Die letzten Zeugen - Das Buc

Das Projekt 38/08. Einladung von 200 Überlebenden.

2008 – 70 Jahre nach dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich möchten wir jene Menschen, die ab März 1938 als Kinder und Jugendliche gedemütigt, verfolgt, aus Österreich vertrieben und deren Familien sehr oft von den Nazis ermordet wurden, persönlich zu einem Besuch in ihre alte Heimat einladen.

200 Schulen aus ganz Österreich waren im Mai 2008 Gastgeber für 200 österreichische Überlebende, die heute in den USA, in Israel, in Argentinien, in Großbritannien, in Australien, in Schweden oder weiteren Staaten der Welt leben. 

Am 5. Mai 2008, dem Nationalen Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus (Tag der Befreiung des KZ Mauthausen), haben 10.000 SchülerInnen, LehrerInnen, Überlebende und Interessierte am Heldenplatz in Wien eine einzigartige Gedenkveranstaltung begangen, die von Überlebenden, SchülerInnen und KünstlerInnen gestaltet wurde.

Dabei wurde in den Alleen des Heldenplatzes ein eindrucksvolles Denk.Mal installiert:

  • Überlebende haben ihr Vermächtnis dokumentiert.

  • Schülerinnen haben in Erinnerung an die mehr als 100.000 Menschen aus Österreich, die von den Nazis ermordet wurden  65.000 Juden sowie zehntausende weitere Opfer wie politische Gegner, Behinderte, Roma und Sinti, Homosexuelle oder Gläubige – Kunstwerke gestaltet: Texte, Bilder, T-Shirts, Plakate, Kunst gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit - für Zivilcourage und Mitmenschlichkeit.

Viele der Begegnungen zwischen SchülerInnen, LehrerInnen und Überlebenden sind unter  "Die Letzten Zeugen" dokumentiert - in Form von Lebensgeschichten, Dokumenten, Filmen, Bildern, Begegnungs-Berichten, Denk.Mal-Werken oder Medienberichten.

Projekt Israel - Botschafter der Erinnerung

Im Projekt Botschafter der Erinnerung sind im März 2008 15 SchülerInnen in Israel Dutzenden österreichischen Holocaust- Überlebenden begegnet, um deren Lebensgeschichten zu dokumentieren.

Auf dieser Seite des Living Memorial finden Sie ausgewählte
  • Weblogs und Bilder der SchülerInnen aus Israel
  • Lebensgeschichten von Überlebenden in Israel
  • Filme der Begegnungen in Israel
Alle Filme, Weblogs und Lebensgeschichten finden Sie hier: Die Israel-Dokumentation

12. März 08: Die Nacht des Schweigens

In der Nacht vom 12. auf den 13. März 2008 sind mehr als 15.000 Erwachsene, Kinder, Jugendliche und Pensionisten auf dem Wiener Heldenplatz zur "Nacht des Schweigens" zusammengekommen, um 70 Jahre nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich der unzähligen Opfer des NS-Regimes zu gedenken: Juden und Jüdinnen, politische Gegner, Behinderte, Roma und Sinti, Homosexuelle und jenen, die aus Glaubensgründen verfolgt wurden.

Sie haben - als bewußter Kontrapunkt zum Jubel und der Hysterie des März 1938, der Österreich in den Untergang mit dem Verbrechen des Holocaust geführt hat, an dem Österreich und Österreicher keine geringe Mitschuld getragen haben - in dieser Nacht 80.000 Kerzen entzündet. Und geschwiegen.

Alle Informationen und Bilder zur Nacht des Schweigens finden sie unter:
www.nachtdesschweigens.at

Projekt London - Botschafter der Erinnerung


Im Projekt Botschafter der Erinnerung sind im Oktober 2007 20 SchülerInnen in London Dutzenden österreichischen Holocaust- Überlebenden begegnet, um deren Lebensgeschichten zu dokumentieren.

Auf dieser Seite des Living Memorial finden Sie ausgewählte
  • Weblogs und Bilder der SchülerInnen aus London
  • Lebensgeschichten von Überlebenden in London
  • Filme der Begegnungen in London
Alle Filme, Weblogs und Lebensgeschichten finden Sie hier: Die London-Dokumentation

Projekt New York - Botschafter der Erinnerung

Im Projekt Botschafter der Erinnerung sind im April 2007 insgesamt 33 SchülerInnen nach New York geflogen, wo sie mehr als 100 österreichischen Holocaust- Überlebenden begegnet sind, um deren Lebensgeschichten zu dokumentieren.

Auf dieser Seite des Living Memorial finden Sie ausgewählte
  • Weblogs und Bilder der SchülerInnen aus N.Y.
  • Lebensgeschichten von Überlebenden aus N.Y. und den USA
  • Filme der Begegnungen in N.Y. und den USA
Alle Filme, Weblogs und Lebensgeschichten finden Sie hier: Die New York-Dokumentation

80.000 weiße Rosen - Blumen der Erinnerung

Am 5. Mai 2006 tragen 25.000 Menschen - unter ihnen 15.000 SchülerInnen aus ganz Österreich, 80.000 weiße Rosen mit den Namen der 80.000 österreichischen NS-Opfer zu all jenen Adresse, an denen die Menschen vor ihrer Deportation und Ermordung - als unsere Nachbarn - gelebt haben.

Die Blumen der Erinnerung berühren und sorgen in Hunderten Häusern dazu, dass die Bewohner beginnen, sich für die Geschichten der Ermordeten zu interessieren.


