Die letzten Zeugen - Das Buc

ILSE CRANMER


 
 

Diese Geschichte wurde im Projekt "Die Letzten Zeugen" erstellt.

»Ich konnte in dieser Woche Frieden schließen«

Wie Ilse Cranmer ihre Einladung nach Österreich erlebt hat.

Die Woche war für mich eine emotionale Reise. Die Begrüßung im Parlament und die schöne Gedenkfeier am Heldenplatz waren wundervoll. Als wir durch den Park zu den Gedenktafeln gingen und ich die Namen meiner Eltern gelesen habe, fühlte ich mich, als ob sie zur Ruhe gekommen sind und ich konnte Frieden schließen.

Ich werde diese Woche immer als etwas ganz Besonderes in Erinnerung behalten. Ich habe mich in Wien wieder willkommen gefühlt und mir ist ein großer Stein vom Herzen gefallen.

Vor meiner Abreise nach Wien überlegte ich, ob es vielleicht doch nicht so eine gute Idee wäre, zu kommen. Würde es Wunden aufreißen? Wäre es vielleicht besser nicht zu fahren? Auch die Vorbereitungen auf meinen Schulbesuch waren von Zweifel und Sorge begleitet. Würden die Schüler auch wirklich verstehen? Würden sie interessiert sein?

Als wir nach einer wunderschönen Zugfahrt in Landeck ankamen, wurden wir von Schülern, Lehrern und vom Direktor herzlich begrüßt und in Landeck willkommen geheißen.

Die Schüler waren so wissbegierig und hörten gar nicht mehr auf, Fragen zu stellen. Aber nicht nur meine Erfahrungen und Erlebnisse im Holocaust, sondern auch die Vergangenheit meines Mannes, der während des Krieges in der RAF gedient hatte, wurde mit größter Aufmerksamkeit aufgenommen. Es war eine sehr bereichernde Erfahrung.

Zuhause angekommen, werden mir viele Momente in Erinnerung bleiben.

Die Begrüßung durch die österreichische Regierung. Der besonders emotionale Moment, als wir vorbei an Tausenden Menschen auf den Heldenplatz kamen, die standen und uns applaudierten.

Auch als die Studenten uns zu den Gedenktafeln in der »Memorial Lane« führten und ich die Gedenktafel für meine Eltern sah, für alle sichtbar und lesbar. Alleine der Gedanke daran versetzt mich heute noch in Tränen. Ich fühle, dass jetzt jeder ihre Namen lesen kann und sehen kann, was für ein Opfer sie erbringen mussten, mich wegzuschicken, damit ich (über)leben konnte, mit dem Wissen, dass ich nicht überleben würde, wenn ich bliebe.

Es war wie ein Name auf einem Grabmal. Ich spüre, dass sie jetzt zur Ruhe gekommen sind.

In Wien besuchte ich auch das Haus meiner Kindheit, den Park, in dem ich gespielt hatte – und die Erinnerungen kamen zurück. Ich habe meinem Ehemann so viele Dinge erzählt, an die ich mich zuvor gar nicht erinnern konnte.

Ich möchte auch nicht vergessen, Birgit Westreicher zu erwähnen, sie stellte sich als sehr charmantes junges Mädchen heraus. Wir verbrachten mit ihr einen wunderbaren Nachmittag in Innsbruck. Gemeinsam besuchten wir die Synagoge in Innsbruck. Birgit war noch nie in einer Synagoge, genau wie mein nicht-jüdischer Ehemann, und sie hörte interessiert zu, als ich ihr erzählte. Vieles ist so schwierig zu beschreiben und auf einem Blatt Papier fest zu halten, aber ich hoffe, ihr könnt meinen Gedanken folgen.

Meine Kinder kennen meine Geschichte nur teilweise, ich fand es immer schon schwierig, ihnen alles zu erklären. Sogar mein Ehemann erfuhr vieles auf unserer Reise nach Wien, von Dingen, von denen ich ihm zuvor nicht hätte erzählen können.

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