Die letzten Zeugen - Das Buc

ERWIN LAMM


 
 

ERWIN LAMM

geb. 1921-01-07
lebt heute in Australien

Ermordete Verwandte


Diese Geschichte wurde im Projekt "Die Letzten Zeugen" erstellt.

Der heimliche eingenähte Ring

Erwin Lamm konnte mit 17 Jahren nach London fliehen, nach Kriegsausbruch in England wurde er jedoch als "feindlicher Ausländer" in Australien interniert. In Melbourne begann sein neues Leben, wo er seine Frau Inge, ein "Wiener Mädl", kennen lernte.

Ich wurde in Wien am 07. Jänner 1921 in eine glückliche Familie geboren, die aus meinen Eltern, meinen älteren Geschwistern Herbert und Emmy und meinem 8 Jahre später geborenen Bruder Felix bestand. Unsere Familiengeschichte ist in Österreich bis 1660 nachzuverfolgen, mein Neffe hat diese Genealogie nachgeforscht.

Nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland am 12.3.1938 hat sich unser Leben radikal verändert und wir Juden wurden das Ziel von Verfolgung und Völkermord. Nachdem andere jüdische Männer und ich direkt vor der Synagoge in der Seitenstettengasse von Nazi Soldaten gezwungen wurden den Boden auf Knien zu schrubben und man in den ersten Tagen des dritten Reiches noch aus dem Land ausreisen konnte, hatten meine Eltern beschlossen mit der Familie  in die Tschechoslowakei zu fliehen, wo wir eine Filiale unseres Familienbetriebs hatten.

Danach wurde ich nach London geschickt, wo eine Tante von mir lebte. Gemeinsam mit einer Gruppe junger jüdischer Männer, begleitet von dem Londoner Rabbi Schonfeld, reiste ich mit einem Transport nach London.

Meine Mutter gab mir vor meiner Abreise einen Diamtring, den sie in das Futter meines Mantels einnähte sowie eine goldene Kette.
Zu dieser Zeit, ich war damals 17 Jahre alt, war ich perplex über die Tat meiner Mutter, es sollte aber für meine Zukunft wichtig sein.

Ich war gerade 7 Monate in London als der Krieg im September 1939 ausbrach und ich als "feindlicher Ausländer" in einem Lager interniert wurde. Seit Juli 1940 war die englische Regierung der Annahme, dass die österreichischen und deutschen Bürger Großbritanniens eine "fünfte Kolonne" werden könnten und somit den feindlichen deutschen Truppen Hilfe leisten könnten. Das war der Grund für meine Internierung. Die jüngere Generation wurde an Bord von Schiffen gesetzt, die entweder nach Kanada oder Australien fuhren. Ich fuhr mit der Dunera in eine ungewisse Zukunft. Erst nach Kapstadt erfuhr ich, dass es nach Australien ging.

An Bord des Schiffes Dunera, bot sich ein britischer Offizier an, alle Wertsachen für mich aufzubewahren. Mit all meinem Vertrauen gab ich ihm meine goldene Kette, der Ring war ja Dank der Voraussicht meiner Mutter, sicher in meinem Mantel verwahrt. Und der britische Soldat hatte sein Versprechen gehalten, die Kette war so sicher aufgehoben, dass ich sie nie wieder sah.

Ich wurde in Australien für zwei Jahre in einem Lager interniert, da ich nicht als legal eingewandert galt. Mein Status war der, als ob ich in einem britischen Konsulat leben würde. Zu Beginn des Japankrieges hatten die britischen und australischen Behörden den jüdischen Flüchtlingen die Möglichkeit gegeben in die australische Armee einzutreten, oder im Lager zu bleiben. Ich habe in der Armee zwei Jahre gedient und war für den Transport des Armeenachschubs zuständig

In Australien musste ich schließlich erfahren, dass meine Eltern und mein kleiner Bruder Felix im Oktober 1944 in Auschwitz umgekommen waren. Meine beiden anderen Geschwister konnten ein neues Leben, ebenfalls in Australien beginnen.

Nach dem Armeeaustritt verliebte ich mich in Melbourne in ein "Wiener Mädl": Ilse. Lustigerweise lebte Ilse in Wien, genau wie ich, in der Taborstraße (Nr. 46), nur ein paar Häuser von mir entfernt. Als wir uns verlobten, konnte ich ihr den Ring überreichen, den mir meine geliebte Mutter in den Mantel genäht hatte und der ihr Abschiedsgeschenk an mich war.

Ilse und ich heirateten am 20. Januar 1946 und feierten bereits unseren 63igsten Jahrestag, gemeinsam mit unseren beiden Kindern Danny und Gilda und deren Familien. Wir sind stolz auf 6 Enkel und 3 Urenkel.

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