Die letzten Zeugen - Das Buc

ALICE FISHER


 
 

Diese Geschichte wurde im Projekt "3808 - Einladung" erstellt.

‘like a missing link’ - second generation

Ruth Hajioff kam im Mai 2008 in Begleitung ihrer Mutter Alice Fisher nach Wien. Zurück in London schreibt sie über die Erfahrungen dieser Woche.

Ich muss gestehen, dass ich ein wenig ängstlich war, was meine Reise nach Wien betraf, wo meine Mutter und ich eine Woche gemeinsam auf Einladung von ‚A Letter To The Stars’ verbringen sollten...
Seit dem ich ein Kind war, hatte ich noch nie so viele gemeinsame Tage mit ihr verbracht und ich war auch gar nicht sicher,. ob ich Österreich mögen könnte, ich war davor auch nur einmal für ein Wochenende in Wien und das war vor 14 Jahren.
Es hat sich aber herausgestellt, dass diese Woche in Wien wahrlich zu einer der aufregendsten und lebensveränderten Erfahrungen meines ganzen Lebens wurde. Zunächst wurden wir im Parkhotel Schönbrunn mit großer Wärme willkommen geheißen und  das Team konnte nicht genug für uns tun. All meine vorgefassten schlechten Gedanken waren sofort verflogen. Meine Mutter und ich hatten eine wunderbare Zeit, ich fühlte mich ihr so nah wie nie und war und bin so stolz auf all das, was sie in ihrem Leben geleistet hat.
Als ich ein Kind war, war ich mir nie ganz sicher wo ich hin gehörte, zwar bin ich bereits in London geboren, aber ich havbe mich dennoch immer.ein wenig anders als meine Freunde gefühlt. Mein Leben zu Hause war einfach so anders als bei ihnen, meine Mutter backte herrliche Schokoladetorten und Strudel zu Geburtstagsfeiern; wir aßen Roggenbrot mit Liptauer, Schnitzel und alle anderen österr. Spezialitäten.

Bei all den Partys meiner Freunde fühlte ich mich, obwohl sie nett und zuvorkommend waren, doch immer wie ein Aussenseiter und das obwohl London meine Geburtsstadt ist. Als ich in die Volksschule ging haben mich meine Klassenkollegen sofort gefragt, warum denn meine Eltern so seltsam sprechen. Man muss bedenken, dass England damals noch nicht so fremdenfreundlich war wie heute. Ich wurde nun zu einem Bindeglied zwischen der Welt meiner Eltern und meiner eigenen. Ich musste ihnen erklären und zeigen, was in England Sitte und Gebrauch war.
Meine Eltern habe tief in ihren Herzen Wien nie verlassen, wie immer sie sich auch sehr gut in einer neuen Lebenssituation zu recht gefunden hatten. Sie waren nicht in London, weil sie es wollten, sondern weil sie mussten. Es war nicht leicht ganz von vorne zu beginnen, vor allem nicht während eines Krieges.Besonders als Deutschsprachiger galt man als verdächtig.

Zu all dem kam die Angst und die Ungewissheit was aus den geliebten, zurückgelassen Menschen in Österreich geworden ist.
Meine Eltern lebten in zu einer Zeit, wo es normal war, immer nur zu allen Lebenssituationen ein lachendes Gesicht zu zeigen und ebenso seine wirklichen Gefühle zu verbergen. Ich habe nie wirklich verstanden was passiert ist und immer wenn ich in der Nähe meiner Elten war und sie in Deutsch flüsterten, wusste ich, das etwas nicht in Ordnung war. Ich hatte ein ungutes Gefühl, aber keiner erzählte mir, was wirklich los war. Ich habe immer versucht meine Eltern glücklich zu machen und gut zu ihnen zu sein. Mein Gefühl war es ihnen bei allen möglichen Dingen zu helfen, und ihr Leben zu erleichtern, damit sie sich nicht so ängstlich und traurig fühlen sollten.
Was unseren Aufenthalt in der Schule betraf, waren meine Eltern sehr streng zu uns Kindern. Wir waren für sie so wertvoll und haben einfach all ihre Hoffnungen und Wünsche  für die Zukunft repräsentiert, um ein Leben in Freiheit zu verbringen und der Freiheit dies tun dürfen, etwas was ihnen verwehrt blieb.
Auf dieser Reise im Mai 2008 nach Wien zu kommen, war wie nach Hause kommen. Ich habe mich in dieser Stadt, in dieser Athmosphere, dieser Architektur, dem Essen und der Sprache meiner Kindheit sofort wohl gefühlt. Es war als ob ich alles schon einmal gesehen oder gekannt hätte, ich fühlte mich dieser Kultur so verbunden.
Ich frage mich nun, können Erinnerungen parapsychologisch oder physisch weitergegeben werden? Warum war es so, dass ich mich wie zu Hause fühlte, obwohl ich zu selben Zeit durch und durch englisch bin?

