Die letzten Zeugen - Das Buc

CHANA KÄTHE RUBINSTEIN


 
 

Diese Geschichte wurde im Projekt "Die Letzten Zeugen" erstellt.

»Nicht nur Zeitzeugin, sondern unser Gast«

Wie die LehrerInnen der Heilstättenschule die Begegnung erlebten.

Lehrerinnen und Lehrer der Wiener Heilstättenschule haben mit einzelnen Kindern schon in einem der Vorjahre an »A Letter To The Stars« teilgenommen. Als auch im Jahr 2007 ein Projekt für die Schulen in Aussicht gestellt worden war,  bekundete ich als Direktorin der Schule wieder unser Interesse. Mit einigen der stationär aufgenommenen Kinder wollten wir am Projekt 38/08  teilnehmen - zu diesem Zeitpunkt wollten wir wirklich bloß teilnehmen, die zeitgeschichtlichen Informationen der Organisation im Unterricht nützen, die Vorbereitungen etc. auf der Homepage verfolgen, vielleicht mit einigen Kindern bei der großen Veranstaltung am Heldenplatz dabei sein – aber es war keine Einladung eines/r ZeitzeugIn geplant.

Grund für die Zurückhaltung war einerseits die besondere Struktur der »Heilstättenschule« – nämlich viele vereinzelte Klassen in verschiedenenWiener Spitälern – und anderseits die Tatsache, dass wir uns zunächst nicht zutrauten, die Reaktion unserer Schulkinder – selbst krank, selbst traumatisiert  etc. – einzuschätzen. Wie würden sich unsere in ihren eigenen Seelen verletzten Kinder damit tun, mit einer Person in direkten Kontakt zu treten, die selbst Schreckliches erlebt hat, wie würden sie anderes Leid, andere Traumata, die Schilderung unfassbarer Erlebnisse aushalten?

Als aber das Organisationsteam für die Kinder und Jugendlichen der Heilstättenschule Frau Rubinstein – Wienerin und Krankenschwester, mit einer eigenen Beziehung zum Wilhelminenspital – gefunden hatte, waren alle Bedenken wie weggewischt. Frau Rubinstein hat uns Kraft gegeben, das Projekt durchzuziehen, noch ehe wir sie persönlich bei uns hatten.

Projekt an der Tagesklinik für Psychosomatik im AKH

Sieben Schülerinnen und Schüler einer heterogenen Gruppe zwischen zehn und fünfzehn Jahren waren aktiv beteiligt.  Als Vorbereitung auf den Besuch und die Festveranstaltung wurde an Hand von Filmausschnitten, Zeitungsartikeln und anderem Unterrichtsmaterial der historische Hintergrund erarbeitet. Der Lebenslauf von Frau Rubinstein und die Besprechung ihrer Lebensgeschichte setzten in der Arbeit mit den Kindern einen deutlichen Akzent. Es war dies eben keine abstrakte Schilderung der Nazigräuel aus den Schulbüchern, sondern die individuelle Lebensgeschichte eines Menschen, mit dem eine Identifizierung möglich war; einer Frau, mit der Kommunikation möglich war. Deutlich anders als üblich reagierten die Kinder auf den Unterrichtsstoff Nationalsozialismus. Die Kinder selbst wollten ihre persönliche Wertschätzung in Form einer kreativen Arbeit zum Ausdruck bringen. So entstand ein Plakat für sie, wo sich jedes Kind vorher genau überlegte, was es darstellen wollte und das Motiv dann auch akribisch umsetzte. Die Kinder fühlten sich an Hand der Lebensgeschichte beim Arbeiten am Plakat in die Person und in ihr Schicksal hinein. Besonders wichtig war ihnen, dass es ihr gefällt! Auch wenn kein persönlicher Kontakt stattgefunden hat – die Kinder der Tagesklinik haben Frau Rubinstein nur kurz beim Vorbeigehen am Heldenplatz gesehen – hatten die Kinder große Freude, sich zu beteiligen und es war für sie etwas Besonderes, dabei sein zu dürfen. Beeindruckt waren sie auch von der großen Menge der teilnehmenden SchülerInnen auf dem Heldenplatz, den Berichten der anderen ZeitzeugInnen und den Werken der anderen Schulklassen. Auf Grund der persönlichen Leidensgeschichte der Kinder ist besonders sensibel mit der Lebensgeschichte der Zeitzeugin umgegangen worden. Ein Kind mit jüdischem Hintergrund hat viele Erinnerungen der eigenen Familie beigetragen.