DIASHOW Bilder 4. Mai 2006     

Das war der 4. Mai 2006

DIASHOW Bilder 5. Mai 2006     

Das war der 5. Mai 2006

Briefe in den Himmel - 80.000 weiße Luftballons

5. Mai 2003. Wien, Heldenplatz. Mehr als 15.000 SchülerInnen aus ganz Österreich lassen in einer berührenden Gedenkveranstaltung 80.000 weiße Luft ballons mit „Briefen aus der Gegenwart an die Vergangenheit für die Zukunft“ an die 80.000 österreichischen Opfer des NS-Regimes - Juden, politisch Verfolgte, Homosexuelle, Behinderte, Gläubige - steigen. Zur Erinnerung und Mahnung.

Eine Auswahl der Briefe in den Himmel finden Sie hier.

Zur Diashow

» So wurde der 5. Mai 2003 ein riesiges, beeindruckendes Fest, in dem würdevolles Erinnern genauso Platz fand wie fröhliche Aufbruchsstimmung.« Alfred Worm (1945-2007)

KZ Mauthausen - Die Nacht des Schweigens

7. Mai 2005, Mauthausen. Tausende junge und ältere Menschen aus vielen Ländern entzünden vor den Toren des KZ Mauthausen gemeinsam Kerzen zur Erinnerung an die Ermordeten - und schweigen.

» Im Gedenken an die 100.000 Menschen, die im KZ Mauthausen und seinen Nebenlagern ermordet wurden, entzünden wir 100.000 Kerzen - und schweigen. Wir wollen im Jubiläumsjahr 2005 daran erinnern, dass die Zweite Republik auf den Trümmern des Faschismus mit dem unvergleichlichen Verbrechen des Holocaust gebaut wurde, an dem Österreich und Österreicher keine geringe Mitschuld getragen haben ...«  Die Projekt-Initiatoren


Bilder der Nacht des Schweigens

Befreiungsfeier im ehemaligen KZ Mauthausen


9. Mai 2004, Mauthausen.
20.000 Menschen gedenken im ehemaligen KZ Mauthausen der Befreiung des Lagers. „A Letter To The Stars“ - SchülerInnen moderieren die Befreiungsfeier und begleiten Überlebende auf ihrem Weg der Erinnerung. Zum Abschluss steigen Hunderte Friedenstauben über dem Todeslager auf. Bilder der Befreiungsfeier

» Wir können, was die Überlebenden des Holocaust erlitten haben, nicht wiedergutmachen. Aber wir können Ihnen heute Brücken bauen, die Hand reichen und ein Stück alter Heimat zurück geben ... « Leon Zelman

Filmdokumentation

ORF 2, 6. Mai 2005. 3-sat, 16. Mai 2005. Der 50-minütige Film „Die Sterne verlöschen nicht“ von Helene Maimann zeigt anhand von vier Überlebenden und SchülerInnen die Arbeit im Projekt „A Letter To The Stars“, er erzählt von Mut und Zivilcourage, von Verfolgten und ihren Helfern, von geretteten Leben, von Liebesgeschichten, die der Gefahr widerstanden haben.
mehr Infos zum Film

» Ich war oft dem Tod nahe, aber ich wollte überleben, den Nazis zum Trotz ...«  Leopold Engleitner

Das Projekt in den Medien

» Tausende von österreichischen Schülern holten damit jene Menschen, die in den Konzentrationslagern zu bloßen Nummern herabgewürdigt wurden, aus der Anonymität der Opferzahlen zurück und versuchten auf diese Weise, ihnen symbolisch ihre Würde wiederzugeben ...«  Neue Zürcher Zeitung

» Letztlich werden es einzelne Geschichten sein, welche die Jugendlichen mitnehmen werden - die Geschichten ,ihrer’ Toten, die sie zu erzählen versuchten.«  Tages-Anzeiger

» Die Recherche-Erfolge engagierter Jugendlicher im Rahmen der Aktion ,A Letter To The Stars´sind wirklich beeindruckend.«   Kronen Zeitung

» Zeitgeschichte lebt: Die Erforschung von 80.000 heimischen Holocaust-Schicksalen wird zum pädagogischen Musterprojekt.«   NEWS

Das Projekt A Letter To The Stars verfügt seit nunmehr drei Jahren über eine beständige, enorm hohe Medienresonanz. Hunderte Artikel sind bisher in allen relevanten österreichischen Tageszeitungen und Wochenmagazinen wie auch in unzähligen renommierten internationalen Printmedien erschienen. Auch in den elektronischen Medien wird national und international regelmäßig – von Kurzmeldungen bis zu ausführlichen Dokumentationen – über das Projekt berichtet. Im Internet weisen z.B. die Suchmaschien google und yahoo selbst bei engster Eingrenzung jeweils rund 1.000 Treffer für „A Letter To The Stars“ auf.

Weitere Gedenk-Aktionen



9. November 2003. Wien, Seitenstettengasse
. Jüdische und nicht jüdische SchülerInnen legen in Erinnerung an die „Reichskristallnacht“ Blätter mit den 80.000 Namen der österreichischen Holocaust-Opfer nieder.

Bilder aus der Seitenstettengasse

Frühjahr 2004, KZ Mauthausen. Hunderte Überlebende, SchülerInnen und BesucherInnen säen vor den Toren des ehemaligen KZ Sonnenblumen-Samen zur Erinnerung an die 100.000 Menschen, die in Mauthausen und seinen Nebenlagern ermordet wurden. Im Sommer blüht das Feld der Erinnerung.

