Die letzten Zeugen - Das Buc

Projekt

Diese Begegnung wird ermöglicht durch eine Patenschaft von:
Roman Haidinger,
GF tischSieben werbeagentur gmbh:

"Die unglaubliche Resonanz des Projekts „A letter to the stars“ zeigt, welche Brisanz das Thema Holocaust heute noch hat und haben muss, und wie unglaublich wichtig es ist, immer und immer wieder daran zu erinnern. In der heutigen schnelllebigen Zeit sollte ganz bewusst sensibilisiert werden und nicht verharmlost. Wie große Marken und Werte von einst durch mangelnde Kommunikation nicht mehr in den Köpfen der jungen Generation verankert sind genauso verhält es sich mit den oft traurigen Ereignissen der Vergangenheit, wenn sie nicht immer wieder weiter tragen werden. Wir als Agentur geben in vielen Bereichen Leitbilder weiter, und sehen es als unsere Aufgabe so wertvolle Projekte zu unterstützen. "
 

Martha Dietrich am 23. 04. 2007 um 23:35


(..) and we couldn´t do anything

Frau Rosler sitzt in ihrem eingesessen Stuhl in der Manhattener Wohnung in den Washington Hights. Die Wohnung ist relativ groß, voller Erinnerungen, Photos und Andenken. Der Empfang von ihr ist herzlich, schon in Erwartung auf unser Kommen. Sie selbst gemütlich gekleidet mit T-Shirt und Jogging-Hose, bittet sie uns, in ihrem Wohnzimmer Platz zu nehmen. Ich erzähle ihr, ich sei aus dem neunten Bezirk, Wien Alsergrund. Daraufhin beginnt sie sogleich von ihrer Zeit in Wien zu erzählen. Unser verbinden viele Orte an denen Erlebnisse stattgefunden haben: der Augarten, der Hannovermarkt, der Gaußplatz und der Donaukanal. Liselotte Rosler wurde 1924 in Wien Brigittenau, als Tochter einer gläubigen jüdischen Familie geboren. Ihr Zuhause befand sich in der Klosterneuburgerstr. Nr 5. Die Volksschule absolvierte sie in der Treustraße, das Gymnasium befand sich in der Augartenstraße. Beide Schulen existieren heute nicht dort wo sie einmal standen und wie Frau Rosler sie kannte. Nach dem Anschluss wurde Liselotte Rosler von ihrer Schule verwiesen und verbrachte ihr letztes Jahr in Wien an einer Wirtschaftsschule namens Krügerheim in der Rembrandtstraße in der Wiener Leopoldstadt. Ich frage sie, ob sie Wien wieder einmal besucht hat und sie sagt ja, „(..) in the late 70ties as I recall, but it was like coming back to a strange country“. Sie wollte ihrem Sohn die Stadt ihrer Herkunft zeigen, fand jedoch wenige Schauplätze ihrer Geschichte wieder. Sie war 14 Jahre alt, als sie am 9. November 1938 die Reichskristallnacht erleben musste. Sie war noch in der Schule, als sie erfuhr, was im Gange war. Sie konnte die Schule jedoch nicht verlassen und wollte um alles in der Welt zurück nach Hause zu ihren Eltern. Sie zahlte zehn Groschen, die viele aus ihrer Schule nicht aufbringen konnten, um zu ihren Familien zu gelangen, und ließ sich zur Straßenbahnstation des 31ers fahren, um von dort aus nach Hause zu fahren. Glücklicherweise befand sich die Station gleich bei ihrer Eingangstür, sodass sie ungesehen in ihre Wohnung gelangte. Die Familie war in Sicherheit, aber bis zum Tag ihrer Flucht aus Österreich im Jänner  verliessen sie die Wohnung nicht mehr bis ihre Papiere fertig waren, „(..) and we couldn´t do anything“. 1939 flüchtete sie, gemeinsam mit ihrer Mutter und Tante nach London und 1946 von England in die USA. Sie erzählt von dem Flug in die USA: Eiseskälte, mehrere Zwischenstopps und Chaos. Ihr Vater, Josef Rosler, jedoch blieb in Wien und wurde alsbald nach Mauthausen deportiert. Ein alter Familienfreund, Anwalt und Nichtjude tat alles, um dessen Leben zu retten. Er schaffte es, ihn aus Mauthausen herauszuholen und über die gesamte Kriegszeit hinweg zu schützen und zu decken. Er verschaffte ihm eine Stelle in der jüdischen Kultusgemeinde, in der letzten noch verbleibenden Synagoge in der Seitenstättengasse im ersten Bezirk. Ihr Vater war einer der wenigen, die den Krieg als Juden, geschützt durch seinen Freund, in Wien überleben konnten. An den Namen des, wie sie wiederholt sagt „big shot“, kann sie sich leider nicht erinnern. 1949 erst kam der Vater zu seiner Familie in die USA. Das Wiedersehen wurde groß gefeiert, auch die Zeitungen berichteten davon: uns zeigte sie mit bescheidenem Stolz den sorgfältig aufbewahrten Zeitungsartikel.


Von der Zeit in den USA erzählt sie, sie habe hier ihr Glück gefunden, ihren Mann, der ebenfalls aus Brigittenau stammte und aus Österreich fliehen musste. Sie arbeitet bis zu ihrer Pension als Schulbibliothekarin und erzählt von lustigen Begegnungen mit ehemaligen Schülern, die nun zu Riesen herangewachsen sind. Gemeinsam bekamen sie einen Sohn, der nun glücklich verheiratet ist.
Wir sehen uns Photos an von ihrer Kindheit in Wien: „ I loved to be in Lederhosen“ und erzählt wie beschwerlich sie die viele Kleidung fand, als sie zu ihren Picknicks Dirndln tragen musste. Unter ihren Photos findet sie auch einige Kuverts mit Photos aus ihre ehemaligen Tanzgruppe, als sie mit russischer und amerikanischer Verkleidung Tänze aus diesen Ländern aufführte. Ein anderes Kuvert ist voll von gepflückten Edelweiß, das sie nun über 60 Jahre bei sich hat. In jedem Land, überall wo sie war hat sie sich vor allem eine Sache aufbewahrt, die Programme von Kinoaufführungen, „what I love most are the programs. Why? I dont know“. Mit den Jahren wurden sie zu einem riesigen Stapel, den sie nun dem Leo Beck-Institut übergeben hat, um die Erinnerung der Nachwelt zu sichern.
Liselotte ist ein lebendiger und fröhlicher Mensch, lacht viel und ist ungemein engagiert. Ihr Mann starb vor nicht allzu langer Zeit an Alzheimer, weswegen sie einmal die Woche in einem Heim für Alzheimerpatienten arbeitet. Nur die wenigen Stunden, die ich mit ihr verbringen durfte, haben mich ihr und ihrer Geschichte näher gebracht. Dafür bedanke ich mich.

 

Martha Dietrich am 23. 04. 2007 um 23:28


I loved to be in Lederhosen

Heute haben wir den vierten Tag unserer Reise hinter uns und zurückblicken kann ich von meiner Warte aus auf vier lehrreiche, emotionale Tage. Ich, prinzipiell zu nahe am Wasser gebaut, empfand die Begegnung mit jedem Einzelnen als aufwühlendes und bewegendes ... [mehr]