Die letzten Zeugen - Das Buc

SUSANNE BALABAN


 
 

SUSANNE
BALABAN

(früher Katz)
geb. 1921-10-13
lebt heute in den USA

Alle Berichte: 1 2  
Diese Geschichte wurde im Projekt "Botschafter" erstellt.

Melanie Katzenschlager, Schülerin an der HLW Zwettl in Niederösterreich, ist als Botschafterin der Erinnerung im April 07 in New York der Überlebenden Susanne Balaban begegnet, die aus Österreich in die USA flüchten konnte.

"If we do not hate another ..."

Susanne Katz Balaban, geboren 1921, erzählt ihre Lebensgeschichte.

Ich bin in Wien am 13. Oktober 1921 im VI. Bezirk, Eszterhazygasse 31, geboren. Da wir unsere Eltern & Religion nicht auswählen können, waren unsere Eltern Johanna (Diamant) Katz und Paul Katz von jüdischem Glauben.

Obzwar mein Papa als Schuhvertreter schwer gearbeitet hat, haben unsere Eltern, meiner Schwester und mir, viel geboten. Wir sind in die Tanzschule, Gesangschule, Turnverein gegangen und im Winter fast täglich Eislaufen nach der Schule. Wie wir ein bisserl älter waren, öffnete unsere Mama ein Handarbeitsgeschäft “Hansi” im 10. Bezirk am Quellenplatz.  Da hatten wir ein Kinderfräulein die auf uns aufgepasst hat. Ich habe Violine gelernt und habe sogar in der Urania mit anderen Kinder ein Konzert gegeben.

Wir hatten einen Schrebergarten am Schafberg, wo wir viel Zeit im Sommer verbrachten, und oft ins Schafberg Bad gegangen sind.  Wir sind sehr oft in die Tschechoslowakei gefahren, um unsere Großeltern, Tanten, Onkels & Cousins zu besuchen.

Im Sommer 1934 sind wir nach Polen gefahren um meines Vaters Familie zu besuchen. Einen Sommer war ich in einem Kindercamp in Italien. Unser Leben in Wien war sehr schön und gemütlich. Wir hatten immer ein Dienstmädel, eine Wäscherin - Frau Ruschka und eine Schneiderin Fräulein Wedra, die zwei Mal im Jahr aus Znaim (CSR) nach Wien kam. Sie machte uns die schönsten Kleider, Kostüme und sogar Mäntel. Im März 1938 hat sich alles geändert! Keiner unserer Hilfen durfte mehr für uns arbeiten.

Unserer Mamas Vater ist Anfang März in der CSR gestorben. Unsere Eltern waren dort beim Begräbnis und sind Freitag Abend (wo Hitler nach Österreich einmarschiert ist) am Weg nach Wien zurück gekommen. Es war  schrecklich bis wir die Eltern gesehen haben. Sie mussten zu Fuß vom Bahnhof nach Hause gehen und wir wussten nicht was da vor geht.  Wir haben nur in Angst gelebt.  Die Nazis haben Frauen & Männer gepackt, um die Strassen zu waschen.  Sie haben alte Leute geschlagen, Menschen erschossen, Bärte ausgerissen.  Die Nazis behandelten Tiere besser wie Jüdische Menschen.

Unser Vater war mit Bekannten im Kaffeehaus Ritter. Es war ein jüdisches Kaffeehaus. Die S.S. sind herein gekommen und haben alle jüdischen Männer her genommen die Buchstaben “Kaffeehaus Ritter” herunter zu nehmen.  Unser Papa war einer dieser Männer. Zufällig hat mein Freund Max (der später mein Mann wurde) das von weitem gesehen.  Er ist schnell zu meinem Vater gelaufen, hat den Buchstaben weggeschmissen und hat meinen Vater durch den Esterhazypark nach Hause gebracht. Die anderen Männer sind nach dieser Arbeit verhaftet worden und die meisten nie mehr nach Hause gekommen. Seit damals war unser Vater bei Bekannten versteckt.

Es war eine angstvolle und böse Zeit für jüdische Menschen. 

Unsere Mama war täglich bei dem amerikanischen Konsulat, um unsere Einreise-Papiere nach Amerika zu bekommen. Unseres Vaters jüngster Bruder – der viele Jahre in Amerika lebte schickte uns die Affidavits.

Eine Woche bevor wir Wien verlassen durften, hat eine junge Bekannte unserer Mama gesagt, dass ihr Freund der in der S.S. war ihr sagte, dass wenn unser Papa noch länger in Wien blieb, er nächsten Montag verhaftet wurde. Unsere Mama bedankte sich bei der Dame und übergab ihr die Schlüssel von unserem Schrebergarten als Geschenk für die Warnung.