Das war der 5. Mai 2006

Mehr als 25.000 Menschen haben am 05. Mai 2006 an der Gedenkveranstaltung Blumen der Erinnerung teilgenommen.
Etwa 15.000 SchülerInnen aus mehr als 300 Schulen aus ganz Österreich sind gemeinsam mit Tausenden Interessierten auf den Wiener Stephansplatz gekommen, wo sie an der Gedenkveranstaltung teilgenommen und danach die 80.000 Blumen der Erinnerung an jene Adressen in ganz Österreich gebracht haben, an denen die Opfer des NS-Regimes vor ihrer Vertreibung und Ermordung gelebt haben.

Die Gedenkveranstaltung wurde von Überlebenden, SchülerInnen und Künstlern gestaltet. Alle Wort- und Musikbeiträge finden Sie hier:

Musik:
Sabina Hank-Trio (Saniba Hank - Bösendorfer-Flügel & vocals, Herbert Berger - Saxophon & Mundharmonika & vocals, Alex Meik - Kontrabass & vocals)
Stücke:
Sabina Hank: Thema Blumen der Erinnerung
STS: Wo sind all die Menschen hin?
STS: Und es is so schön da ...
Sabina Hank: Samma schon Menschen (nach einem Text von Jura Soyfer)

Rosi und Toni Grünschlag (vierhändig): Schubert Variations op.82 Nr 2 for one piano four hands.

Berichte von Überlebenden & Zeitzeugen & Schülern:


SCHÜLERIN Fanny Mendelsohn:
Mein Name ist Fanny Mendelsohn, ich bin Schülerin am Lauder-Chabad-Campus in Wien-Leopoldstadt.
30.000 Menschen aus diesem Bezirk wurden von den Nazis ermordet.
Wir legen heute - gemeinsam mit Schülern anderer Schulen -vor dem Haus Zirkusgasse37 insgesamt 44 Rosen nieder. So viele Menschen wurden alleine aus diesem Haus deportiert und vernichtet.
In einem Versteck im Keller der Zirkusgasse 37  ist im Herbst 1944 - mitten im nationalsozialistischen Wien -  aber auch ein jüdisches Baby zur Welt gekommen:  Fritz Rubin-Bittmann.

ÜBERLEBENDER Fritz Rubin-Bittmann:
Mein Name ist Fritz Rubin-Bittmann, ich bin 61 Jahre alt. Ich stehe heute hier für meine Eltern Josef und Sidonie, die als so genannte U-Boote in Wien überleben konnten und aus dem Versteck heraus noch vielen anderen Menschen ein Überleben mitten im Holocaust ermöglicht haben.
Und ich stehe hier für jene, die nicht weggeschaut, sondern geholfen haben - und Menschen waren.
Sie haben mir und Hunderten anderen Versteckten das Leben gerettet.
Und ihr könnt heute helfen, indem ihr nicht wegschaut, sondern helft, wenn Menschen in Not sind oder bedroht werden. Zeigt Zivil-courage, wo immer es nötig ist.

SCHÜLERIN Karin Berger:
Mein Name ist Karin Berger, ich bin Schülerin an der Glasfachschule Kramsach in Tirol.
Wir bringen heute gemeinsam mit Walter Fantl-Brumlik, der mir seine Lebensgeschichte erzählt hat und von dem ich sehr viel lernen durfte, weiße Rosen an die letzte Adresse seiner Eltern, in die Große Mohrengasse 38.
Dort hat Walter Fantl-Brumlik gelebt, bevor er als 18-jähriger mit seinem Vater nach Auschwitz Birkenau gebracht wurde - wo sein Vater sofort ermordet wurde.

ÜBERLEBENDER Walter Fantl-Brumlik:
Mein Name ist Walter Fantl-Brumlik, ich bin 82 Jahre alt.
Ich stehe heute hier für jene mehr als 80.000 Österreicher, die in den Konzentrationslagern ermordet wurden. Und ich stehe heute hier für meinen Vater, den ich das letzte Mal an der Todesrampe in Auschwitz gesehen habe.
Ich danke Euch von Herzen, dass Ihr uns Überlebenden zuhört und an die Ermordeten erinnert.

SCHÜLER Alexander Sperl:
Mein Name ist Alexander Sperl, ich bin Schüler am BG und BRG Perchtoldsdorf.
Wir bringen heute gemeinsam mit Cecilia Kornbluth, die für den heutigen Tag eigens aus San Francisco, Kalifornien, nach Wien gekommen ist, weiße Rosen in die Leystraße 23.
Diese Rosen erinnern an ihre ermordeten Familienmitglieder, wie ihren Vater, der 1942 in Auschwitz getötet wurde.

ÜBERLEBENDE Cecilia Kornbluth:
Mein Name ist Cecilia Kornbluth.
Ich stehe heute hier für jene etwa 130.000 Österreicher, die vertrieben wurden, die flüchten oder emigrieren konnten - und die nach dem Krieg niemals eingeladen wurden,  zurückzukehren.
Ich bin aus Kalifornien heute hierher gekommen, weil ich von Eurer Aktion gehört habe  und ich - wie so viele Überlebende, die heute in aller Welt verstreut leben - davon sehr berührt bin.
Es tut uns sehr  gut, dass ihr Jugendliche, die ihr heute so alt seid wie wir damals waren, als wir aus Österreich hinausgeworfen wurden, versucht, aus der Geschichte zu lernen. Euer Projekt ist für uns auch so etwas wie Versöhnung.