Zum Belvedere gebracht zu werden und all die atemberaubenden Gemälde und erstaunlichen Fresken zu bewundern, war für mich eine sehr emotionale Erfahrung. So viel Kultur und Schönheit hat mein Herz so tief berührt, wie es mir bei einem Besuch in der Royal Academy in London noch nie gelungen ist. Genau das passierte mir, wohin auch immer ich ging. Ich fühlte so eine Tiefe der Kultur und war auf einmal so stolz zu realisieren, das das hier meine Wurzeln waren. Hier ist es, wo meine Eltern und Großeltern gelebt hatten, in dieser Umgebung höchster kultureller Leistungen und Schönheit. Wir besuchten auch die Volksoper und ich war überrascht wie viele gut gekleidete junge Leute in der Vorstellung waren und wie sie es genossen.
Es war erfrischend zu beobachten. Mein Vater liebte die Oper, mein Mutter besitzt immer noch sein Operntagebuch, wo er minutiös jeden Opernbesuch eingetragen hatte.
Obwohl sich meine Eltern erst in London kennen gelernt hatten, war mein Vater bereits 20 als er Österreich verlassen hatte und meine Mutter 16 Jahre und ich frage mich immer wieder, ob sie sich überhaupt je getroffen hätten, wenn sie in Wien aufgewachsen wären.
Die anderen Gäste der Einladung von ‚ A Letter To The Stars’ haben mich sehr beeindruckt.; Ihre Ausdauer und Beharrlichkeit zu überleben und so viel aus ihren Leben zu machen ist großartig, ihre Liebe zu Wien haben sie alle in ihrem Herzen beibehalten. Diese Leute, deren Kinder Briten, Amerikaner, Australier, Israelis oder Argentinier sind, die ihr Leben so gut an das jeweilige Land angepasst haben, teilen alle eine gemeinsame Wurzel, ihre alte Heimat. Nach außen hin identifiziert sich jede Person der zweiten Generation voll und ganz mit unser jeweiligen Nationalität, aber nach innen hin existiert eine Verbindung und das Verständnis für den Weg, den unsere Eltern gegangen sind und warum sie anders als andere Eltern sind.

Es hat sich als solches Privileg herausgestellt auf dieser Reise nach Wien gewesen zu sein, nach all den Jahren habe ich endlich meine Mutter besser kennen gelernt. Als ich sie an den Plätzen ihrer Jugend gesehen habe, konnte ich auf einmal das junge Teenage Mädchen in ihr sehen, das voll von Aufregung und Freude ihre eigene Wurzeln aufsuchte und auch noch dazu so geehrt wurde.
Es war sehr bewegend sie vor Schülern sprechen zu hören, besonders als dann mehr Schulklassen als erwartet gekommen sind um meine Mutter sprechen zu hören.Obwohl sie dachte, dass sie während des Krieges nicht so eine furchtbare Zeit wie andere Leute erlebt hatte, waren die Schüler dennoch ungläubig zu hören, dass mein Vater nach Kanada ausgeschifft wurde und mit anderen Deutschen in einem Camp für ‚feindliche Ausländer’ interniert wurde.
Ich war glücklich, als ich sah, dass meine Mutter Anita aus New York, ihre alte Freundin aus frühen Zeiten in London, in dem Hotel in dem alle Gäste wohnten,  wieder gefunden hatte. Sie hatte alle nach ihr gefragt , aber niemand konnte ihr bei ihrer Suche  weiterhelfen. Sie saß dann auf einmal zufällig in der Hotellobby neben ihr und hat erst nach einigen Minuten herausgefunden, dass sie Anita wiedergefunden hatte. Beide waren so aufgeregt sich wieder zu treffen und zu plaudern.
Der Event am Heldenplatz war überaus bewegend und wir alle fühlten uns sehr geehrt. Die Veranstaltung war beeindruckend und ich war vor allem berührt von den enormen Anstrengungen, die Österreich gemacht hat, um sich für Menschenrechte einzusetzen und neue Generationen von Immigranten Familien willkommen zu heißen.
Ich glaube, dass es wen man Eltern hat, die eine solch traumatische Zeit erlebt haben, auch die nächste Generation enorm beeinflußt. Ich für meinen Teil interessiere mich sehr für Menschrechte und die Probleme des Rassimus. Ich würde jeden nach England einreisen lassen, wen ich die Verantwortung dafür hätte, was ich aber nicht habe.
Zum ersten Mal in meinem ganzen Leben fühle ich mich wirklich verwurzelt und ich weiß wer ich bin. Davor habe ich immer nur versucht die Vergangenheit zu vergraben. Ich bin nun überglücklich, dass es mir möglich ist meine Vergangenheit und Kultur zu umarmen.

Dank Euch allen für euer Gedenken!

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