Die letzten Zeugen - Das Buc

Walter Fantl-Brumlik wurde 1924 in Loosdorf geboren. 1942 wurde die Familie ins KZ Theresienstadt deportiert. Walter und sein Vater kamen nach Auschwitz, der Vater wurde sofort ermordet. Heute lebt Walter in Wien und hat mit Karin Berger gesprochen.

Walter war 14, als er auf ein Lastauto verladen wurde

Durch das Projekt "A Letter To The Stars" durfte ich einen Menschen kennen lernen, den ich sehr, sehr schätze und bewundere! Dieser Mann beweist mir jedes Mal, wenn ich ihn sehe, dass es immer einen Weg gibt. Sein Name ist Walter Fantl-Brumlik.

Walter wurde in Loosdorf am 6. März 1924 geboren und lebte bis 1938 als glücklicher Sohn von Hilda und Arthur Fantl-Brumlik in Bischofstetten. Die Familie führte dort ein Geschäft.

Ich habe letztes Jahr die Lebensgeschichte seiner Schwester Gertrude recherchiert, die im Oktober 1942 in das KZ Theresienstadt deportiert wurde. Danach musste sie im Lager Kursbach in Schlesien schwere Erdarbeiten verrichten. Beim Vorrücken der Roten Armee wurde sie gezwungen, nach Groß Rosen und später nach Bergen Belsen zu marschieren.

Ihre Spuren verlieren sich im Oktober 1944. Es gibt keine weiteren Nachrichten über sie.

Durch diese Recherchen im vergangenen Jahr durfte ich Gertrudes Bruder Walter Fantl-Brumlik kennenlernen.

Herr Fantl-Brumlik erzählte mir über diese Zeit nach 1938, dass man in erster Linie hoffte, überleben zu können. Viele versuchten unter schwierigsten Umständen auszuwandern. 1921 wanderte ein guter Bekannter von Walters Vater namens Gruber nach Amerika aus. In der schwierigen Situation der Familie Fantl-Brumlik schrieb Walters Vater ihm, ob er für seine Familie eine Sicherstellung erreichen könne, um die Auswanderung nach Amerika zu ermöglichen. Walters Vater war Kaufmann, um leichter auswandern zu können, deklarierte er sich jedoch als Landwirt.

Die Familie wurde gezwungen, Haus und Geschäft zu verkaufen. Der Vater hätte einen Kaufvertrag unterschreiben müssen, weigerte sich jedoch und wurde in der Folge von der Gestapo nach St. Pölten ins Gefängnis geschleppt und einige Tage eingesperrt. Die Nazi-behörde übte starken Druck auf Arthur Fantl-Brumlik aus, aber er beugte sich den Zwangsmaßnahmen nicht und unterschrieb den Kaufvertrag, den man ihm aufzwingen wollte, niemals.

Walter besuchte vier Jahre lang die Volksschule Bischofstetten. Danach absolvierte er, wie seine Schwester Gertrude, die Schiller-Hauptschule in St.Pölten. Im Schuljahr 1938 wurden sämtliche Juden, und damit auch Walter und seine Schwester Gertrude, von der Schule entfernt.

Ich möchte versuchen zu erzählen, was Walter während der grausamen Nazizeit erleben musste. Im Jänner 1939 wurde die ganze Familie mit einem Lastauto und ein paar Möbelstücken von Bischofstetten nach Wien transportiert. Herr Fantl-Brumlik war ein 14-jähriger aufgeweckter Junge, seine Schwester Getrude war zu diesem Zeitpunkt 18 Jahre alt.

Ab ihrer Ankunft in Wien mussten sie bis Oktober 1942 immer wieder in eine andere Sammelwohnung ziehen. Die Wiener Kultusgemeinde bot in dieser Zeit Kurse an, um eine Auswanderung zu erleichtern. Die Menschen wurden dazu angehalten, Berufe zu erlernen, für die es im Ausland Bedarf gab. Wenn man einen Kurs absolviert hatte, bekam man ein Zeugnis von der Auswanderungsabteilung der Israelitischen Kultusgemeinde.

Walter ließ sich auf Mechaniker umschulen, seine Schwester auf Serviererin, Säuglingspflegerin und Erzieherin. Unter anderem musste Walter in der Zeit bis 1942 in Wien Wohnungen für die Nazis instand halten.