Die selbe Woche hat unsere Mama endlich die Papiere zur Einreise nach Amerika bekommen Ein S.S. Mann hat aufgepasst was unserer Mutter erlaubt war in eine kleine Holzkiste und einen kleinen Koffer zu packen.  Wir durften 8 Dollar per Person aus Österreich mitnehmen.  Meine Schwester war zu jung, so hatten wir 24.00 Dollar für Mama, Papa, & mich.  Nächsten Sonntag haben wir alles in der Wohnung zurück gelassen, die Türe zugesperrt und sind zu Fuß zum Westbahnhof gegangen um den Zug nach Hamburg zu bekommen. Zwei Tage später sind wir mit dem amerikanischen Schiff “S.S. Washington” nach Amerika gefahren. 

Es war für uns so schrecklich unsere ganze Familie in Wien, CSR und Polen zurück zu lassen. Speziell unsere Großmutter, Tanten, Onkels und kleine Cousins die wir nie wieder gesehen haben. Die sind leider alle in verschiedenen Konzentrationslager getötet, vergast und verbrannt wurden.  Ich kann und werde sie nie vergessen!!!!

Im Jänner 1939 ist mein Freund Max (Maximilian) Balaban nach Amerika gekommen, der auch durch meinen Onkel die Einreise Papiere bekommen hat. Am 16. November 1940 haben wir geheiratet. Das Leben in Amerika war Anfangs sehr schwer.  Die Sprache, das Klima alles so anders wie in Wien. Ich habe in einem Miedergeschäft für 4 – ½ Dollar die Woche gearbeitet. Unser Vater für 5 Dollar die Woche, und unsere Mama für 10 Dollar als Kinderschwester Tag und Nacht gearbeitet. Mein Mann als Lieferbursch in einem Esswarengeschäft für 10 Dollar die Woche. Wir wohnten alle zusammen und haben die Spesen für Miete, Essen etc. geteilt. Meine Schwester Ruth war 14 Jahre alt und ist in die Hochschule gegangen.

Ich könnte noch vieles über unser Leben in Amerika schreiben. Bin sehr dankba, dass unser Leben gerettet war.

Ich war 63 Jahre mit Max verheiratet. Er ist leider im August 2003 verstorben.  Ich habe drei wunderbare Töchter. Miriam die leider auch Witwe ist, Renee, die mit mir wohnt und Eileen, die mit Jeff verheiratet ist. Ich habe eine Enkelin Amy, die mit Howard verheiratet ist und 3 Urenkelinnen Melissa und Zwillinge Carly & Jenna.

Meine Schwester Ruth Katz Ellinger war für 61 Jahre mit Maron Ellinger, auch ein Wiener, verheiratet. Der leider am 15 Oktober 2007 verstorben ist. Sein Lieblingslied war der Radetzky-Marsch der sogar an seinem Begräbnis gespielt wurde. Ruth hat einen Sohn Allan, Schwiegertochter Bernadette. 3 Enkelinen und 6 Urenkeln.

Vor allem will ich mich bei meiner Schreibfreundin, Melanie Katzenschlager, ihren Eltern Herbert & Andrea und ihrem Bruder Michael und ihre ganze Familie für die so liebe Aufnahme bedanken. Auch die herzliche Aufnahme in Melanies Schule, die Schwestern, Lehrerinnen und
Mitschüler. Es hat uns sehr berührt und wir werden es nie vergessen.

Nochmals vielen Dank dem ganzen “A Letter to the Stars”-Komitee für die liebe Aufnahme und das Programm, das sehr rührend war – ein einmaliges Erlebnis für uns.

Ich schließe mit einigen Worten von Herr Eli Wiesel, “ I don’t want anybody to live my past in the future”.  Ich will nicht, das jemand meine Vergangenheit in der Zukunft leben soll.



Alle Berichte: 1 2  
Diese Geschichte wurde im Projekt "Die Letzten Zeugen" erstellt.

Melanie Katzenschlager, Schülerin an der HLW Zwettl in Niederösterreich, ist als Botschafterin der Erinnerung im April 07 in New York der Überlebenden Susanne Balaban begegnet, die aus Österreich in die USA flüchten konnte.

Ihr seid die Reichen unter den Armen!

Susanne Balaban wurde am 13.10.1921 in Wien geboren und wohnte in der Esterhazygasse. Die Familie musste am 2.Juni 1938 Wien verlassen. Sie lebt nach wie vor in ihrem ersten Exilland Amerika, wo sie sich eine neue Existenz als Korsettmacherin aufbaute.

Susanne Balaban wurde am 13. Oktober 1921 in Wien geboren. Sie lebte mit ihrer jüngeren Schwester Ruth und ihren Eltern im 6. Bezirk, in der Esterhazygasse 31. Susannes Mutter kam aus der Tschechoslowakei, ihr Vater war Pole. Die Familie führte ein sehr gutes Leben in Wien.

