Die letzten Zeugen - Das Buc

JOACHIM VON ZEDTWITZ


 
 

JOACHIM
VON ZEDTWITZ

wirkte in Tschechien, Prag

Der Mediziner aus Wien, der jüdischen Nazigegnern die Flucht ermöglichte

Joachim von Zedtwitz half in Prag gemeinsam mit Kafkas Freundin "Milena" - meist jüdischen - Nazigegnern aus der Tschechoslowakei zu fliehen, indem er sie an die polnische Grenze brachte. 1944 wurde er verhaftet und nach 15 Monaten wieder entlassen. In Berlin schloss er sich danach einer Widerstandsbewegung an.

Freiherr Dr. Joachim von Zedtwitz wurde am 11. Juni 1910 in Wien geboren. Er stammte aus einer adeligen Familie und sah im Nationalsozialismus einen Widerspruch zu seiner humanitären Einstellung. Als die Deutschen in Österreich einmarschierten, zog er erst ins Sudetenland und später nach Prag, wo er Medizin studierte.

Im Frühling 1938 lernte er in Prag Kafkas berühmte Freundin ("Briefe an Milena") Milena Jesenska kennen, die nach der Besetzung der Tschechoslowakei Fluchtwege für bedrohte Antifaschisten und Juden organisierte. Milena wohnte in der Kourinskastraße 6. In ihrer Wohnung fanden viele verfolgte Juden Unterschlupf und wurden auf die Flucht über die Grenze nach Polen vorbereitet.

Zedtwitz freundete sich mit Milena an und beschloss, ihr bei ihrer humanitären Arbeit zu helfen. Mit seinem Auto brachte er die Flüchtlinge über Mährisch-Ostrau in die Nähe der Grenze, wo ortskundige Fluchthelfer sie gegen Bezahlung nach Polen brachten. In der polnischen Stadt Kattowitz unterhielten die Engländer ein Auffanglager. Die Flüchtlinge konnten von dort aus nach England weiterreisen.

Unter jenen von Zedtwitz über die Grenze Geschmuggelten, befanden sich Rudolf Keller (Chefredakteur des "Prager Tagblatts"), Julius Hollos (Redakteur des "Prager Mittags"), Karel Tschuppik (Schriftsteller und Besitzer des "Prager Montags"), Elfriede Menne (Gattin eines Schriftstellers, der ein Buch gegen Krupp geschrieben hat), der Sohn des Ministers Derer und seine Verlobte, zwei junge Flieger, Dr. Behrend aus Danzig, die Brüder Rabl, die Nichte des Bankiers Petschek mit ihrem kleinen Kind, Rudolf Steiner, Markievicz, W. Spencer-Kraus, Maria Krtilova, Evzen Klinger (Schriftsteller), Bonka Krieger, Franzi Rippl (Gattin eines tschechischen Buchverlegers) und Fritz Beer (später Präsident der PEN - Zentrale deutschsprachiger Autoren im Ausland).

Milena trag auf ihrer Kleidung demonstrativ den Judenstern, um ihre Solidarität mit den verfolgten Juden zu manifestieren. Im November 1939 sollte von Zedtwitz Milena im Hause der Familie Meier treffen, aber sie erschien dort nicht. Er erfuhr, dass sie verhaftet worden war. Er selbst wurde am 27. März 1940 in Bromberg verhaftet. Er simulierte eine Geisteskrankheit, wurde nach 15 Monaten ohne Prozess freigelassen und kehrte nach Prag zurück.

Nach dem Kommunistenputsch verließ er im Sommer 1948 die CSSR und ging als staatenloser Flüchtling in die Schweiz.

Joachim von Zedtwitz hatte während der Besetzung der Tschechoslowakei seine deutsche Staatsbürgerschaft aufgegeben. Er hatte sich für die Nazis geschämt und wollte auch nach dem Krieg seine Staatsbürgerschaft nie zurück.

In den 1980ern wurde er Schweizer Staatsbürger.

Quelle: Meisels (1996) "Die Gerechten Österreichs"
Siehe auch Gutman et al. (2005) „Lexikon der Gerechten unter den Völkern: Deutsche und Österreicher“

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