Oft spricht man von Österreich als Insel der Seligen. Dass diese Behauptung geographisch nur sinnbildlich gemeint sein kann dürfte klar sein. Aber auch deren inhaltlich symbolische Dimension hat seit meiner gestrigen Begegnung, die auf einer tatsächlichen Insel, nämlich Manhattan, stattfand, stark an Konkurrenz gewonnen. Dort hatte ich die einzigartige Gelegenheit auf ein Grüppchen älterer Menschen zu treffen, die alle das selbe Schicksal teilen: Sie sind österreichische Überlebende des Holocaust. Und dennoch wirken sie unglaublich versöhnt mit ihrer Heimat. Darüber hinaus haben sie keinerlei Hemmung, ihre Geschichte mit jungen Menschen zu teilen. Zita Goldmann etwa, die mich von der ersten Sekunde an vereinnahmt hat, weil sie sich so unendlich nach einer deutschsprachigen Konversation sehnt, konnte kaum abwarten mir zu gestehen, wie sehr sie die Kochkünste ihrer Mutter, insbesondere die des Backens von Wiener Torten und Kuchen, vermisse, während sie sich unentwegt über die vor ihr liegende amerikanische Version eines „Apfelstrudels“ mokierte. Und dann sprudelt es nur so aus ihr heraus: Obwohl sie seit ihrem 13. Lebensjahr in den USA lebe, höre sie beinahe täglich Schallplatten von Wiener Liedermachern. Und sie vermisse den Stadtpark, die Oper, die Kärntnerstraße und den Zweiten Bezirk. All das verpackt in liebliches Hochdeutsch, das von einem Hauch New Yorker Englisch durchzogen ist. Eine großartige Mischung. Vor allem dann, wenn sie zu „Wien, Wien, nur du allein“ anstimmt und jedes deutschsprachige Wort, das über ihre Lippen kommt, vor Freude förmlich küsst. Ich habe Zita nach Wien eingeladen. Sie hat angenommen. Ich hoffe, ich kann sie dann bei einem Stück „echten“ Apfelstrudels dazu bringen, mit mir zu singen während wir durch „ihr“ Wien flanieren. |