Susannes Vater war Schuhvertreter und ihre Mutter hatte ein Handarbeitsgeschäft im 10. Bezirk. Obwohl Susannes Eltern sehr viel gearbeitet haben, ist es ihnen sehr gut gegangen - sie hatten ein Sommerhaus am Schafberg und die Eltern boten Susanne und Ruth alles Beste. Außerdem hatten sie immer eine Hilfe im Haus. Susanne besuchte die Volksschule und anschließend das Realgymnasium. Weiters schickte sie ihre Mutter ein paar Mal in der Woche als Lehrmädel zu einer Miedermacherei, denn sie war der Meinung, dass ein Mädel selbstständig sein sollte. Susanne betonte immer wieder, dass ihre Mutter eine sehr gerechte Frau war.

Im März 1938 änderte sich dann sehr vieles für die Familie. Susanne wurde plötzlich von all ihren nicht-jüdischen Freundinnen verstoßen, sie sprachen nicht einmal mehr mit ihr. Im Juni 1938 flüchtete die Familie dann nach Amerika, denn ihr Vater hätte verhaftet werden sollen. Es war ihr zukünftiger Ehemann der ihnen den Tipp gab zu flüchten, denn er hörte, dass ein Haftbefehl auf Susannes Vater erlassen wurde.

Schnell packte die Familie einige notwendige Sachen zusammen, natürlich unter der Aufsicht eines NS-Offiziers, und sie machten sich auf den Weg. Da die ganze Familie sehr gut gekleidet war, wurde sie von einigen anderen als die „Reichen unter den Armen“ bezeichnet. Die Familie musste ihr ganzes Vermögen, ihre Wohnung, ihre Verwandtschaft und Freunde in Wien zurücklassen und sie durften nur 15 Dollar mitnehmen. (Pro Person 5 Dollar, außer für Ruth, sie war noch ein Kind und zählte nicht)
Ein Familienmitglied von Susanne versteckte auf dem Schiff 100 Dollar. Einen Teil dieses Geldes mussten sie der Besatzung als Trinkgeld geben, damit die Familie ja nicht verraten wurde. Nach einer langen, anstrengenden Reise wurden Susanne und ihre Familie vom jüngsten Bruder ihres Vaters abgeholt. Sie reisten mit der SS Washington nach Amerika.

In Amerika hat sich die Familie dann eine kleine Wohnung gemietet. Susanne arbeitete in einem Miedergeschäft für 4,40 Dollar die ganze Woche. Sie musste jeden Tag (7 Tage die Woche) von 10 Uhr früh bis um 8 Uhr abends arbeiten. Ihr Vater verdiente 5 Dollar die Woche und ihre Mutter als Krankenschwester 10 Dollar. Damals war das Leben ganz anders in Amerika und das Leben der Familie war auf einmal sehr schwer. Sie mussten sich eine neue Existenz aufbauen und verloren in Österreich all ihr Hab und Gut. In Wien durfte Susanne auch Klavier und Violine lernen und sie besuchte sogar eine Tanzschule. Doch das war jetzt alles anders. Das Geld, das Susanne und ihre Eltern in Amerika verdienten, reichte nicht mal mehr für das Notwendigste und so kaufte sich Susanne nach etlichen Monaten eine alte Singermaschine und gab eine Reklame ins Fenster „Suzanne Viennies Corsetier“. Anfangs reparierte sie Mieder und begann somit ein kleines Geschäft aufzubauen. Ihr Vater eröffnete ein kleines Geschäft mit Schuhen und Hausschuhen und ihre Schwester Ruth ging in die Hochschule.

Susanne betonte, dass sie eine große nette Familie in Wien, Znaim usw. hatten, doch leider sind die meisten in verschiedenen Konzentrationslagern umgekommen.

1940 heiratete Susanne dann ihren „Lebensretter“ Max in Amerika. Er flüchtete 1939 nach Amerika, denn er war in Österreich mehrmals in Haft und in verschiedenen Konzentrationslagern. Mit ihm hat Susanne drei bezaubernde Töchter, eine Enkeltochter und 3 Urenkelinnen. Leider starb Max im August 2003. Nun lebt Susanne mit ihrer Tochter Renee in einem wunderschönen Haus in New Jersey…

Das erste Mal traf ich Susanne 2005 in Wien. Schon damals war ich ganz entzückt von Susanne, denn mit ihren 85 Jahren hat sie einen sehr starken Lebenswillen. Auch reist sie noch sehr gerne und versteht mich als Jugendlicher besser, als so mancher Österreicher. Ich habe das zweite Treffen mit Susanne in Amerika sehr genossen. Ich wurde mit einer Herzlichkeit, Offenheit und Wärme in ihre Familie aufgenommen, das nicht selbstverständlich ist. Ich war das ganze Wochenende von Freitag bis Montag bei ihr in New Jersey. Wir hatten viel Spaß und eine Menge auszutauschen, über Österreich und Amerika, über die Vergangenheit und die Zukunft und natürlich über das Jetzt. Mit „A Letter To The Stars“ fand ich eine Freundin und zweite Familie, wie ich es mir nie hätte vorstellen können. Ich freue mich jetzt schon wieder, wenn ich Susanne und ihre Familie das nächste Mal treffe.

In diesem Sinne bedanke ich mich herzlichst bei den Projektleitern für dieses einzigartige Projekt…

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