Die letzten Zeugen - Das Buc

FREDERICK TERNA


 
 

MR. FREDERICK
TERNA

(früher Taussig)
geb. 1923-10-08
lebt heute in den USA


Diese Geschichte wurde im Projekt "Botschafter" erstellt.

  • Isabella Hartmann, 18, Schülerin an der BAKIP St. Josef in Feldkirch/Vorarlberg, traf als Botschafterin der Erinnerung in New York den
  • Überlebenden Fred Terna, 83, der - als einziger seiner Familie - mehrere Konzentrationslager, darunter das KZ Auschwitz, überleben konnte.

Gedankenknäuel zu New York



Seit meiner Rückkehr von New York sind nun einige Wochen vergangen. Vieles hat sich in dieser, zwar relativ kurzen Zeit, verändert. Einiges davon hat sich allerdings nach einiger Zeit wieder in den Alltagstrott eingefügt. Es ist ein überwältigendes Gefühl, völlig neue Orte, neue Menschen kennen zu lernen. Komisch ist es hingegen, wenn sich ungeahnte Blickwinkel geöffnet haben, man nach Hause zurückkehrt und bemerkt, dass vieles beim Alten geblieben ist. Nun, nach der sehr intensiven und prägnanten Auseinandersetzung mit dem Thema des Holocaust, ist es an der Zeit, meine Erlebnisse in New York aus der Sicht einer ganz normalen Österreicherin, die wieder ihr vertrautes Leben lebt, zu reflektieren.

Maßgeblich gebunden sind meine intensivsten Eindrücke in New York an den Kontakt mit Fred Terna und Rosi Grünschlag. Mir wurde schmerzlich bewusst, dass hinter all den Fakten, hinter all den Geschehnissen des Krieges unermessliche Einzelschicksale stehen. Über diese auf persönlicher Ebene zu erfahren war ein kaum beschreibbares, klammerndes, unangenehm präsentes und irgendwie lähmendes Gefühl, das in krassem Gegensatz zu bisherigen, emotionalen Koppelungen mit diesem Thema steht. Doch mich interessierten nicht in erster Linie die Details der Lebensgeschichte, der von mir kontaktierten Personen. Dass diese Menschen nicht nur Opfer, sondern auch Familienväter, Künstler, Musiker, Schwester, oder Ehemänner sind und mit dieser Geschichte weiterleben, und vor allem wie, war für mich überaus interessant. Ich habe mit Rosi eine Kunstgalerie besucht und Kuchen gegessen und Fred hat mir geduldig meine vielen Fragen beantwortet, da er sozusagen Fachmann in jedem Gebiet ist. Ich konnte erleben, wie ein moderner Jude lebt und „glaubt“ und außerdem dieses Thema auch aus wissenschaftlichem Standpunkt diskutieren.

Rosi Grünschlag und Fred Terna besitzen jeweils eine sehr eindrückliche Art und Weise einen Teil ihrer Gefühle in Produktivität, in Kunst umzuleiten oder mithilfe von Kunst zu bearbeiten. An beiden Menschen hat mich die positive, reflektierte und unermüdliche Lebensgestaltung und Gesinnung zutiefst beeindruckt und zugleich auch fasziniert, sodass ich mir gewünscht habe, ebenfalls ein so toller, alter Mensch zu werden.

So hat Rosi 2006 noch ein Konzert in Wien gespielt und Fred organisiert Ausstellungen an Schulen, um nur zwei der zahlreichen Beispiele zu nennen. Für ihre reflektierte Gesinnung spricht auch, die Freundlichkeit und Offenheit mit der ich in New York begrüßt wurde.

Meine Gefühle und Gedanken hinsichtlich diesen Kontakten sind allerdings komplexer und vielschichtiger und drehen sich um Themen wie beispielsweise mein Leben als junge Österreicherin, meine Großeltern oder schlicht und einfach: Was macht man mit damit? Was mache ich aus diesen Kontakten, diesen Geschichten? Wie geht man damit um?

Ich denke, dass es eine optimale Umgehensweise mit dem Thema nicht gibt, womit ich nicht meine, dass es umgangen werden sollte, denn es berührt die Vergangenheit durch den Bezug mit den Großeltern, es wirft aktuelle, politische Fragen auf und prägt die zukünftige Lebensgestaltung.

Kurz nach meiner Rückkehr wurde ein Freund von mir von einer Gruppe rechtsextremer Jugendlicher krankenhausreif geschlagen, was bei mir in Kombination mit dem Treffen in New York ziemlichen Ärger auslöste. Auf individueller Ebene haben unsere Erlebnisse in New York tiefe Spuren hinterlassen. Der weitere Schritt, diese Erlebnisse nun weiter zu tragen, sie in Worte zu fassen und andere Menschen ähnliches zu vermitteln ist für mich allerdings überaus schwierig. Die meisten Menschen die ich getroffen habe, haben sich ohnehin eher für die Stadt New York interessiert als für meine Erlebnisse mit den kontaktieren Personen.

Was bei mir außer den komplexen Gefühlen, den starken Eindrücken und den ungeahnten Erlebnissen geblieben sind, sind offene Fragen und beklemmende Gefühle, die sich aber unerwartet in Faszination oder gar Freundschaft auflösen können. Beshert ist eben beshert. Ich danke für diese Zeit!

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