BEGLEITERIN Manuela Horvath:
Mein Name ist Manuela Horvath, ich bin von der Roma-Jugendgruppe in Oberwart.
Wir bringen heute gemeinsam mit Ceija Stojka und vielen Schülern aus verschiedenen Schulen aus dem Burgenland symbolisch 5.000 Rosen nach Oberwart - für die ermordeten Roma und Sinti.
Ceija Stojka wurde 1941 mit ihrer Mutter und fünf Geschwistern nach Auschwitz gebracht, wo ihr die Nummer Z 6399 eintätowiert wurde. Von den mehr als 200 Mitgliedern der Großfamilie Stojka überlebten nur sechs Menschen. Z stand für Zigeuner.

ÜBERLEBENDE Ceija Stojka:
Mein Name ist Ceija Stojka, ich bin 73 Jahre alt.
Ich stehe heute hier für die tausenden Roma und Sinti aus Österreich, die in den KZs getötet wurden..
Ich stehe hier für meinen Vater Wanka, der in Schloss Hartheim vergast wurde, für meinen Bruder Ossi, der mit 8 Jahren in Auschwitz starb, für meine Mutter, die es im KZ Ravensbrück geschafft hat, dass ich überleben konnte und die dafür auch ihre Ermordung riskiert hat.
Ich danke Euch, dass ihr auch uns nicht vergesst und bitte Euch, niemals gegen Minderheiten aufzutreten.

SCHÜLERIN Ines Eberharter:
Mein Name ist Ines Eberharter, ich bin Schülerin an der HLW Kufstein.
Wir durften Johann Gross in unserer Schule kennen lernen. Wir bringen heute weiße Rosen zum Spiegelgrund, wo zwischen 1940 und 1945 mindestens 789 Kinder und Jugendliche ermordet wurden.

ÜBERLEBENDER  Johann Gross:
Mein Name ist Johann Gross, ich bin 75 Jahre alt.
Ich stehe heute hier für jene Tausenden Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung ermordet wurden - weil sie von den Nazis für lebensunwert, für wertlos, für unbrauchbar erklärt wurden.
Ich stehe heute hier für all die Kinder und Jugendlichen, die für medizinische Zwecke gequält und umgebracht wurden, einfach nur, weil sie - so wie ich - sozial benachteiligt waren.
Helfen Sie bitte mit, dass Menschen mit besonderen Bedürfnissen nie wieder als wertlos oder unwürdig bezeichnet werden.

SCHÜLERIN Denise Smrezek:
Mein Name ist Denise Smrezek, ich bin Schülerin am Erich-Fried-Gymnasium.
Ich lege heute gemeinsam mit Susanne Lamberg, die mehrere KZ überlebt hat und uns ihre Lebensgeschichte berichtet hat, weiße Rosen vor dem Haus Hörlgasse 10 nieder - für ihre ermordeten Familienangehörigen. Susanne Lamberg ist eine der wenigen KZ-Überlebenden, die nach Wien zurückgekehrt sind.

ÜBERLEBENDE Susanne Lamberg:
Mein Name ist Susanne Lamberg.
Ich war ein ganz normales Wiener Mädel. So wie so viele hier - unter euch. Im Oktober 1942 wurde ich ins KZ Theresienstadt deportiert. Weil ich ein ganz normales Wiener Mädel war. Und Jüdin.
Im KZ Theresienstadt musst ich zwei Jahre als Maschinentischlerin arbeiten, bevor ich 1944 nach Auschwitz deportiert wurde. Die Hölle Auschwitz erlebte ich fünf Tage lang. Dann wurde ich nach Schlesien gebracht und zu schweren Erdarbeiten gezwungen.
Im Winter 1944 wurden wir von Schlesien weggetrieben - auf einen Todesmarsch zum KZ Groß Rosen, in Polen. Von dort wurden wir in einem offenen Kohlenwaggon ins KZ Bergen Belsen transportiert.
Am 15. April 1945 wurde ich von der britischen Armee befreit. Es waren nur wenige, die - so wie ich - überlebt haben.
Die nächsten 4 Jahre verbrachte ich in Schweden. Mein Körper konnte sich erholen.
Ich stehe heute hier für die Zehntausenden Frauen aus Österreich, die in den Vernichtungslagern des Dritten Reichs  getötet wurden.
Ich freue mich, dass ihr alle heute ein so schönes Zeichen der Erinnerung und der Mahnung setzt. Wenn die Blumen auch vergehen, die Erinnerung an diesen Tag wird bleiben.

SCHÜLER Benjamin Spurny:
Mein Name ist Benjamin Spurny, ich gehe auf das Gymnasium Rainergasse in Wien.
Ilse Aschner, sie hat damals das Gymnasium in der Rainergasse besucht und war gestern bei uns in der Schule, konnte 1939 von Wien nach England flüchten. Ihre Eltern wurden in Riga ermordet.
Ilse Aschner ist Schauspielerin geworden. Sie liest nun ein Gedicht, das Dr. Milan Bader, ein Wiener Jude, in einem Hotel in Brüssel geschrieben hat. Es stammt aus dem Jahr 1940. Dr. Bader ist Flüchtling.

