Was für ein Tag… Unglaublich… Schwer so einen ganzen Tag, der mir wie eine Woche vorkommt, zu rekonstruieren.. Meine Gedanken schweifen ab… Begonnen hat er im Club der österreichischen Pensionisten in Tel Aviv. Vor einem Monat hätte ich kaum geglaubt, dass so eine Einrichtung überhaupt existiert. Aber die Idee gefällt mir. Im Alter findet man zurück zu seinen Wurzeln, der Kreis schließt sich.
Hinunter, in den Keller. Ich suche einen älteren Herrn. Seine Stimme kenn ich, seine Schrift auch – aber wie er wohl aussieht? Mein Blick schweift von einem Gesicht zum nächsten. So wird das nichts, ich frag einfach. „Leider noch nicht da.“ Ich setz mich zu zwei alten Damen. Beide aus Wien, beide 1938 emigriert. Wir plaudern. Eine von den beiden ist direkt nach Israel mithilfe ihrer Jugendgruppe, die andere auf großen Umwegen. Jede dieser Geschichten ist einzigartig. Am liebsten würde ich sie alle hören und niederschreiben.
Mein Gesprächspartner ist da. Wir reden ein wenig, ich lern seine Gattin kennen und dann beginnt das „Programm“. Alle anwesenden Gruppen stellen sich vor. Ich soll kurz reden... Irgendwie bin ich nervös. Sind gar nicht so wenig Leute, und mit Mikro ist es ein eigenartiges Gefühl. Aber irgendwie gefällt es mir auch, eine Dame umarmt mich sogar danach. Dankt mir.
Zusammen mit Herrn und Frau Goldschmid verlasse ich den Club. Ich bin aufgeregt, ein wenig unsicher und sehr gespannt. Wir fahren in ein Restaurant. Direkt zum Strand. Die Aussicht ist toll. Es ist sein Lieblingscafe. Zuerst erzähl ich ein wenig.… Dann Herr Goldschmid. Es fällt ihm schwer zu reden, während der Pausen spricht seine Gattin über ihr Leben. Herrn Goldschmids Geschichte ist faszinierend. Ich hab sie gerade für mich niedergeschrieben. Aber es bleiben Fragen, so viele offene Fragen. Gut, dass ich ihn noch mal sehen werde. Kurz will ich sie auch hier zusammenfassen, ich hoffe es stimmt alles. Wenn nicht, sind die Fehler meinem Gedächtnis anzulasten. 1934 wurde er als Sohn eines jüdischen Herrenschneiders in Wien geboren. Anfangs, der wachsenden Gefahr nicht bewusst, will die Familie in Österreich bleiben. Doch schließlich beginnt auch Herrn Goldschmids Vater die Flucht zu planen. 1938 verlässt die Schwester schließlich mit einem der letzten Kindertransporte Wien. Dem Vater selbst gelingt die Flucht nicht, er wird gefasst und stirbt in Dachau. Herr Goldschmid und seine Mutter werden jedoch von einem Nazi Offizier, einem Kunden des väterlichen Herrenschneidersalons, versteckt. Über ein Jahr lang, leben sie an den verschiedensten Orten. Doch dann beschließt der Nazi Offizier, dass dieses Unterfangen seine Familie gefährdet. Herr Goldschmid und seine Mutter kommen nach Theresienstadt, der Nazi Offizier hatte geglaubt, dass dies eines der besseren Ghettos ist… Sie leben unter schlimmsten Bedingungen auf einem Dachboden, müssen sehr hart arbeiten und das Essen reicht auch kaum aus. Dann beginnen die Deportationen nach Auschwitz. Die Mutter hat gehört, was sie dort erwartet und irgendwie gelingt es ihr, sich und ihren Sohn aus einem Transport herauszuretten. Herr Goldschmid weiß nicht wie… Bis zum Ende des Kriegs blieben sie in Theresienstadt, mithilfe der Schwester gelingt ihnen schussendlich die Ausreise nach Israel. Es ist eine besondere Geschichte. Schade, dass ich Herrn Goldschmids Mutter nicht mehr kennengelernt habe. Sie muss eine bemerkenswerte Frau gewesen sein. So ein Überlebenswille, so viel Kraft für sich und ihren Sohn.
Der Tag war anstrengend. Mir fallen gleich die Augen zu…. Ich hab so viel erlebt, Herrn Goldschmids Tochter und ihr Gatte haben mir noch „ihr“ Tel Aviv gezeigt. Es hat wirklich Spaß gemacht… und dann noch all die Gespräche, mit Herrn Goldschmid, der mir noch sehr viel mehr erzählt hat, seiner Frau, seinem Schwiegersohn, seiner Tochter… Holocaust, Geschichte Israels, Politik, Bildung, Universitäten, Leben in Israel, Armee,… |