzt, im Nachhinein, kommen mir die Fragen: Wie lange gibt es die Idee eines städtischen Kibbutz schon? Sind alle Mitglieder im Urban Kibbutz so jung? Oder funktioniert dieses System auch mit Familien? Fragen, über Fragen…
Sie singen, die Lieder gefallen mir. Obwohl, kann ich das überhaupt so sagen? Die Melodie finde ich schön, den Klang der Worte auch. Allerdings verstehe ich den Text nicht. Aber die Sprache klingt angenehm, so weich, so fremd, so anders. Ich höre zu, aber lausche nicht dem Sinn, sondern allein dem Klang. Eine neue Erfahrung,.. Ein jüdischer Gottesdienst... Erinnert mich sehr, an den einer englischen Freikirche. Orthodox ist anders.
Eine israelische Bar, ich allein mit 5 Männern. Ein englischer und ein amerikanischer Jude aus der Gemeinschaft, bei der wir übernachten werden, Hans, Lukas und Joseph. Verspricht lustig zu werden. Die Gespräche drehen sich um das Projekt, Politik, Israel, Amerika, Gott und die Welt. Und es ist lustig geworden. Jeder der Anwesenden bereichert die Runde. Anekdoten werden erzählt, Geschichten weitergegeben. Und immer, immer wieder fällt der Satz „This is the Middle East!“, wie eine beiläufige Erklärung.
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