Die letzten Zeugen - Das Buc

Projekt

Diese Begegnung wird ermöglicht durch eine Patenschaft von:
Günther Tetzner,
Timon AG:

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Clara Jaschke am 24. 04. 2007 um 09:49


New York, New York

Die Koffer noch nicht ausgepackt müssen als allererstes sämtliche Eindrücke aufgeschrieben werden. Oder zumindest einige. Als erstes die obligatorischen Dankeschöns: dem Team dafür, dass ihr mich ausgewählt habt. Den 'Betreuern' (insbesondere Mama) ... [mehr]

 

Clara Jaschke am 12. 04. 2007 um 21:20


Weblog, Mittwoch, 11.4.2007

Der erste volle Tag in New York; zwar hatten wir am vorigen Abend schon das Vergnügen über den auch Nachts dank Milliarden Blinklichter und Leuchtreklamen taghellen Times Square zu spazieren und erste Eindrücke über das Leben in New York und das amerikanische Essen („Alter, der Muffin is groß genug für ein ganzes Abendessen“) zu gewinnen, genauso einzusehen  dass hier tatsächlich das Motto „The bigger, the better“ vorherrscht.

Heute sind wir, nach einer erholsamen Nacht im Youth Hostel, als erstes per U-Bahn nach Queens gefahren. Dort trafen wir im Festsaal einer Synagoge österreichische EmigrantInnen, die sich dort zum „Austrian Coffee“ zusammengefunden hatten; die älteren Damen und Herren, vor Hitler und seinem Nazi-Regime aus Österreich geflohen, freuten sich mehr als erwartet über den Besuch unseres beschaulichen Grüppchens (30 Leute zwischen 16 und 22). Schon bald bildeten sich Gesprächskreise zwischen den Generationen, und mir fiel besonders auf, wie junggeblieben diese Leute waren. Aufgeschlossen und geistig trotz teilweise sehr hohen Alters blitschnell geblieben erzählten und erzählten und erzählten sie...über ihr neues Leben in Amerika, über ihre Beziehung zu Österreich und über den Eindruck den wir auf sie machten („It’s just a totally different generation“). Auffallend war, wie sie Englisch und Deutsch gebrauchten; ein Herr, der mit seiner Frau gekommen war, weigerte sich, Deutsch zu sprechen, und wies sie zurecht, wenn sie es doch tat. Andere hingegen setzten sich zu uns und plauschten mit uns im schönsten Wiener Dialekt. Oft kamen Fragen wie „Wie sieht das und das jetzt aus?“ oder „Ist das noch so in Österreich?“. Die interessanten Gespräche lenkten uns von dem zwar netterweise servierten doch leider nur noch entfernt dem Original gleichenden Apfelstrudel ab.
An diesem Mittag wurde mir zum ersten Mal richtig bewusst, wie unterschiedlich diese Leute ihre Vergangenheit bewältigen, und es freute mich besonders von einer alten Dame zu sich nach Hause eingeladen zu werden.

Anschließend ging es, nach einem Zwischenstopp bei einem Deli and Grocery, das wahrscheinlich mit uns Landeiern den Durchschnittstagesumsatz um das Vierfache sprengte, ins Leo-Baeck-Institut. Ich fand es erstaunlich, wie viele Leute sich darum bemühen alles über die Geschichte des Judentums herauszufinden und mit welcher Leidenschaft sie das tun.

Doch noch viel mehr zu sagen habe ich zum optional möglichen Abendprogramm; Barbara, Lia, Gregor und ich gingen mit einem Gedenkdiener vom Institut und Betreuer Andreas zum sogenannten Stammtisch, der seit 1943 hier in New York existiert; jede Woche treffen sich in Frau Glückseligs kleiner (aber hübscher) Wohnung Menschen, die Deutsch sprechen möchten. EmigrantInnen, Überlebende, jeder der kommen möchte ist eingeladen. Bei Essen und Wein (Jugendschutzgesetz für diesen Abend außer Kraft gesetzt) parlierten wir Österreichischen Schüler mit Menschen, die schon länger oder auch kürzer hier in Amerika leben, über Gott und die Welt. Ich fand es wunderbar, wie im Laufe des Abends die Generationen verschwammen und es auf einmal egal war, ob der Gesprächspartner achtzehn oder achtzig war.

Gegen halb zwölf fielen wir schließlich wieder todmüde in unsere Betten, um am Morgen in einem Regenguss sondersgleichen zu erwachen. The big apple rocks!