Am 1. Oktober 1942 wurde die Familie deportiert. Mit einem Lastauto wurden sie zum Aspangbahnhof und von dort weiter nach Theresienstadt gebracht. Walter wurde in Theresienstadt für den Weitertransport nach Auschwitz Birkenau selektiert. Ohne Wasser und in einen Güterwaggon gepfercht musste er diese Überfahrt zusammen mit seinem Vater durchstehen.

Dort angekommen entschied Mengele durch einen Fingerzeig an der Rampe über Leben und Tod, Walters Vater wurde an diesem Tag umgebracht.

Walter Fantl-Brumlik meldete sich als  Schlosser und wurde dann in das KZ Gleiwitz I transportiert. Unter schwersten Bedingungen musste er dort in Tag- und Nachtarbeit in unterirdischen Gewölben Reparaturen für die Deutsche Reichsbahn durchführen. Der Weg vom Lager in die Werkstätte erfolgte unter strenger Bewachung. Am Sonntag gab es keine Schicht, aber die Internierten mussten trotzdem - als reine Schikane - Steine schleppen. Täglich wurden Menschen umgebracht und viele von ihnen wurden als Erhängte oder Erschossene auf grausamste Art vor den anderen Gefangenen zur Schau gestellt.

Mit Oskar Weiss, Ernst Sonntag, Sigi Rittberg und Leo Luster hatte Walter im KZ Freundschaft geschlossen. Im Jänner 1945 begann der Todesmarsch. Am ersten Tag ging es nach Reigersfeld, am zweiten Tag ins Lager Blechhammer (Ehrenforst hieß der Ort). Walter war geschwächt und hatte eine schwere Entzündung am Fuß, er konnte daher nicht aus eigener Kraft weitermarschieren. Doch seine Kameraden halfen ihm bis nach Blechhammer. Dort wurden die Tore geöffnet und den Häftlingen wurde gesagt, dass sie frei seien. Dies war jedoch ein großes Täuschungsmanöver. Alle, die durch das große Tor gingen, wurden erschossen.

Walter und seine Kameraden sind in einer Baracke zurückgeblieben. Walter war so krank und geschwächt, dass er sich nicht mehr aufraffen konnte, weiterzugehen und war deshalb in der Baracke geblieben. Die Baracken wurden von den Nazis blind beschossen und angezündet. Einen unter ihm liegenden Freund traf eine Kugel.

Als die Nazis schließlich verschwunden waren, quartierten sie sich in Ehrenforst in leerstehenden Häusern ein, legten die KZ -Kleidung ab und zogen sich erstmals wieder zivile Kleidung an. In der Nähe war ein leeres Spital. Die russischen Armeemitglieder schossen dort das Schloss der Essenskammer auf und verteilten das Essen. Ernst Sonntag konnte Russisch und erfuhr, dass die Lage vor Ort nicht so stabil sei und sie sich nach Polen absetzen sollten. Sie gingen daraufhin weiter bis nach Krakau und kamen am 23. 3. 1945 nach Kattowitz. Von dort marschierten sie weiter nach Sagam. Nach ein paar Tagen, bis im Mai 1945 der Friedensschluss kam, wurden sie dort von den Russen verpflegt.

Von dort fuhr Walter schließlich nach Cottbus und wollte anschließend noch einmal zurück nach Theresienstadt, um zu erfahren, was mit seinen Angehörigen passiert war. Er erfuhr, dass sie nach Auschwitz deportiert worden waren. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Wien auf der Reise nach Theresienstadt, wo er sah, dass die Lage völlig desolat war, kam Walter Fantl-Brumlik später, im August 1945, erneut nach Wien zurück.

Walter versuchte sich nach dem Krieg in Wien ein neues Leben aufzubauen. Am 29. 7. 1954 heiratete er seine Frau Edith. Walter Fantl-Brumlik lebt heute noch in Wien, wo ich diesen großartigen Menschen bereits besuchen durfte.

Ich denke oft an ihn und immer, wenn ich nicht weiter weiß, sage ich mir: Dieser Mann hat so unvergleichlich vieles mehr überstanden, dann kann ich die kleinen Hürden meines Lebens auch überwinden.

Karin Berger, Glasfachschule Kramsach