Projekt am Wilhelminenspital

Die Motivation, am Projekt teilzunehmen, ergab sich aus der permanenten Auseinandersetzung mit Zeitgeschichte. Es ist notwendig, dass SchülerInnen undemokratische, menschenfeindliche und andere ausgrenzende Tendenzen in der Vergangenheit kennen lernen, um ebensolche in ihrem Alltag jetzt und heute zu erkennen. Der Anspruch, sich früh genug dagegen zu wehren und zu Wort zu melden, konnte durch die Begegnung mit Frau Rubinstein gefördert und gefestigt werden. Im Geschichtsunterricht wurde zunächst als Vorbereitung ein Grundwissen über Nationalsozialismus und Shoa vermittelt. Durch ein Telefonat mit Frau Rubinstein war es möglich, den SchülerInnen vorab schon etwas aus deren Leben zu erzählen. Drei Schülerinnen waren besonders interessiert, sie entschieden sich dafür, T-Shirts zu bemalen. Die Gedenkveranstaltung am Heldenplatz und dass sie Frau Rubinstein dort persönlich kennen gelernt haben, hat die Schülerinnen sehr berührt und nachdenklich gestimmt. Sie wurden sehr aufmerksam und hellhörig gegenüber den Ausgrenzungen, mit denen sie in ihrem Leben heute konfrontiert sind.

Frau Rubinstein besuchte die Station und stellte sich zuerst den Jugendlichen als Auskunftsperson im Rahmen einer Schulstunde zur Verfügung. Später fand für das Team von Pavillon 15 eine eigene Gesprächseinheit (nur für Erwachsene) statt, in der sie ihre Lebensgeschichte erzählte und Fragen beantwortete.

Wir alle haben Frau Rubinstein als sehr vitale, fröhliche, nach vorne blickende Frau erlebt, die uns sehr berührend und konzentriert aus ihrem Leben und Erleben in der Nazizeit erzählt hat. Viele Details aus dieser Zeit waren auch für uns Erwachsene neu. Die authentische Schilderung einer Betroffenen hat sehr zur Aufklärung und Sensibilisierung beigetragen. Sie hat uns aber auch teilhaben lassen an ihrem Leben in Israel seit 1948.  Ganz besonders wichtig war uns, Frau Rubinstein nicht nur als Zeitzeugin zu sehen, sondern sie als Gast bei uns zu haben. Wir waren fasziniert von ihrem Interesse an uns, von ihrer Gegenwartsbezogenheit und von ihrem Charme. Unser Dank gilt auch ihrem Sohn, der sie begleitet hat.

Veronika Wagner-Kraus (Allgemeines Krankenhaus), Susanne Tomsu-Müllner(Wilhelminenspital), Ingrid Schierer (Schulleiterin)

»Es geht um Engagement für Gerechtigkeit«

Wie Julia Felberbauer ihre Begegnung mit Überlebenden in Israel beschreibt.

Meine Begegnung mit den Überlebenden Herrn Ben-Rechav und Frau Rubinstein hat mich sehr beeindruckt, vor allem die Art, wie die beiden über ihre Erlebnisse sprachen.

Einerseits konnten sie über einige Ereignisse und Umstände sogar lachen, andererseits war es sicher beizeiten nicht leicht für sie, dieses Interview zu führen. Ich finde es bewundernswert, dass sie den Mut aufbringen, über so schlimme und bestimmt traumatisierende Erlebnisse mit Menschen zu sprechen, die sie noch nie getroffen haben, einfach weil es ihnen wichtig ist, dass ihre Geschichte und jene der Menschen, die von den Nazis ermordet wurden, nicht vergessen werden und nicht geleugnet werden können.

Gleichzeitig geht es ihnen nicht nur um die Erinnerung, sondern darum, dass sich die Geschichte nicht wiederholt, das heißt es geht um mein und unser persönliches Engagement für Demokratie und Gerechtigkeit, gegen Vorurteile, Hass und Krieg.
Mich persönlich beschäftigte und beschäftigt dieser Aspekt meiner Begegnung am meisten, weil ich trotz meiner längeren Auseinandersetzung mit Antisemitismus, Rassismus und dem Holocaust bisher nicht wusste, wie ich mich von diesem Punkt aus weiter sinn- und wirkungsvoll engagieren sollte. Es ist viel einfacher, den Überlebenden zuzuhören und ihre Geschichten in Erinnerung zu behalten, als anschließend auch den nächsten und wichtigsten Schritt zu gehen und in der Realität praktische Konsequenzen aus diesen Erinnerungen zu ziehen und diese in die Tat umzusetzen.

Dies ist wahrscheinlich eine Lebensaufgabe, und in jedem Fall der Gedanke und Auftrag, den ich aus diesem Projekt an erster Stelle mitnehme.

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