Die letzten Zeugen - Das Buc
Zur Geschichte der Shoa



Zur Geschichte der Shoa

Der nationalsozialistische Antisemitismus beruhte auf jahrhundertelang überlieferten antijüdischen Vorurteilen. Seit dem frühen Mittelalter waren Jüdinnen und Juden immer wieder als Sündenböcke für verschiedenste Misstände - Fehlernten, Seuchen, wirtschaftliche Probleme -verantwortlich gemacht worden. Eine wichtige Rolle spielte dabei der kirchliche Antijudaismus, der Juden die Schuld für den Tod Christi anlastete, sie der Hostienschändungen und später sogar angeblicher Ritualmorde an christlichen Kindern beschuldigte. Im 19. Jahrhundert entstand mit den so genannten, wissenschaftlich unhaltbaren"Rassentheorien" der rassistisch begründete Antisemitismus.
Nun wurden Juden nicht mehr aufgrund ihrer Religion, sondern als vorgeblich andere "Rasse" verfolgt. Im Nationalsozialismus wurden alle diese Entwicklungslinien des Antisemitismus zu einem zentralen Element der nationalsozialistischen Ideologie zusammengefasst. Aber auch die "Nürnberger Gesetze" definierten jemanden anhand der Religionszugehörigkeit seiner Großeltern als Juden. Mit dieser Zuschreibung wurde er aus der Gesellschaft ausgestoßen und - trotz eines quasilegalen Rahmens der Verfolgung - so gut wie vogelfrei. Die Jüdinnen und Juden wurden so gut wie ihres gesamten Eigentums beraubt, jüdische Kinder durften zuerst nur eingeschränkt, später gar nicht mehr die Schule besuchen, ihre Eltern verloren ihren Arbeitsplatz und ihre Wohnung.
Rund 130.000 Jüdinnen und Juden konnten aus dem nationalsozialistischen Deutschen Reich flüchten. 15.000 von ihnen gerieten im Laufe des Zweiten Weltkriegs in Westeuropa wieder in den nationalsozialistischen Machtbereich. Ungefähr 65.000 bis 66.000 Juden aus Österreich fielen der Shoa zum Opfer, mehr als 62.000 Namen konnte das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes in mehrjähriger Forschungsarbeit recherchieren. Zu einigen großen Bereichen der Verfolgung, wie z. B. den Deportationen aus Ungarn, bei denen sich auch zahlreiche Österreicher befanden, liegen keine Dokumente vor.

Und nach 1945?

Die aus Österreich Geflüchteten und Vertriebenen wurden nach 1945 nicht zur Rückkehr eingeladen. Nur wenige kehrten trotzdem wieder zurück. Die meisten blieben in ihren Zufluchtsländern. Etlichen gelang es, sich dort trotz Sprachproblemen oft unter großen Schwierigkeiten ein neues Leben aufzubauen. Andere befanden sich viele Jahre in wirtschaftlichen und psychischen Notlagen, manche bedürfen heute noch der Hilfe und Unterstützung.  Wieder andere zerbrachen noch nach 1945 an den Folgen des Holocaust.
Nur unter Druck von außen setzte das Nachkriegsösterreich erste Maßnahmen für seine ehemaligen Bürgerinnen und Bürger. Es dauerte bis gegen das Ende des 20. Jahrhunderts, bis österreichische PolitikerInnen die Mitverantwortung von ÖsterreicherInnen an den NS-Verbrechen gegenüber den Juden eingestanden.
Doch auch im heutigen Österreich ist der Antisemitismus nicht verschwunden. Die Entschädigungswünsche der überlebenden NS-Opfer werden oft mit Neid und Missgunst betrachtet. Judenfeindschaft äußert sich vor allem auch in einseitiger Kritik am Staat Israel, dessen Existenzrecht nicht nur von Antisemiten, sondern auch von mächtigen Politikern im Nahen Ostens in Frage gestellt wird. Diese Kritik spricht von Israel, meint aber in Wahrheit "die Juden".
Damit soll nach außen der Anschein von Antisemitismus vermieden werden. Vorwürfe gegen Israel dienen in diesem Zusammenhang auch dazu, die Opfer
des Nationalsozialismus heute als Täter darzustellen. Auf diese Weise sollen die Forderungen nach Aufarbeitung der Vergangenheit und Schuldeinbekenntnis als unberechtigt abgewehrt werden. Juden sind also bis zur Gegenwart gezwungen, sich mit gegen sie gerichteten Vorurteilen und Hass auseinander zu setzen.

(Text vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes zur Verfügung gestellt).

Für weitere Informationen siehe www.doew.at/ausstellung