ÜBERLEBENDE Ilse Aschner:
Dr. Milan Bader hat das folgende Gedicht an seine Frau nach Wien - in die Spiegelgasse 2, ganz hier in der Nähe - geschickt.  Es ist ein Gedicht über erzwungene Emigration. Dr. Bader und seine Frau wussten zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass dieses Gedicht, sein letztes Lebenszeichen sein sollte. Dr. Milan Bader wurde am 10. Oktober 1942 in Malines/Auschwitz ermordet. Seine Tochter, Inge, ist heute hier bei uns am Stephansplatz.

Die Sonne scheint
Doch nicht für Emigranten.
Weihnachten, und wir sind heimatlos.
Bei Menschen sind wir, die uns niemals kannten.
Sie nahmen uns ins Land aus Mitleid bloß.
Was wir besessen, haben wir verloren,
Und werden es wohl niemals wiedersehen.
Das schöne Wien!- Dort wurden wir geboren
Als Bettler mussten wir aus uns´rer Heimat geh´n.
Der Frühling kommt und bald darauf der Sommer,
Der Herbst, der Winter, - alles geht vorbei.
Ob Sonne, Regen, Schnee, ob wilde Stürme -
Für Emigranten ist es einerlei!
Durch fremde Strassen wandeln wir im Dunkeln
Kein freundliches Gesicht, dass uns entgegenlacht
Wir sehen kein Blühen, keine Sonne
Für Heimatlose bleibt es ewig Nacht!

SCHÜLERIN Sonja Kuba:
Mein Name ist Sonja Kuba, ich bin Schülerin der Montessori-Schulen in der Hermanngasse.
Josef Landgraf hat uns erzählt, wie und warum er als damals 17-jähriger Schüler Flugblätter gegen die Nazis verfasst hat. Obwohl er dafür zum Tode verurteilt wurde, war er immer froh, für seine Überzeugung eingetreten zu sein.

ÜBERLEBENDER Josef Landgraf:
Mein Name ist Josef Landgraf.
1941 war ich 17 Jahre alt. Mein Direktor an der Schule und viele meiner Professoren waren begeisterte Nationalsozialisten.
Ich habe mich trotzdem immer gegen die geistige Vergewaltigung gewehrt: als die jüdischen Mitschüler von der Schule vertrieben wurden, als meine Lieblingsmusik, der Jazz verboten wurde, und als plötzlich andere Länder und Völker überfallen wurden.
Ich konnte das Unrecht nicht vertragen. Und so habe ich damals für mich beschlossen, dagegen zu sein und Widerstand zu leisten.
Auf der Schreibmaschine meines Vaters habe ich etwa 70 Flugschriften gegen das NS-Regime getippt, mit einem Gummisetzkasten habe ich rund 50 Flugzettel und ein paar Aufkleber hergestellt.
Gemeinsam mit meinen Mitschülern Friedrich Fexer, Anton Brunner und Ludwig Igallfy haben wir diese in Wien im 2., im 3. und im 6. Bezirk verteilt.
Was wir nicht wussten, war, dass fast alle unsere Schriften von den Findern sofort zur Gestapo getragen wurden. So wurden wir schon nach wenigen Wochen ausgeforscht und verhaftet.
Anton Brunner und ich wurden zum Tod verurteilt, Ludwig Igallfy zu acht Jahren Gefängnis, Friedrich Fexer zu sechs Jahren.
Dass wir nicht hingerichtet wurden, können wir nur dem lieben Gott verdanken.
Natürlich war unser Kampf von vornherein aussichtslos. Aber es ging auch uns tatsächlich nicht in erster Linie darum, zu siegen, es ging uns viel mehr darum, etwas zu tun.
Und ich war - selbst in der Todeszelle - froh, dass ich dafür eingetreten bin, wovon ich überzeugt war. Ich habe mich nicht verbogen.
Denn man lebt  -  egal in welcher Zeit -  besser mit einem geraden Rücken.

SCHÜLERIN Anna da Silva:
Mein Name ist Anna Da Silva, ich bin Schülern im Gymnasium Kundmanngasse.
Wir haben Leo Bretholz vor zwei Jahren kennen gelernt, als er an unserer Schule war. Wir begleiten Leo Bretholz heute an die letzten Wohnadressen seiner Mutter und seiner Schwestern. Leo Bretholz` Botschaft an uns lautet: "Es ist wichtig, dass die Erinnerung nicht stirbt." Und dafür werden wir sorgen.

