Die letzten Zeugen - Das Buc

Denk.Mal-Werke

Tafeln 5. Mai

Catriel Fuchs

geb. 1925, ISRAEL

Dezember 1925 in Landsee/Burgenland geboren, etwa 1929 nach Rodaun gezogen, dort die ersten Volksschulklassen besucht. Wir waren die einzige jüdische Familie – kann mich an keinerlei Anfeindungen, eher Ausgrenzung erinnern. Wir lebten in Armutsverhältnissen, unser Vater verschwand plötzlich, wahrscheinlich als Schutzbündler geflohen. Im 1. Weltkrieg war er Frontsoldat, hatte ein Auge verloren. Etwa 1932/33 wurden meine Schwester Ruth und ich als ,Halbwaisen’ in jüdische Waisenhäuser aufgenommen. Ich besuchte die 3. und 4. Volksschulklasse und die 1. und 2. Hauptschulklasse in Rudolfsheim/ Fünfhaus – bis zum Anschluss 1938; dann bis 1940 Gelegenheitsarbeiten respektive Zwangsarbeit. Flucht über Karawanken nach Jugoslawien, ein Mal aufgegriffen, abgeschoben, zurück ins Dritte Reich. Zweiter Fluchtweg Jugoslawien-Griechenland- Türkei- Syrien-Libanon-,Palästina’. Leben und arbeiten im ,Kollektiv’ Kibbutz, dann freiwilliger britischer Marinesoldat; Infanterist israelisches Militär; verschiedenste Arbeiten; Auslandsposten Paris, Frankfurt/Main, Taiwan. Zwei ,Kinder’ (59 und 56 Jahre), drei Enkel, zwei Urenkel, die selbe Frau - Hilde - seit 1944. Zwei Heimaten: Israel und Österreich. “Meine Botschaft? Was könnte ich Neues anbieten? Und wer sollte, würde sich meine Botschaft überhaupt anhören, geschweige denn auch ernst nehmen? Nun gut: erste freudlose Bilanz nach 82 Jahren – traue niemandem blindlings. Nach Nestroy ,Der Mensch ist ja gut, aber die Leut’ sind schlecht’. Man hüte sich vor Glaubenslehren und Ideologien, welche die EINZIGE Wahrheit für sich beanspruchen; und denjenigen, die Andersdenkenden oder Andersglaubenden das Existenzrecht absprechen und sie der ewigen Verdammnis preisgeben. Man hüte sich vor selbst ernannten Allesbesserwissern, selbstgekrönten Stellvertretern, Propheten und Aposteln irgendwelcher Gottheiten; vor den ,Übermenschen’, die andere zu ,Untermenschen’ relegieren, sie zu Freiwild erklären, um ihre Vernichtung als göttlich oder ideologisch gewollt und berechtigt zu sehen. Man versuche Toleranz und dogmenfreies Denken zu üben und zu leben; meide Vorurteile und starre Maxime. Man respektiere Mensch, Tier und Natur – nicht unbedingt in dieser Reihenfolge, und lebe nach Rabbi Akiba’s Ratschlag, seit 2000 Jahren weiterhin als menschlich korrekt unübertroffen:
Was du nicht willst, das dir man tu, das füg’ auch keinem andern zu.“

Ermordete Familienmitglieder:

• Helene FUCHS, meine Mutter (Minsk 1942)
• Ruth FUCHS, meine Schwester (Minsk 1942)
• Josef FIGER, Schwiegervater (Auschwitz 1942)
• Klara FIGER, Schwiegermutter (Ghetto Lodz)
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