ÜBERLEBENDER Leo Bretholz:
Mein Name ist Leo Bretholz. Als ich 17 war und die Nazis in Wien einmarschiert sind, gab es plötzlich Nachbarn, die uns nicht mehr kannten und Freunde, die mir ins Gesicht spuckten.
Meine Mutter und meine Schwestern wurden ermordet. Ich habe überlebt, weil meine Mutter mich rechtzeitig vor einer Verhaftung weggeschickt hat.
Sie hat mich umarmt und gesagt, ich solle jetzt gehen.
Auf der Flucht über Luxemburg, Belgien und Frankreich bin ich immer wieder verhaftet worden und saß schließlich in einem voll gestopften Güterwaggon, mit dem Endbahnhof Auschwitz.
Ich stand unter einem kleinen, mit Gitterstäben versperrten Fenster am hinteren Ende des Zuges.
Hier war eindeutig unsere letzte Chance. "Das Fenster", sagte ich.
Der Versuch, aus dem Zug nach Auschwitz zu fliehen, war keine Heldentat, es war die Angst, nicht dorthin zu kommen, wo die Leute umgebracht werden, und es war die Hoffnung, meine Mutter wieder zu sehen.
Ich denke noch immer an meine Mitreisenden:
an das Kind, das von seinen Eltern beim Einsteigen getrennt wurde, und an den alten Mann, der zu einem unsichtbaren Gott betete;
an meinen Freund Albert, der noch einmal ein trauriges italienisches Volkslied sang;
und an den kleinen Buben, der auf dem Schoss der alten Frau saß, der alten Frau, die ihre Krücke in die Luft geschwungen und Manfred und mir zugerufen hatte:
´Wer soll denn sonst unsere Geschichte erzählen? Geht jetzt! Geht!"
Durch die Gitterstäbe konnte ich nur, weil ich mich vorher mit den Ausscheidungen vom Boden des Waggons benetzt habe.
Ein Pfarrer hat mir eine Zugkarte nach Paris verschafft, wo ich mich dem Widerstand angeschlossen habe, erneut verhaftet wurde - und wieder flüchten konnte.
Nach dem Krieg bin ich nach Amerika gegangen, ich habe unter anderem 20 Jahre lang als Buchhändler gearbeitet, habe immer gelesen, nur über meine Geschichte habe ich immer geschwiegen.
Jetzt will ich nicht mehr schweigen. Die letzten Worte meiner Mutter waren: "Vergiss nie, wer du bist!"
Ich bin Jude.
Hitler wollte, dass wir verschwinden, diesen Gefallen habe ich ihm nicht getan.
Dass es in der Welt immer noch Antisemitismus oder Ausländerfeindlichkeit gibt, ist fast unglaublich.
Aber, wenn ich euch sehe, habe ich ein gutes Gefühl für die Zukunft.

INTERESSIERTE Katja Rahteiser:
Mein Name ist Katja Ratheiser, ich bin die Enkelin von Viktor Frankl. Mein Großvater wurde bekannt als Begründer der Logotherapie. Obwohl er schreckliche Erfahrungen in den KZs der Nationalsozialisten gemacht hatte, sah er gleich nach seiner Befreiung nur einen Weg als richtigen: den Weg der Versöhnung.
An seine Freunde Wilhelm und Stepha Börner schrieb mein Großvater am 14 September 1945.
Meine Lieben!
Nun bin ich 4 Wochen schon in Wien. Endlich ergibt sich eine Gelegenheit, Euch zu schreiben. Aber ich habe nur Trauriges mitzuteilen: Vor kurzem erfuhr ich, dass man meine Mama, eine Woche nach mir, nach Auschwitz geschickt hat. Was das bedeutet, wisst Ihr wohl. Und auch meine Frau ist tot. Sie kam von Auschwitz zu Schanzarbeiten nach Trachtenberg bei Breslau und dann ins berüchtigte KZ Bergen-Belsen. Dort hatten die Frauen "Furchtbares, Unbeschreibliches" zu erleiden.
Ich habe mir das "Unbeschreibliche" von einer Heimkehrerin aus Bergen-Belsen schildern lassen. Ich kann es nicht wiedergeben.
So bin ich jetzt ganz allein geblieben. Wer kein analoges Schicksal hat, kann mich nicht verstehen. Ich bin unsäglich müde, unsäglich traurig, unsäglich einsam. Ich habe nichts mehr zu hoffen und nichts mehr zu fürchten. Ich habe keine Freude mehr im Leben, nur Pflichten; ich lebe aus dem Gewissen heraus ...
Mich kann kein Erfolg freuen; alles ist gewichtlos, nichtig, eitel in meinen Augen, zu allem habe ich Distanz. Es kann mir nichts sagen, nichts bedeuten. Die Besten sind nicht zurückgekehrt und haben mich allein gelassen. Auch mein bester Freund Hubert Gsur ist enthauptet worden.
Im Lager glaubte man schon, den Tiefpunkt des Lebens erreicht zu haben - und dann, als man zurückkam, musste man sehen, dass alles nicht dafür gestanden, dass das, was einen aufrecht erhalten, zunichte geworden ist, dass man zur Zeit, als man wieder Mensch geworden, noch tiefer, in ein noch bodenloseres Leiden sinken konnte. Da bleibt einem vielleicht nichts, als ein bisschen weinen und ein bisschen in den Psalmen blättern.
Vielleicht werdet Ihr über mich lächeln, vielleicht werdet Ihr mit mir böse sein; aber ich widerspreche mir nicht im geringsten, ich ziehe von meiner alten Lebensbejahung nichts zurück, wenn ich die Dinge so erlebe. Im Gegenteil: hätte ich nicht diese felsenfeste positive Lebensauffassung - was wäre in diesen Wochen, ja schon in jenen Monaten des KZ aus mir geworden?
Aber ich sehe die Dinge nun in einer weiteren Dimension. Ich sehe zunehmend ein, dass das Leben so unendlich sinnvoll ist, dass auch im Leiden und sogar im Scheitern noch ein Sinn liegen muss. Und der einzige Trost, der mir bleibt, ist darin gelegen, dass ich mit gutem Gewissen sagen kann, ich habe die Möglichkeiten, die sich mir boten, verwirklicht, ich möchte sagen: in die Wirklichkeit hinübergerettet. Dies gilt in Bezug auf die kurze Ehe mit Tilly. Was wir erlebt haben, kann nicht rückgängig gemacht werden, es ist gewesen, aber dieses Gewesen-sein ist vielleicht die sicherste Form des Seins.
Ich grüße Euch ganz herzlich!
Euer Viktor

SCHÜLERIN Agnes Platt:
Mein Name ist Agnes Platt. Ich bin Schülerin am Gymnasium Perchtoldsdorf.
Ich durfte Paula Ross in den vergangenen Tagen begleiten und habe sehr viel von ihr erfahren und gelernt.
Wir werden heute  gemeinsam vor jenem Haus in der Margareten-strasse weiße Rosen  niederlegen, in dem ihr Verlobter gewohnt hat, bevor auch er deportiert und ermordet wurde.

ÜBERLEBENDE Paula Ross:
Mein Name ist Paula Ross, ich bin 90 Jahre alt.
Als Jugendliche ging ich mit einer Jugendgruppe regelmäßig Bergsteigen. Meine Bergsteiger-Freunde und ich gründeten eine Widerstandsgruppe gegen die Nazis, die sich regelmäßig im Wienerwald traf. Ich war die einzige Jüdin.
Wir besorgten auch Waffen. Sogar in unserer Wohnung daheim habe ich Waffen versteckt. Als ich aber einmal in der Situation war, auf jemanden zu schießen, konnte ich nicht abdrücken.
Meine beste Freundin Frederike, genannt Friedl Hartmann, war Teil unserer Widerstandsgruppe. Sie wurde in Wien enthauptet.
Mit 14 habe ich die Liebe meines Lebens kennen gelernt. Sein Name war Georg Helmut Schlosser. Er war 17. 1939, da war ich 19,  schaffte ich die Flucht aus Österreich und musste meinen Liebsten zurück lassen. Seine Spur verlor sich in einem kleinen Dorf in Polen, wahrscheinlich ist er dort in einem Wald erschossen worden.
Heute bin ich hier, um gemeinsam mit Agnes eine Rose vor seiner letzten Wohnadresse niederzulegen.
Und ihr, die ihr heute hier steht, macht aus diesem Moment einen der bewegendsten meines Lebens. Danke.

Reden:

Alfred Worm: (Präsident Unterstützungs-Komitee ALetterToTheStars)

Mein Name ist Alfred Worm. Ich bin Journalist und einer der Initiatoren von "A Letter To The Stars". Im Namen des ganzen Projektteams darf ich Euch heute herzlich hier am Stephansplatz begrüßen.
Mehr als 80.000 Menschen aus Österreich - Juden, politische Gegner, Roma und Sinti, Behinderte, Homosexuelle, Gläubige und  so viele andere  - wurden im NS-Regime ermordet.
All diese Menschen haben mit uns und unter uns gelebt - als Bekannte, als Nachbarn, als Freunde, als Familienmitglieder.
All diese Menschen wurden gewaltsam aus unserer Mitte herausgerissen, zu Unmenschen erklärt, verachtet, vertrieben, ...... vergast - und später verdrängt und vergessen.
Heute, am 05. Mai 2006, dem ,Nationalen Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des National-
Sozialismus´, möchten wir in ganz Österreich dieser 80.000 Menschen gedenken.
Wir möchten vor all jenen Häusern, in denen die Opfer vor ihrer Deportation gelebt haben, als symbolische Geste weiße Rosen niederlegen - verbunden mit den Namen der früheren Bewohner und Nachbarn.
Diese 80.000 weißen Rosen -  die Blumen der Erinnerung - mögen heute, 65 Jahre nach Beginn der Massendeportationen, dokumentieren, wohin Rassismus und Unmenschlichkeit damals geführt haben und wohin Intoleranz oder Fremdenfeindlichkeit auch heute wieder führen können.
Wir, die Initiatoren und das Projektteam von , A Letter To The Stars´,  freuen uns, dass Sie sich am Projekt "Blumen der Erinnerung" beteiligen und dass sie heute  aus ganz Österreich auf den Stephansplatz nach Wien gekommen sind.
Wir dürfen Sie, wir dürfen Euch alle begrüßen:
Euch: - die Überlebenden, die aus aller Welt heute nach Österreich zurückgekommen sind, um gemeinsam mit Schülern und heutigen Hausbewohnern, Blumen der Erinnerung´ vor jenen Häusern niederzulegen, aus denen sie vor rund 65 Jahren hinausgeschmissen wurden …
Euch: -  die Schülerinnen und Schüler, die Lehrerinnen und Lehrer, die sich im Projekt auf so beeindruckende und berührende Art engagieren  und die Lebensgeschichten von Opfern und Überlebenden des Holocaust dokumentieren …
Euch: -  die jungen und betagten Menschen, die an dieser Veranstaltung teilnehmen, um ganz bewusst ein Zeichen zu setzen.
Ihr alle, die Ihr heute zu dieser Gedenkveranstaltung gekommen sind, werden diesen Tag zu einem ganz besonderen Tag in der Geschichte Österreichs machen.
Wir bedanken uns dafür, dass Sie da sind.

Martin Traxl: (Moderator)

Mein Name ist Martin Traxl, ich bin TV-Moderator und Leiter der Fernsehkultur-Redaktion des ORF. Ich darf  Sie durch diese Veranstaltung führen.
Ich stehe heute hier, weil es mir - so wie Ihnen, so wie Euch - ein persönliches Anliegen, ja, ein Bedürfnis ist, an die Opfer des NS-Regimes zu erinnern und zu versuchen, aus der Vergangenheit zu lernen.
Die "Blumen der Erinnerung" erscheinen mir dabei als besonders würdevolle, schöne Art des Gedenkens.
Die weiße Rose ist zum einen ein Symbol des Widerstands, zum anderen bedeutet die Farbe Weiß "Die Geschichte dem Vergessen zu entreißen".
Und genau das wollen wir heute tun. Die Geschichte dem Vergessen entreißen, um daraus in der Gegenwart für die Zukunft lernen zu können.
Die "Blumen der Erinnerung", diese 80.000 weißen Rosen,  sind vergänglich - so  wie die Geschichten jener Menschen, die vor 65 Jahren, also vor weniger als einem Menschenleben, ermordet wurden. Und die niemand mehr lebendig machen kann.
Aber indem Sie sich mit diesen Menschen und ihren Geschichten auseinander setzen, geben Sie, gebt Ihr diesen Menschen einen Teil ihrer Würde zurück, holt sie in euer Leben und damit ins Heute zurück.
Wenn diese Blumen heute vor den Häusern niedergelegt werden, aus denen heraus all die Kinder, Frauen und Männer ermordet wurden, so sind sie gleichzeitig auch ein Stachel in der Geschichte dieser Häuser, in unserer Geschichte.
Denn viel zu viele von uns haben einfach zugesehen,  weggeschaut oder auch mitgemacht, als Menschen über Nacht zu Unmenschen und sehr rasch zu Nummern gemacht wurden, als sie abgeholt wurden, als ihre Wohnungen unsere Wohnungen wurden, als diese Menschen vernichtet wurden und als diejenigen, die überlebt haben, nie eingeladen wurden, zurückzukehren.
Auch daran sollen die weißen Rosen erinnern.
Aber es geht hier und heute nicht darum, Schuld zuzuweisen, es geht darum, zu zeigen, dass es möglich ist, aus der Geschichte zu lernen.
Und das zeigen Sie, das zeigt Ihr auf so einzigartige Weise: Ich bin  stolz auf Ihr, auf Euer Engagement.
Ich bin besonders stolz auf Euch, auf die Jugend dieses Landes, auf euch Schülerinnen und Schüler. Was ihr im Rahmen dieses Projekts leistet, ist berührend, tut gut, ja ich glaube, es ist das Schönste, was diesem Land passieren kann.
Das Programm, das sie in der kommenden Stunde erwartet, soll der Würde des heutigen Tages gerecht werden.
Es wird getragen von Menschen aus Österreich, die den Holocaust im KZ, in der Haft, auf der Flucht oder im Exil überlebt haben.
Von Schülerinnen und Schülern, die im Projekt ganz beachtliches leisten - zum Beispiel eben diesen Überlebenden das Gefühl zu geben, dass die Jugend des Landes, aus dem sie als Jugendliche hinausgeworfen wurden, bereit ist, aus der Geschichte zu lernen. Ein beruhigendes, versöhnliches Gefühl.
Wir bedanken uns für Ihre Teilnahme  und hoffen, dass dieser 5. Mai 2006 ein Tag wird, der uns alle ein Stück  auf dem schwierigsten Weg weiterbringt, den wir begehen: Den Weg, Menschen zu werden.

 

Das war der 4. Mai 2006

 

  • Am Morgen des Donnerstag, dem 04. Mai 2006,  wurden die 80.000 weißen Rosen auf dem Wiener Stephansplatz – in Zusammenarbeit mit ProjektteilnehmerInnen und Präsenzdienern – zu einem beeindruckenden Mahnmal geformt.
  • 75.000 weiße Rosen (selbstverständlich aus Fair-Trade-Produktion) wurden auf einer Fläche von 600 Quadratmetern in etwa 1.500 weißen Blumentöpfen aufgestellt. 
  • 5.000 weiße Rosen wurden zu einem Rosen-Vorhang installiert, der eine 20 Quadratmeter große Fläche an der Front des Stephansdoms bildete.
  • Auf diesem Rosenvorhang wurden ab Einbruch der Dämmerung in der Projektion des Künstlers Andreas M. Eberharter von der Universität für Angewandte Kunst die Namen der österreichischen Opfer des NS-Regimes gezeigt. Alle 1,5 Sekunden erschien ein weiterer Opfer-Name. Dennoch konnte das Mahnmal bis zum Morgengrauen nur etwa jeden vierten der insgesamt 80.000 Opfernamen zeigen.
  • Zudem wurde an diesem Abend - ab ca. 19.30 Uhr - auf dem Stephansplatz auch ein kulturelles Programm angeboten: Die Geschwister Rosi und Toni Grünschlag, die 1938 in Wien als Jüdinnen verhaftet wurden und 1939 über England nach Amerika flüchten konnten, wo sie zu weltbekannten Pianistinnen wurden, spielten ein eigens für diesen Abend zusammengestelltes Klavier-Konzert mit folgenden Stücken: Claude DebussyEn blanc et noir. Avec emortement lent. sombre scherzando.  Marc Antonio ConsoliRounds and Relays (written and dedicated to Toni + Rosi Grunschlag) Manuel Infante: Sentimiento.  Witold Lutoslaswski: Variations on a theme by Paganini
  • Darüber hinaus werden Teile eines neuen Dokumentarfilms von Mirjam Unger (nach einer Idee von Sonja Ammann und Lisa Juen) über 8 Frauen, die 1938/39 aus Wien vertreiben wurden und heute im Großraum N.Y. leben, gezeigt: Der Film  Wiens verlorene Töchter läuft ab Herbst in den Kinos an.

 


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